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Auf zu neuen Ufern. Michel Verhoeven, der früher bei Amsterdam eine Strandbar betrieb, hat sich mit seinem Konzept gegen Mitbewerber durchgesetzt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Strandbad in Berlin-Wedding: Neuer Chef am Plötzensee will Welle machen

Das Strandbad Plötzensee in Wedding hat einen neuen Betreiber. Der hat eine Menge vor auf dem Gelände – was offenbar Vandalen auf den Plan rief.

Der Lack ist ab. Man sieht es an dem kleinen, von einer dünnen Grasnarbe flankierten Spielplatz mit den in die Jahre gekommenen, teils demontierten Spielgeräten. An den gesprungenen Blumenkästen, den kaputten Holzbänken und den von Unkraut überwucherten, baufälligen Steinstufen. Oder an den Außenduschen, in deren Wannen die blaugraue Farbe ähnlich großflächig abgeblättert ist wie an der Decke der Damenumkleide.

Nur selten leer. Wer früh aufsteht, kann sich am Plözensee noch seinen Platz aussuchen.
Nur selten leer. Wer früh aufsteht, kann sich am Plözensee noch seinen Platz aussuchen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Doch nicht überall im Strandbad Plötzensee in Wedding stehen die Zeichen auf Verfall. Spuren frischen Lebens sind unübersehbar: Die Duscharmaturen und die Toiletten sind neu. Am Kiosk, aus dem in moderater Lautstärke sommerliche Beats tönen, sind helle, rustikale Holzbänke aufgestellt. Einige Meter entfernt steht ein bunt dekorierter Bus, an dem Pommes, Currywurst und Eis zu familiengerechten Preisen verkauft werden. Ins Auge fallen auch die zahlreichen Mülltonnen auf dem Gelände.

Containerweise Müll gesammelt

25 Container mit Müll und fünf Container mit Laub hat der neue Pächter Michel Verhoeven mit Hilfe seiner 30 Mitarbeiter und von rund 200 Freiwilligen in den letzten neun Wochen im Strandbad gesammelt und abtransportieren lassen. Außerdem kam ein Amphibienfahrzeug zum Einsatz, um den Badebereich zu säubern. – Zukünftig sollen die Rasenflächen, der Strand und das Wasser sauber bleiben, so Verhoeven. „Als ich vor einem Jahr zum ersten Mal hier war, habe ich mich sofort in diesen Ort verliebt. Selbst in dem heruntergekommenen Zustand war immer noch viel von seinem alten Charme zu spüren”, erzählt der gebürtige Niederländer.

Das Strandbad ist ein Ort mit Geschichte: Der Turn- und Fechtlehrer Wilhelm Auerbach – Namenspatron des „Auerbach-Salto” – errichtete hier 1877 eine Badeanstalt mit einem Schaufelrad, das Wellen im Wasser erzeugte. Die heutige Anlage mit dem Hauptgebäude und den zwei Pavillons stammt aus den 1920er Jahren und steht unter Denkmalschutz. Hier soll nicht nur schon der mehrfache Olympiasieger und Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller seine Bahnen gezogen haben, auch die damals noch junge Berliner Band „Die Ärzte” gab im September 1984 auf den Wiesen ein Open-Air-Konzert. Auch mehrere Szenen aus dem Film „Der Vorleser” wurden vor der historischen Kulisse gedreht. Das war 2007. Im Jahr darauf suchten die Berliner Bäderbetriebe erstmals einen privaten Pächter für mehrere Strandbäder in Berlin.

Bäderbetriebe loben das Konzept von Michael Verhoeven

Alle zehn Jahre werden diese Pachtverträge neu ausgeschrieben. Ende 2018 hat Verhoeven vor vier weiteren Bewerbern – darunter auch der Betreiber der letzten zehn Jahre – den Zuschlag erhalten. Mit der Auflage, den Instandhaltungsstau mit einer Summe von rund 270.000 Euro zu beheben. „Verhoeven hatte eindeutig das beste Konzept und hat zugesichert, die anfallenden Kosten zu 100 Prozent zu übernehmen. Wir freuen uns sehr, dass er das Potenzial des Standortes als Familienfreizeitstätte für Wedding erkannt hat”, sagt Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäderbetriebe. Sympathisch sei auch gewesen, dass Verhoeven als erstes von sich aus den Kontakt zu den Nachbarn gesucht habe.

Strandbar bei Amsterdam

Viel Erfahrung bringt Verhoeven mit: fast 25 Jahre lang hat der 51-Jährige die Strandbar „Woodstock 69” in Bloemendaal aan Zee westlich von Amsterdam betrieben. Vor knapp drei Jahren hat er die Anlage verkauft, das Geld investiert er nun zusammen mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar am Plötzensee. „Ich fühle mich selbst am Wasser am wohlsten. Und ich habe einen 13-jährigen Sohn. Ich möchte hier in Wedding ein kleines Paradies für jeden mitten in der Stadt schaffen. Für den Berufstätigen, der nach der Arbeit noch auf ein Bier am Strand sitzen will genauso wie für Kinder und Familien, die im und am Wasser ihren Spaß haben wollen”, erzählt Verhoeven. Dafür plant er, wie schon in den Niederlanden, eine Zweiteilung des Bades in Familienbad und Strandbar. Auf der Familienseite darf nicht geraucht werden, hier soll in Kürze ein aufblasbarer Wasserspielplatz schwimmen. Auch Felder für Strandfußball und Beachvolleyball sollen in den nächsten Wochen kommen, die Bretter für Stand-Up-Paddling sind schon da. Auf der linken Seite des Strandes gibt es für Besucher ab „18 plus” chillige Musik, Loungemöbel, Tagesgerichte, ab 15 Uhr auch Cocktails und abends ein Lagerfeuer.

