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In letzter Zeit sind in der katholischen Kirche viele Missbrauchsfälle bekannt geworden.

© Harald Tittel/dpa

Steigender Bedarf: Beratungsstellen für sexuellen Missbrauch fordern mehr Geld

Missbrauch in der katholischen Kirche, die "MeToo"-Debatte: Fachstellen gegen sexualisierte Gewalt haben mehr zu tun - aber brauchen selbst Unterstützung. Warum?

Immer mehr Fälle werden bekannt, immer mehr Betroffene von sexueller Gewalt brauchen Hilfe. Infolge der zunehmenden öffentlichen Debatte, etwa durch die #metoo-Kampagne im Internet oder die vielen in der katholischen Kirche bekannt gewordenen Missbrauchsfälle von offensichtlich homosexuellen Geistlichen an Jungen, melden sich jetzt die Fachberatungsstellen für diesen Themenbereich zu Wort. Wegen der gestiegenen Aufmerksamkeit gebe es auch mehr Menschen, die Rat suchen, sodass der Zusammenschluss „Spezialisierte Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend“ jetzt auf eine sichere Finanzierung drängt.

So wird am 10. Oktober die Kampagne „100 % für Beratung“ gestartet, die bis Mai 2019 laufen soll. In der Kampagne geht es laut Öffentlichkeitsreferentin Lisa Monz um die „wichtige Arbeit der spezialisierten Fachberatungsstellen, die Menschen, die als Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erfahren haben, unterstützen und begleiten“. Da diese prekär und am Limit arbeiteten, fordere die Kampagne Sicherheit und 100 Prozent Finanzierung für ihre Arbeit. Denn der Beratungsbedarf steige, auch, was die Fälle von Jungen angeht, wie beispielsweise das Projekt „Berliner Jungs“ bestätigt.

Prominente erzählen von sich, andere wagen den Schritt nach draußen

Immer mehr Betroffene von sexualisierter Gewalt – auch in frühester Kindheit und Jugend – trauen sich, Erfahrungen mutig öffentlich zu benennen und zu teilen. Es sind auch viele Prominente, Politikerinnen, darunter. Zudem rückt die aktuelle Studie der katholischen Kirche das Ausmaß und die speziellen Dynamiken von sexualisierter Gewalt an Kindern in die öffentliche Debatte. Betroffene wagen es jetzt, die Fälle bekannt zu machen und sich psychologische Hilfe zu holen.

Denn was passiert mit Betroffenen nach dem Erlebten, was brauchen sie und wo finden sie Unterstützung? Wie sieht das Weiterleben nach erfahrener Gewalt aus? Es gebe bereits seit 35 Jahren spezialisierte Fachberatungsstellen, die hier niederschwellig Angebote machen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, begleiten und dabei helfen, den eigenen Weg zu beschreiten, merkt Lisa Monz an. Die Fachberater seien mit dem hohem Engagement und der Fachkenntnis dabei, die für dieses komplexe Thema notwendig sei. Zum Beispiel zu Therapien, zur Ansprache des Täters, zum Anzeigeverhalten. „Aber der Arbeitsbereich ist chronisch unterfinanziert und die Fachkräfte arbeiten unter hoher Belastung, mit zu wenig Ressourcen, um den Bedarf zu decken“, sagt Monz. In einigen Regionen Deutschlands gebe es noch keine Fachberatungsstellen für persönlichen Kontakt und Aussprache. „Wir unterstützen unsere Klientinnen und Klienten dabei, für sich Sicherheit zu schaffen. Selbst stehen wir aber oft mit dem Rücken zur Wand“, heißt es.

Sandra Scheeres: "Es muss mehr Geld ins System"

Die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung sieht es als eine staatliche Aufgabe an, ein angemessenes und zugängliches Hilfsangebot zu finanzieren und Verantwortung für die Unterstützung von Betroffenen zu übernehmen. „In den Fachberatungsstellen geben die Beraterinnen 100 Prozent für ihre Klientinnen und Klienten, für Angehörige und ratsuchende Fachkräfte, auch für einen verbesserten gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema. Deswegen wollen wir diese Arbeit sichtbar machen und fordern 100 Prozent für Beratung.“ Mehr Geld für Kinder- und Jugendhilfe forderte zuletzt auch der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundes, Johannes-Wilhelm Rörig: „An der Kinder- und Jugendhilfe darf nicht gespart werden.“ Auch die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigte sich zuletzt auf seiner Linie: „Es muss mehr Geld ins System.“

In der Kampagne „100 % für Beratung“ schildern Betroffene nun, wie ihnen die Beratung half, wieder selbstbewusster zu werden und das Geschehene teils zu verarbeiten. Am 25. Januar 2019 ist die nächste Vollversammlung der spezialisierten Fachberatungsstellen geplant.

Infos und Kontakt für Betroffene von sexualisierter Gewalt: www.jungen-netz.de, Tel 030 236 33 983. Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 2255530, Kindernotdienst 030 610061. Auch die Bildungsverwaltung gibt Handlungstipps. Alles zur Kampagne: www.bundeskoordinierung.de

ab 10.10: www.100pro-beratung.de. Und:

www.beauftragter-missbrauch.de

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