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Singendes, klingendes Mitte. Ob Liebeslieder, Gassenhauer oder Klassik: Rund um die Museumsinsel ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei.

© Mike Wolff, Lars von Törne, Paul Zinken/dpa

Straßenmusik in der Hauptstadt: Ein Spontanfestival auf den Straßen Berlins

Ob morgens oder nachts: Die Straßenmusiker auf der Museumsinsel spielen den Soundtrack zur Stadt. Ganz legal ist das nicht.

Berliner und Touristen sind noch nicht ganz wach, da stehen sie schon auf und neben der Museumsinsel: Berlins Straßenmusiker. Ein Saxophonist spielt am Sonntagmorgen eine Jazz-Improvisation auf der Friedrichsbrücke neben dem Berliner Dom, in den Kolonnaden vor der Alten Nationalgalerie unterhält ein Geiger die ersten Museumsbesucher mit klassischen Tönen. Und vor dem Restaurant „Ampelmann“ am Spree-Ufer steht Niko Malabar, singt Liebeslieder und spielt dazu Gitarre.

Jeden Tag steht der 32-jährige Serbe mit den ausgefransten Jeansshorts und dem kurzärmeligen Hemd über dem Longsleeve hier an der Spree, singt Zeilen wie „It’s A Big, Big City And The Lights Are All Out“ aus dem Lied „Whistle for the Choir“ von den Fratellis — inklusive Pfeifeinlage.

Bei den Zuhörern sind auch noch nicht alle Lichter an: Vor ihm hängt das Publikum in den Liegestühlen durch, versteckt sich hinter Sonnenbrillen, plaudert und nippt an Getränken. Annika Kramer erhebt sich vom Liegestuhl und legt dem Musiker eine Spende in den Korb. Ihr gefallen die „easy Sunday songs“ und ohne Straßenmusik würde ihr etwas fehlen, meint sie. „Livemusik hat einen ganz anderen Charakter als Musik aus der Anlage“, sagt die Berlinerin. Ihre Schwester Kerstin ist aus Hamburg zu Besuch und freut sich über das Konzert. „Es ist doch schön, dass er einfach hergekommen ist, das haben wir gar nicht erwartet. Das ist ein bisschen wie ein spontanes Festival“.

In der Regel geduldet

Niko spielt derweil Dolly Partons Klassiker „Jolene“, gefolgt von einem selbstgeschriebenen Lied, denn das Spielen hier ist der Broterwerb neben seinem Bandprojekt. Im Schatten zwischen den Bäumen Nummer acht und neun, wie kleine Plaketten es verraten, vollendet er seinen Auftritt und geht mit dem Korb herum. Der Ordnungssinn des Bezirks trifft auch die Straßenmusiker: Legal ist keiner der Mini-Gigs, das Wort „Ordnungsamt“ kennen die meist englischsprachigen Musiker nur zu gut.

In der Regel werden sie geduldet, sagt Nikos Musikerkollege Geraint John Jones auf der anderen Seite der Museumsinsel. Hier, am Brunnen im Lustgarten, geht es weniger entspannt zu: Ein gelangweilter Segway-Führer dreht seine Runden um den Brunnen, Touristen wollen das perfekte Bild von Pergamonmuseum, Dom und sich selbst schießen. Eine professionell in Sonnenschutztücher eingewickelte, ältere Touristin versucht mit viel Geduld und einem Selfiestick, sowohl sich selbst als auch ihren Mann und Geraint John Jones mit seiner Gitarre ins Bild zu bekommen.

Dabei versäumt sie, seiner Interpretation von Tom Waits’ „Hope I Don’t Fall In Love With You“ zu lauschen. Die Sonne scheint, die Fontäne rauscht und weht einen feinen Nieselregen zum bärtigen Musiker, vor der Stadtschlossbaustelle steigen Seifenblasen auf. Ein kleines Mädchen in AC/DC-Shirt, rosafarbenen Leggings und mit Schnuller im Mund zieht begeistert seine Mutter zum Gitarristen und beginnt zu tanzen.

 Der Engländer Geraint John Jones (o. li.) steht gerne vor dem Dom.
Der Engländer Geraint John Jones (o. li.) steht gerne vor dem Dom.

© Mike Wolff, Lars von Törne, Paul Zinken/dpa

„Die Kinder lieben meine Musik“, sagt Jones. Der 29-jährige Brite wohnt seit drei Jahren in Berlin, seit zehn Jahren ist er als Straßenmusiker unterwegs. Gegen die prekäre Situation und für durchschaubare Genehmigungsvergabe setzt er sich in der Initiative „Berlin Street Music“ ein oder entflieht ihr, indem er in Italien, Frankreich oder Norddeutschland umhertingelt. Ihm scheint es nicht zu schlecht damit zu gehen: Seine selbstvertriebene CD hat eine professionell aufgemachteHülle, nach jedem Lied applaudieren die Zuhörer, eine Gruppe mit Führerin lässt sich sogar die CD signieren.

Der Platz vor dem Dom ist sein Lieblingsort: Andere Standorte wie vor dem Restaurant „Ampelmann“ oder am Hackeschen Markt sind ihm in den letzten Jahren zu hektisch geworden. Dort müsste man teilweise mehrere Stunden warten und an einigen Orten würden die Cafébesitzer nur noch bestimmten Künstlern erlauben, ihren Korb herumgehen zu lassen. Er macht einfach sein eigenes Ding, schnappt sich die Gitarre und stimmt ein neues Lied an.

Die Dame mit dem Akkordeon ist eine Stammspielerin auf der Friedrichsbrücke.
Die Dame mit dem Akkordeon ist eine Stammspielerin auf der Friedrichsbrücke.

© Paul Zinken/dpa

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