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Statue des Anstoßes. Bis 2004 stand dieser Lenin aus Bronze in der Hegelallee 25. Die CDU will ihn von der Denkmalliste streichen lassen.

© Claus-Dieter Steyer

Statue in Potsdam: Der Lenin in Vaters Garten

Vor 13 Jahren verschwand eine Statue des Kommunistenführers aus Potsdam. 2019 soll die Figur zurückkehren. Doch um ihre Zukunft in der Stadt gibt es Streit.

Von Peer Straube

Wo ist Lenin? Diese Frage bewegt in Potsdam seit 13 Jahren die Gemüter – mal mehr und mal weniger. 2017 ist wieder so ein Jahr, in dem der umstrittene russische Revolutionsführer die Emotionen mehr als sonst hochkochen lässt. Erst im Mai hatten die Stadtverordneten mit breiter Mehrheit einen Antrag der Fraktion Die Andere abgelehnt, eine seit 2004 verschwundene Bronzestatue Lenins entweder an ihrem früheren Platz in der Hegelallee oder einem anderen öffentlich zugänglichen Ort, beispielsweise in einem Museum, aufzustellen.

Die CDU, die schon mehrfach vergeblich Anläufe genommen hatte, die beim Land noch immer als Denkmal geführte Figur aus der Liste selbiger zu tilgen, unternimmt nun einen weiteren Versuch. Der Oberbürgermeister, heißt es in einem Antrag der Union, solle beim Landesdenkmalamt die Aberkennung des Denkmalstatus beantragen. Am vergangenen Donnerstag befasste sich der Kulturausschuss erstmals mit dem Papier.

Eine neue Heimat für den Russen

Viel Aufregung also um eine Figur, die seit 2004 aus dem Stadtbild verschwunden ist und von der bis heute niemand weiß, wo sie die ganze Zeit über eigentlich war. Gegenüber dem Tagesspiegel hat nun der Mann das Geheimnis gelüftet, der es wissen muss – der Eigentümer: Dirk Onnen, Projektentwickler aus dem niedersächsischen Oldenburg. „Der Lenin steht bei meinem Vater im Garten“, klärte er auf Anfrage auf. Besagter Garten befindet sich in der Nähe von Oldenburg. „Er sieht gut aus, da, wo er steht.“ Sein Vater besitze einen „wunderbaren, zwei Hektar großen Garten“, auf dem bereits einige Skulpturen gestanden hätten. „Da habe ich ihm eine neue Heimat gegeben“, sagte der Projektentwickler.

Die Lenin-Statue war nach einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwunden – und nicht mehr in Potsdam aufgetaucht. Dieser Akt hatte seinerzeit für viel Wirbel gesorgt. Und das kam so: Kurz nach der Jahrtausendwende hatte Onnen das betreffende Grundstück in der Hegelallee 25 gekauft. Damals stand dort noch das „Haus der Offiziere“, das um die Jahrhundertwende als Konzerthaus erbaut und nach dem Zweiten Weltkrieg als Club für Offiziere der Roten Armee genutzt wurde. In dem zugehörigen kleinen Park ließen die Russen 1961 eine rund zwei Meter hohe Bronzestatue von Lenin aufstellen, seit 1987 stand das Ensemble auf der Denkmalliste. 2004 ließ Onnen, der das Areal mit Wohnungen bebauen wollte, die Statue abbauen, was von vielen als Nacht-und-Nebel-Aktion empfunden wurde, zumal er keine Rücksprache mit der Denkmalpflege hielt. Jugendliche hätten damals angefangen, an der Statue „herumzuschrauben“, begründete Onnen sein damaliges Handeln.

Statue soll Dauerleihgabe werden

Er habe sich gesorgt, dass die Figur beschädigt werden könnte. Zudem sei sie schließlich sein Eigentum, auch wenn es sich um ein eingetragenes Denkmal handele. Auch auf die Frage, warum Lenin nicht längst nach Potsdam zurückgekehrt sei, hat Onnen eine Antwort. Zwar habe es „immer mal Anfragen der Stadt“ gegeben. „Aber die waren sich ja alle uneins, wo er hinsoll.“

Rückblickend übt Onnen allerdings auch Selbstkritik in der Sache. „Vielleicht hätten wir den Lenin damals gleich ins Museum bringen sollen.“ Genau da soll er nun auch hin, nämlich ins Potsdam Museum. 2019 plane das Haus eine Ausstellung anlässlich des 25. Jahrestags des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte aus der Stadt, sagte Museumsvizechef Hannes Wittenberg dem Tagesspiegel. „Da wollen wir auch die Lenin-Figur zeigen.“

Wahrscheinlich bleibt sie dann auch dort. Er wolle dem Museum die Bronzeplastik des Revolutionsführers als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen, sagte Onnen. Er will auch zur Ausstellungseröffnung kommen. „Aber nicht wegen des Lenins, sondern weil ich nach dem Abzug der Russen das Glück hatte, als einer der Ersten das frühere KGB-Städtchen zu sehen.“ Dieser Rundgang durch das Areal rund um die Große Weinmeisterstraße sei für ihn ein „historischer Moment“ gewesen, sagte Onnen.

Ob er dafür sei, dass die Lenin-Figur auf der Denkmalliste bleibe? „Dazu habe ich keine Haltung“, sagte Onnen. Mit der historischen Figur Lenin habe er allerdings seine Probleme. Das hat auch die CDU. Mit der Begründung, der Terror in der Sowjetunion habe nicht erst mit Stalin, sondern bereits mit Lenin begonnen, hatte die Union seit 2006 immer wieder versucht, eine Wiederaufstellung der Bronzeplastik – zumindest am angestammten Ort – zu verhindern und sie von der Landesdenkmalliste zu streichen.

Die Union biss auf Granit

Allerdings biss man damit beim Landesdenkmalamt auf Granit. Zuletzt lehnte die Behörde eine Aufhebung des Denkmalstatus 2013 ab. Solange ein Denkmal noch vorhanden sei, wenn auch nur in Teilen, bleibe es auf der Liste, hatte Landeskonservator Thomas Drachenberg damals erklärt.

Diese Position vertritt das Amt auch heute noch. In ihrem neuen Anlauf versucht es die CDU jetzt mit einer Formalie. Die Stadt soll beim Landesdenkmalamt die Aufhebung des Denkmalstatus verlangen, heißt es in dem Antrag, weil die sogenannten Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Laut dem 2004 erlassenen Landesdenkmalgesetz hätte die Denkmalliste binnen fünf Jahren um Angaben zum Denkmal, etwa Standort und Bestandteile, ergänzt werden müssen. Diese Eintragungen aber, so die CDU, seien niemals erfolgt. Die Stadt teilt diese Auffassung. Mit dem Abriss des „Hauses der Offiziere“, des Sockels und der Zerstörung des Parks sei auch das Denkmal als solches zerstört worden, sagte ein Stadtsprecher dem Tagesspiegel auf Anfrage. Werde der Antrag beschlossen, will man erneut versuchen, Lenin aus der Denkmalliste tilgen zu lassen.

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