Der Chef wohnt auf dem Gelände

Doch um 22 Uhr soll in der Regel auch an den schönsten Sommerabenden Schluss sein: „Ich bin selbst überhaupt kein Nachtmensch und brauche meinen Schlaf”, sagt Verhoeven lächelnd. Der mit den halblangen Haaren und der schlabbrigen Jogginghose jünger wirkende Mann lebt selbst in einem Wohnwagen auf dem Gelände.

Doch bei allem Enthusiasmus und den großen Plänen sind viele Dinge noch verbesserungswürdig. Dies liege neben dem frühen Sommerstart vor allem daran, dass es erst vor wenigen Monaten zu zahlreichen Zerstörungen wie zerbrochenen Fenstern, Türen und Lampen gekommen sei, sagt Verhoeven. Die Ermittlungen gegen Unbekannt laufen. „Der Vandalismus ist quasi über Nacht geschehen. Nur kurze Zeit, nachdem ich den Zuschlag für das Gelände erhalten habe”, sagt Verhoeven mit verständnislosem Kopfschütteln.

Amphibienfahrzeug im Einsatz

Zu den Dingen, die er in den nächsten Tagen und Wochen erledigen will, gehört die Säuberung des rechten Strandabschnittes. Hier liegen immer noch Zigarettenkippen und Müll im Sand. Auch das Amphibienfahrzeug muss in diesem Abschnitt noch mal zum Einsatz kommen. Neue Kleiderspinde mit Pfandsystem sind auch geplant, sie sollen sichtbar aufgestellt werden, um potenziellen Langfingern keine Chance zu geben. Für die Benutzung der jetzigen Spinde müssen die Besucher derzeit ein eigenes Schloss mitbringen. Außerdem haben sich mehrere Gäste beschwert, dass sie abends noch den vollen Eintritt zahlen mussten. Ab sofort sei der Eintritt unter der Woche an sehr warmen und damit vollen Tagen ab spätestens 20 Uhr, an normalen Tagen auch ab 19 Uhr frei, so Verhoeven. Er plant in Kürze auch die Einführung von Familientarifen, Monats- und Jahreskarten.

[Nordufer 26, Mo-Fr 9 bis 20 Uhr, Sa und So 9 bis 22 Uhr. Eintritt 5,50 Euro, ermäßigt drei Euro. Mo bis Fr ab spätestens 20 Uhr freier Eintritt. Mitnahme von Alkohol und Glasflaschen verboten. www.strandbad.ploetzensee.de]

Ärger um Armbänder aus Plastik

Ein weiteres Ärgernis sind die Eintrittsarmbänder aus Plastik. Wenn wie am Eröffnungstag am 30. Mai über 5000 Besucher ins Strandbad strömen, landen manche der Bänder trotz der vielen Mülltonnen im Sand, auf dem Rasen oder im Gebüsch. „Wir planen ein System mit Bändern mit wiederaufladbaren Chips, die dann jeder Besucher mit nach Hause nimmt. Dazu müssen wir aber erst ein stabiles Inter- und Intranet aufbauen”, sagt Verhoeven.

Badeverbot wird ignoriert

Ein Problem wird er eventuell nicht so schnell in den Griff bekommen: das der wilden Badestellen am gegenüberliegenden Ufer des eingezäunten Landschaftsschutzgebietes. Da der 740 Meter lange See über keine oberirdischen Zu- und Abflüsse verfügt, reagiert er höchst sensibel auf Zerstörungen und Verunreinigungen, weshalb das Schwimmen an allen Stellen außerhalb des Strandbades verboten ist. Dennoch klettern viele über den Zaun, um an der Ostseite der „Plötze” ein kostenloses Bad zu nehmen.

Erst vor wenigen Tagen mussten die Bademeister des Strandbades einen Jugendlichen, dem übel geworden war, aus dem Wasser retten. „Ich kann nur versuchen, diese Seite des Sees so anziehend zu machen, dass jeder gerne zu uns kommt. Auch, wenn er ein paar Euro Eintritt dafür zahlen muss”, sagt Verhoeven.

"Das Bad ist eine Perle"

Eine Besucherin, die in Wedding arbeitet und seit 30 Jahren regelmäßig das Strandbad besucht, argumentiert: „Ich würde meinen Autoschlüssel nicht drüben am anderen Ufer unbewacht liegen lassen, im Strandbad kann ich duschen und mich in Ruhe umziehen.” Der Ort sei eine Perle mitten in der Stadt, sagt die 63-Jährige, als sie am Strand neben einer Schulklasse der Weddinger Anna Lindh Schule ihr Handtuch ausbreitet. Sie freue sich, wenn diese Perle endlich wieder zum Glänzen gebracht werde. – Ein Wunsch, an dem Michel Verhoeven sich wird messen lassen müssen.

Eva Steiner

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