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Tino Vetter, der Trommler.

© privat

Stimmen zum Halbmarathon: "Unser Doping ist Zucker"

Tommler, Trainer, Läufer und Helfer: Der Tagesspiegel hat Menschen interviewt, die am Sonntag in Berlin dabei sind.

Tino Vetter (39), Trommellehrer an seiner Schule am Columbiadamm, Leiter einer Sambagruppe „Vetter Sound

„Halbmarathon und Marathon sind für meine Trommelgruppe ein alljährliches Highlight. Seit 2013 stehen wir am Ernst-Reuter-Platz, also noch recht früh im Rennen. Trotzdem trommeln wir zwei bis drei Stunden bis das ganze Feld durch ist. Beim Marathon können es auch mal über fünf Stunden werden.

Der Ernst-Reuter-Platz ist toll, denn wir sehen die Läuferinnen und Läufer schon von weitem. Die an der Spitze interessieren sich wahrscheinlich nicht so sehr für unsere Trommeln. Die sprinten ja mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an uns vorbei. Aber im Hauptfeld klatschen viele Läufer, bleiben stehen und legen ein kleines Tänzchen ein. Das Feedback ist immer grandios. Sogar die Polizisten und Ordner wippen mit dem Kopf oder deuten einen Hüftschwung an.

Ich habe im Freundes- und Bekanntenkreis einige Läufer, die mir immer berichten, wie sehr die Musik sie pusht. Unsere Basstrommeln und Percussions hört man schon aus der Ferne, damit können wir die Läufer ein ganzes Stück mitziehen. Es ist immer wieder faszinierenden, wenn verkleidete Athleten vorbeikommen.

Das muss wahnsinnig heiß und anstrengend sein und trotzdem stoppen die, lachen und tanzen eine Runde. Für mich wäre das nichts. Meine Knie halten wohl leider keinen Marathon aus. Ich mache lieber Musik – da habe ich mehr Spaß. Außerdem finde ich es immer super als Gruppe im Freien spielen zu können.

Blasen an den Fingern bekomme ich schon lange nicht mehr vom stundenlangen Trommeln - aber die Anfänger leiden schon manchmal. Wir trainieren nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Man muss wach bleiben, wenn man vier Stunden am Stück trommelt. Wir haben aber auch immer alle Instrumente mehrfach besetzt, damit wir kurze Trink- und Essenspausen einlegen können. Unser Doping: Zucker! Schokolade, Traubenzucker, Kuchen – alles hilft. Am Schluss merkt man, dass man etwas gemacht hat – fast wie bei den Läuferinnen und Läufern.

Nathalie Baron, die Trainerin.
Nathalie Baron, die Trainerin.

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Trainerin Nathalie Baron weiß, wie man die Strecke schafft

„Die goldene Regel für den Halbmarathon: Keine Experimente! Der Körper ist ein Gewohnheitstier und kommt am besten mit dem klar, was er kennt. Am Abend vor dem Lauf ausreichend trinken, essen, was man mag und gut verträgt. Keine Experimente, keine unnötige Pasta-Schlacht – normale Portionen sind natürlich erlaubt –, nicht zu fetthaltig, keine großen Mengen Alkohol – einfach und früh ins Bett gehen. Drei Stunden vor dem Start ein kleines bis mittleres Frühstück. Im Optimalfall wird das gegessen, was regelmäßig vor langen Läufen gegessen wurde. Auch hier keine Experimente. Wer normalerweise sonst nüchtern läuft, kann vor dem Start auch nur noch eine Banane essen. 60 bis 90 Minuten vor dem Start nur noch zu kurzzeitigen Kohlenhydraten greifen, die schnell in den Blutkreislauf gelangen, also schnell Energie liefern: Obst, Säfte oder Gummibärchen.
Unmittelbar vor dem Lauf sollte man sich unbedingt aufwärmen: Wer kalt Vollgas gibt, wird womöglich ein paar Probleme bekommen. Schön hüpfen und Fußgelenke bewegen, das geht auch auf engem Raum.

Nach dem Startschuss dann nicht direkt los sprinten. Fehler Nummer 1: sich von der Masse und der Stimmung mitziehen lassen. Es bleiben noch 21 Kilometer zum Gas geben. Das Finisher-Foto sieht deutlich besser aus, wenn man noch ein paar Reserven für den Schlussspurt aufbewahrt hat.

Beim Lauf gilt: je vertrauter, desto besser. Keine ungetesteten Gels, nicht die neuen Schuhe, frühzeitig Wasser trinken. Wenn man der Durst kommt, ist es schon zu spät. Wer trotzdem Probleme bekommt und bei Kilometer 17, 18 mit Seitenstechen oder Krämpfe zu kämpfen hat bekommt hat, sollte cool bleiben, Tempo drosseln und tief ein- und ausatmen. Notfalls auch eine Gehpause einlegen, den krampfenden Muskel dehnen und wieder langsam loslegen. Auch Ablenkung kann helfen.

