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Autos fahren auf der Straße des 17. Juni in Berlin.

© dpa/Arne Immanuel Bänsch

Stickoxid-Belastung: Sind Diesel-Fahrverbote in Berlin jetzt überflüssig?

Kein Einspruch von der EU: Die Bundesregierung kann das Gesetz zur Luftreinhaltung ändern. Welche Folgen hat das für Berlin?

In Berlin gibt es elf besonders hoch mit Stickoxid belastete Straßenabschnitte, für die das Berliner Verwaltungsgericht Fahrverbote vorgesehen hatte. Doch nun hat die EU-Kommission signalisiert, dass die Bundesregierung das Imissionsschutzgesetz ändern kann. Welche Auswirkungen hat das für die geplanten Maßnahmen zur Luftreinhaltung in der Hauptstadt?

Sind Fahrverbote in Berlin jetzt überflüssig?

In der Umwelt- und Verkehrsverwaltung von Senatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) gilt die Parole: So wenige Fahrverbote wie möglich – so viele wie nötig. Konkret hieß das seit dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom Oktober 2018, dass auf elf besonders hoch belasteten Straßenabschnitten in diesem Jahr Dieselverbote angeordnet werden müssen. Für 106 weitere Strecken verlangt das Gericht, Verbote und Alternativen zu prüfen, damit der Grenzwert eingehalten wird.

Die Vorzeichen für diese Prüfung dürften sich durch den neuen 50-Mikrogramm-Puffer kaum verschieben. Denn laut Senat sind Fahrverbote gemäß der Bundesnovelle nur in „Gebieten“ verhältnismäßig, in denen die NO2-Belastung im Jahresmittel bei mindestens 50 Mikrogramm liegt.

Das ist im „Gebiet“ Berlin der Fall: sechs von 23 Messgeräten an Hauptstraßen lieferten 2018 noch höhere Werte. Außerdem wird betont, dass beim Verzicht auf Fahrverbote andere Maßnahmen umso stärker wirken müssten. Denn an der Pflicht, schnellstmöglich den Grenzwert von 40 Mikrogramm einzuhalten, habe sich nichts geändert.

Was kann der Senat tun, um die Stickstoffbelastung auf andere Weise zu senken?

Verschiedene Rezepte werden erprobt: Nachrüstung und Neukauf von Bussen mit besserer Abgastechnik, Verstetigung des Verkehrsflusses durch Tempo 30 und grüne Wellen. Aber das Potenzial ist sehr begrenzt: Mehr bringt die Veränderung des Verkehrsmixes, indem beispielsweise Autospuren zugunsten von Radverkehr oder Bussen verschwinden. Aber das geschieht trotz politisch beschlossener Verkehrswende nur zaghaft.

Andere Hebel – etwa die Förderung von Elektrofahrzeugen – wirken auf Landesebene nur begrenzt. Über Förderprojekte wurde etwa versucht, Dieseltaxis durch Erdgas- und Hybridautos zu ersetzen und Lieferwagen durch Lastenräder. Weitere Maßnahmen sollen im neuen Luftreinhalteplan folgen.

Was sagt die Berliner Politik Dieselfahrern?

In der rot-rot-grünen Koalition ist das Thema kaum umstritten. Die SPD sieht die von der Verkehrsverwaltung übernommene Parole „so wenige Fahrverbote wie möglich“ als ihren Verdienst an, aber grundsätzlich lagen die Koalitionäre nie weit auseinander. Gemeinsamer Gegner ist die Autoindustrie, „die die Käufer belogen und betrogen hat“, wie SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz sagt.

Die Städte, die Dieselfahrer und die Anwohner der dreckigen Straßen müssten diesen Betrug nun ausbaden, da der Bund nicht durchgegriffen habe. Für Buchholz gilt „in dieser Reihenfolge: Gesetze sind einzuhalten, und Fahrverbote sind, wo immer möglich, zu vermeiden“. Die Opposition aus CDU und FDP hatte vom Senat vergeblich gefordert, gegen das Fahrverbots-Urteil Berufung einzulegen.

CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici erklärte angesichts der neuen Nachrichten: „Die Fahrverbote von Anti-Autosenatorin Günther lösen sich damit in Luft auf.“ Friederici begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission, „die Erhöhung der Grenzwerte für Stickoxid in Deutschland auf 50 Mikrogramm zu genehmigen“. Demnach ist auch er dem Irrtum verfallen, die Kommission hätte die Grenzwerte gelockert.

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