zum Hauptinhalt
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey im Restaurant Zenner im Bezirk Treptow.

© Wolfgang Kumm/dpa

Störungen von Klimaaktivisten und einem Impfskeptiker: Scholz und Giffey auf Wahlkampftour in Berlin-Treptow

Fröhliche Atmosphäre, aber auch Störungen und die ernste Frage eines Afghanen: Franziska Giffey und Olaf Scholz setzen ihre Themen beim gemeinsamen Termin.

Das Wetter ist gut, die Umfragewerte für die SPD im Bund und in Berlin sind es auch. Und deshalb ist die Stimmung am Freitagabend sichtlich gelöst, als Franziska Giffey und Olaf Scholz im Treptower Park aufschlagen. „Mensch, der Edwin ist ja auch da, Tachchen!“, ruft SPD-Spitzenkandidatin Giffey ins Publikum. Später wird es zu mehreren Störaktionen kommen, doch erst einmal geht es heiter los.

Es ist Wahlkampf mal drei im Zenner Weingarten: Ana-Maria Trăsnea, die für Treptow-Köpenick in den Bundestag einziehen will, moderiert den Abend. Knapp 200 Menschen sind gekommen, unter offenem Himmel sitzen sie vor Aperol Spritz und Flaschenbier.

Für Scholz und Giffey gibt es als Eröffnung die Frage nach ihren Lieblingseissorten: Scholz liebt Schokolade, Giffey Schoko-Vanille. Es sind Antworten, wie noch viele an dem Abend folgen werden: Irgendwie solide, aber wenig überraschend. Dabei zeigt Scholz sogar Gefühl: Auf die guten Umfragewerte angesprochen sagt er, er sei „sehr berührt davon“, dass ihm so viele Menschen den nicht ganz einfachen Job des Kanzlers zutrauten. Das mache ihn demütig.

Als er und Giffey anheben, ihre politische Vision anzureißen – Giffey: „Für eine soziale und sichere Metropole antreten“, Scholz: „Mehr Respekt, vor jedem und jeder“ – kommt es zur ersten Unterbrechung. Unter die angemeldeten Gäste haben sich Umweltaktivisten gemischt, die jetzt vor die Bühne treten und ein großes Plakat hochhalten: „Hungerstreik für Klimagerechtigkeit“. Vom nahen Spreeufer schalt aus einem Lautsprecher eine Stimme, die sich direkt an Olaf Scholz wendet.

„Ein Thema, das ja auch hier auf den Plakaten steht“

Bevor aber klar wird, was sie sagen will, haben die Sicherheitskräfte den Ton schon wieder ausgestellt. Der kurze Tumult sorgt für Ablenkung bei den Zuschauenden – doch Scholz und Giffey lassen sich nicht beirren. Scholz, der gerade am Mikrofon spricht, redet zunächst weiter, als sei nichts gewesen. Er braucht einen Moment, erst dann reagiert er spontan: „Wie können wir das hinkriegen, dass Klimagerechtigkeit in Deutschland herrscht? Ein Thema, das ja auch hier auf den Plakaten steht“.

Klimaaktivisten halten vor der Veranstaltung mit Giffey und Scholz ein Plakat hoch.
Klimaaktivisten halten vor der Veranstaltung mit Giffey und Scholz ein Plakat hoch.

© Tsp

Für ihn sei klar, dass man nicht länger warten dürfe. „Wir müssen jetzt die Entscheidungen treffen, die dazu notwendig sind.“ Er verweist auf die Entscheidung der SPD, aus der Atomenergie und Kohleverstromung auszusteigen. Nach dem Schwenk zur Klimapolitik geht es entspannt weiter, aus dem Publikum werden schriftlich Fragen eingereicht, die Bundestagskandidatin Trăsnea dann Giffey und Scholz stellt.

[Sie haben die Wahl! Mit dem Berlin-O-Mat des Tagesspiegel können Sie herausfinden, welche Partei Ihnen in Berlin am nächsten steht – auch in ihrem Bezirk.]

Zur Frage nach Hartz IV betont Scholz, man wolle ein Bürgergeld einführen; Giffey wirbt beim Thema Pflege für ein „Familienpflegegeld“. Dann die nächste Störung: Aus einem Megafon hallt es von außerhalb des abgegrenzten Garten-Areals: „Wie lange wollen sie den Corona-Notstand noch verlängern?“ Diesmal ist Scholz schneller. Wer sich extra ein Megafon besorge, dem wolle er gerne antworten. „Corona ist noch nicht vorüber“, sagt er.

