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Straßenumbenennung: Das Gröbenufer ist Geschichte

In Berlin gibt es mehr als 50 Straßen mit kolonialhistorischem Bezug. Eine von ihnen wird an diesem Sonnabend in Kreuzberg umbenannt.

Ein brandenburgisch-preußischer Kolonialpionier wird abgeschraubt und im Metallmüll entsorgt. Die Ehre des Straßenschildes gebührt in Zukunft einer Aktivistin gegen Kolonialismus und Rassismus. Am heutigen Sonnabend wird in Kreuzberg das Gröbenufer in May-Ayim Ufer umbenannt. Die Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen war Mitbegründerin der afro-deutschen Bewegung, Dichterin, Pädagogin und Kreuzbergerin, die sich 1996 das Leben nahm.

In Berlin gibt es etwa 70 Straßennamen und Plätze, die an den Sklavenhandel und deutschen Kolonialismus erinnern. Anlässlich der Gewerbe- und Kolonialausstellung von 1895 wurde das Kreuzberger Ufer nach Otto Friedrich von der Gröben (1657-1728) benannt. Er errichtete Ende des 17. Jahrhunderts die Festung „Großfriedrichsburg“ im heutigen Ghana, von der aus über 30 000 Afrikaner zur Sklavenarbeit verschifft wurden. „Straßennamen ehren Akteure, spiegeln Geschichte wider und machen sie im Alltag der Städte präsent“, sagt der Politikwissenschaftler Kwesi Aikins. Seit den 80er Jahren wird von unterschiedlichen Gruppen die Umbenennung kolonial belasteter Straßen gefordert.

„Die Umbenennung ist ein Anfang. Doch noch immer sind acht weitere Straßen in Berlin nach Kolonialverbrechern oder rassistischen Begriffen benannt“, sagt Aikins. Dazu zählten die Lüderitzstraße, der Nachtigallplatz, die Petersallee, die Mohrenstraße, die Woermannkehre, die Lansstraße, die Iltisstraße, der Maerckerweg und die Wissmannstraßen in Neukölln und Wilmersdorf, die an Hermann von Wissmann, einen Reichskommissar in Deutsch-Ostafrika erinnern.

Die Umbenennung des Gröbenufers geht auf einen Antrag der Grünen von 2007 zurück. Der größte Teil der Arbeit lag jedoch bei 70 schwarz-deutschen und deutschen Gruppen, die sich im Dachverband des „Entwicklungspolitischen Ratschlags“ (BER) zusammenschließen. In ihrer Arbeit berufen sie sich auf die UN-Weltkonferenz in Durban 2001. Hier hatten sich die Staaten darauf geeinigt, Kolonialismus und Sklaverei als wesentliche Ursachen des modernen Rassismus bis heute anzuerkennen.

Welche Straße könnte die nächste sein? In Kreuzberg stammen viele Straßennamen aus dem kolonialpolitischen Kaiserreich. Auch im „Afrikanischen Viertel“ in Wedding, das 1899 entstand, erinnern die meisten Straßen an ehemalige Territorien. Dort wollte ursprünglich der Hamburger Tierparkbesitzer Carl Hagenbeck das Gelände in einen exotischen Park verwandeln und neben Tieren auch afrikanische Menschen vorführen. Die Pläne scheiterten, trotzdem erhielten zu Beginn des 20. Jahrhunderts 25 umliegende Straßen Namen mit kolonialem Bezug. Auch nach dem Ersten Weltkrieg, als Deutschland keine Kolonien mehr besaß, änderte sich an dieser Praxis nichts. 1939 benannte man eine Allee nach dem Unternehmer Carl Peters, im Volksmund wegen seines brutalen Vorgehens in Ostafrika auch „Hänge-Peters“ genannt. Erst 1986 wurde die Straße auf Drängen der Anwohner umgewidmet. Sie heißt noch immer Petersallee, was sich heute allerdings auf den CDU-Politiker Hans Peters bezieht.

Der Festakt zur Umbenennung beginnt am heutigen Samstag, 11 Uhr, am U-Bahnhof Schlesisches Tor. Um 13 Uhr startet hier ein Gedenkmarsch für die Opfer von Sklaverei und Kolonialismus.

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