Wer nur Spaß haben und die Atmosphäre genießen möchte, der sollte definitiv mit Zuschauern abklatschen – ein tolles Gefühl und Motivationsschub. Also haut rein! Gleich geht es auf die Zielgerade, jetzt dürft ihr stolz auf euch sein. Mit der Medaille um den Hals kann man nach dem Lauf die Füße hochlegen – und ordentliches Essen nicht vergessen.“

Georg Erkenberg, der Helfer.
Georg Erkenberg, der Helfer.

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Helfer Georg Erkenberg, 28, wohnt in Mitte

„Beim ersten Mal wollte ich mitmachen, als ein Freund von mir diese coole Jacke trug, an der man viele der freiwilligen Helfer des Marathons erkennt. Er erzählte mir, dass er sie bekam, als er erstmals beim Halbmarathon mithalf. Also reihte ich mich in die Helferschar ein, das war 2012. Und dann hat mir der Job entlang des Marathons so viel Spaß gemacht, dass ich dabei blieb.

Die Helfergruppe trifft sich frühmorgens um 6 Uhr. Wenn alle mit aufräumen und alles erledigt haben, ist es gegen 11 Uhr. Eines habe ich beim Helfen gelernt: Man sollte Menschen, die sich beim Marathon verlaufen haben, besonders freundlich und nicht mit der direkten Berliner Art ansprechen, um und ihnen den Weg zu weisen. Auf diese Art entstehen keinerlei Missverständnisse.

Ich habe in den Jahren ein Ritual entwickelt. Kurz bevor es los geht, stelle ich mich an die Startlinie und klatsche die Leute ab. Auch cool: Gut 90 Minuten vor dem Start laufen manche Teilnehmer schon los, das ist okay, weil sie gehbehindert sind.“

Alexander Wieberneit, der Läufer.
Alexander Wieberneit, der Läufer.

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Läufer Alexander Wieberneit, 47, Gründer der Kinder-Herz-Läufer

„Der Halbmarathon in Berlin ist für mich immer ein ganz besonderer Lauf – schließlich bin ich hier 2006 erstmals ein Rennen gelaufen. Zum Laufen kam ich im Spätsommer 2005. Damals wog ich über 100 Kilo und fühlte mich nicht mehr wohl, der Halbmarathon war mein Vorsatz. Ich habe natürlich alle Fehler gemacht, die man machen kann: Ich war mit einer langen Hose und einem Baumwollshirt viel zu warm angezogen und hatte im Ziel großen Hunger. Eine Bratwurst nach 21 Kilometern war aber keine gute Idee.

Trotzdem war es ein tolles Erlebnis. Ich wollte unter zwei Stunden laufen und kam nach einer Stunde und 59 Minuten ins Ziel. Ein Gänsehauterlebnis! Danach hatte ich mir das Lauf-Virus eingefangen. Im selben Jahr bin ich dann auch den Berlin-Marathon gelaufen - damals noch für 50 Euro Anmeldegebühr.

Eine Zeit bin ich bis zu zwölf Wettkämpfe pro Saison gelaufen, inzwischen habe ich das Programm aber etwas reduziert. Doch auch nach Jahren hat Berlin einen besonderen Reiz. Das ist meine Haus- und Hofstrecke und am Streckenrand stehen immer viele Freunde und Familienmitglieder – das pusht extrem!

Der diesjährige Halbmarathon wird für mich eine weitere Premiere, denn vor drei Monaten habe ich das Team „Die KinderHerz-Läufer“ gegründet. Ein virtuelles Team mit realen Läufern, das vor allem über die sozialen Medien auf die Arbeit der Stiftung Kinderherz aufmerksam machen soll, die die Erforschung und Behandlung angeborener und erworbener Herzfehler bei Kindern und Neugeborenen fördert und ermöglicht.

Weil sich der Kinderwunsch für meine Frau und mich nicht erfüllen wird, möchte ich mich auf diese Art für das Wohl von Kindern engagieren. Wer sich die Laufausrüstung mit unserer KinderHerz-Beflockung zulegt und sich den Kinderherz-Läufern anschließt, spendet beim Kauf von jedem Kleidungsstück fünf Euro. Berlin wird unser erstes großes Schaufenster sein. Beim Halbmarathon werden erstmals zehn Mitglieder von unserem Team mit Kinder-Herz-Shirt an den Start gehen, beim Marathon sogar 30 bis 40! Für mich ist das nochmal eine enorme Motivation.

Für den Saisonstart wäre es toll, wenn ich es mit einer Zeit zwischen 1:45 und 1:50 ins Ziel schaffe. Ich versuche aber nicht der Sklave meiner Uhr zu sein. Die Gefahr ist immer, dass man sich am Start durch die Stimmung zu sehr pushen lässt und zu schnell los läuft. Auf allen Distanzen greife ich immer auf meinen liebsten Trick zurück: Ich teile mir die Strecke immer in zwei Hälften ein. Wenn ich dann ein paar Meter über die halbe Distanz bin, weiß ich: Jetzt geht es nach Hause.“

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