„Versuchskaninchen“ für Corona-Impfung

Der wirksamste Schutz sei die Impfung. Er wiederholt seine schon bei anderen Terminen geäußerte Aussage: „Betrachtet uns als eure Versuchskaninchen! Bei uns ist es gut gegangen – jetzt traut euch auch!“ Im Weingarten sorgt das für großen Applaus.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Auch aus dem Publikum kommen mehrere Fragen zu Corona, eine Frau fragt Franziska Giffey direkt nach der Teststrategie an den Berliner Schulen. Die SPD-Kandidatin zeigt, dass sie bei dem Thema sattelfest ist, gibt der Mutter einer Tochter Tipps. „Und wenn das nicht klappt, schreiben sie mir einfach, die SPD Berlin kümmert sich drum!“

Giffey setzt ihre Hauptstadtthemen: Der Kultur- und Tourismusbranche wieder auf die Beine helfen, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, Lehrer gut bezahlen und auch verbeamten. Zum Thema Schule hebt sie hervor, was die SPD alles schon geschafft habe: Mittagessen für alle Schul- und Kitakinder, das kostenlose BVG-Ticket. Auch dafür gibt es großen Applaus von den Zuschauern. Zwischendurch wird gewunken: Das Ausflugsschiff „Alexander von Humbolt“ tuckert auf der Spree und an dem Weingarten vorbei, die Fahrenden winken auf Deck, Giffey, Scholz und Trăsnea winken fröhlich zurück.

Applaus für Angriff auf CDU

Beim Thema Gleichberechtigung holt Scholz zu seinem einzigen deutlichen Angriff auf die CDU an diesem Abend aus: Die CDU habe lange erbitterten Widerstand geleistet bei einem Gesetz, dass eine Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen garantiert. „So 'ne Leute sind das!“, sagt er. „Das ist ein Zeichen dafür, dass die mal in die Opposition gehören. Wir brauchen einen Aufbruch für Deutschland!“ Auch hier großer Applaus aus der Runde; das der SPD gewogene Publikum stimmt ihm zu.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bei einer Frage wird es still: Ein Mann meldet sich, möchte wissen, ob er eine Frage auf Englisch stellen könne. Er komme aus Afghanistan, arbeite hier für eine internationale Organisation. Er möchte von Scholz wissen, ob er die Taliban offiziell anerkennen wird, wenn er Kanzler ist, und was mit der Generation an Menschen passiere, die nun in dem Land hätten zurückbleiben müssen.

Die Nähe zu den Ereignissen in Afghanistan, die der Mann hergestellt hat, wird von Scholz wieder auf Distanz gebracht. Er setzt auf die Sachebene: Schönen Dank für die Frage, er wolle erst noch einmal daran erinnern, wie alles losgegangen sei. Er spricht von den Anschlägen vom 11. September 2001, der folgenden militärischen Invasion. Erst am Ende der nüchtern-historischen Ausführungen antwortet er: Man werde die Frage, wie man künftig mit den Taliban umgehen werde, nur gemeinsam mit Europa und der Nato beantworten.

Ana-Maria Trasnea, hier links im Bild, moderierte den Abend mit Scholz und Giffey. Trasnea kandidiert für den Bundestag.
Ana-Maria Trasnea, hier links im Bild, moderierte den Abend mit Scholz und Giffey. Trasnea kandidiert für den Bundestag.

© imago images/Future Image/T. Bartilla

Am Ende der Veranstaltung greift Trăsnea, die souverän durch den Abend geführt hat, die von einigen Zuschauern gestellte Frage nach Koalitionswünschen auf, im Bund und in Berlin. Scholz seufzt, Giffey lacht. Scholz betont, die Bürgerinnen und Bürger entschieden die Wahlen, nicht die Koalitionsfarbenspieler; Giffey wirbt für „SPD pur“ und sozialdemokratische Werte, die zwar alt, aber nicht altmodisch seien: „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität – das gehört nach Berlin!“

Keine SPD-Fans, aber „Politik-Fans“

Dann ist der offizielle Teil des Abends vorbei, die Kandidierenden geben noch Pressestatements und machen Fotos mit Unterstützern und solchen, die es werden könnten. Zwei junge Männer sind darunter. Nach der Foto-Session danach gefragt, ob sie SPD-Fans seien, sagen sie: „Nein, Politik-Fans.“

Sie seien aus Neugier gekommen, hätten sich die SPD-Kandidierenden einmal anschauen wollen. Aber gänzlich überzeugt seien sie nicht, viele Aussagen seien sehr berechenbar gewesen.

Auch eine ältere Dame sagt, sie sei noch unentschieden. Im Bund sei die SPD wegen ihrer Politik kaum tragbar, „aber in Berlin könnte ich mir schon eher vorstellen, SPD zu wählen“. Giffey und Scholz werden also noch weiter werben müssen. Die beiden verlassen derweil den Treptower Park –  für sie blieb es ein heiterer Abend, trotz der Störungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false