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Das Gemälde zeigt den Floristen Max Hübner aus der Prinzenstraße in Kreuzberg - damals Luisenstadt. Er gründete 1908 die „Blumenspenden-Vermittlungs-Vereinigung“, 19 Jahre später wird daraus die europäische Vereinigung „Fleurop-Interflora“, deren Präsident Hübner wird.

© Fleurop AG

Start-up aus der Kaiserzeit: Wie ein Kreuzberger Florist Fleurop erfand und seine Branche revolutionierte

Vor genau 111 Jahren vermittelte Max Hübner in Kreuzberg eine erste Blumenlieferung in Potsdam. Heute gibt es den Fleurop-Service in 150 Ländern.

„In Hamburg schaut ein junger Mann, der sehr verliebt ist, Blumen an. Er wählt in Gedanken den schönsten Strauß für seine Dame in München aus“, so säuselt eine Werbestimme reimend zu Geigenmusik. Im Bild: Das süßlich lächelnde Gesicht von Gunnar Möller – ein viel verehrter Filmstar der Nachkriegszeit. Das Unternehmen, das ihn in diesem Werbefilm von 1955 beim Versenden seiner liebesbehafteten Blumen hilft, heißt Fleurop.

Die Werbung hat sich mittlerweile verändert – das Prinzip ist dasselbe: Der verliebte Hamburger sucht sich an der Elbe einen schönen Strauß aus. Sein Blumenhändler schickt aber nur den Auftrag und nicht die Blumen selbst nach München, wo der Strauß dann von einem örtlichen Floristen gebunden wird und der – oder dem – Geliebten zugestellt wird.

Die Fleurop Aktiengesellschaft hat in Deutschland mittlerweile über 5000 Partnerfloristen. Sie alle halten Anteile an dem Unternehmen, das den Großteil der Gewinne in das Marketing steckt. „Wir sind eine Aktiengesellschaft mit genossenschaftlicher Ausrichtung“, erklärt Christine Veauthier, Sprecherin des Unternehmens. „Schließlich gehören wir den Floristen und vernetzen sie”. Und das Fleurop-Netzwerk spannt sich um die ganze Welt. Mit Fleurop kann man Blumen in 150 Länder verschicken.

Angefangen hatte alles mit Max Hübner. Der Berliner Florist hat schon vor 111 Jahren den Wunsch seiner Kunden bemerkt, Blumengeschenke auch an weiter entfernte Verehrte oder Verwandte schicken zu können. Das Problem dabei: Blumen welken und entlocken den Beschenkten so nach langer Reise nur selten Entzücken.

Am 17. September 1908 wurde der erste mit der Fleurop-Methode gesendete Strauß in Hübners Blumenladen in der Prinzenstraße in Kreuzberg – damals noch Luisenstadt – in Auftrag gegeben. Er ging an eine Dame in Potsdam.

Eine Fleurop-Floristin beim Blumenbinden. Hierzulande sind noch rund 5000 Läden in dem Netzwerk verbunden.
Eine Fleurop-Floristin beim Blumenbinden. Hierzulande sind noch rund 5000 Läden in dem Netzwerk verbunden.

© Fleurop AG

Anscheinend hat die Idee einen Nerv getroffen: Noch im selben Jahr gewinnt Hübner 98 Partnerfloristen. Er gibt der neuen Organisation den sperrigen Namen „Blumenspenden-Vermittlungs-Vereinigung“. 19 Jahre später bildet sich die europäische Vereinigung „Fleurop-Interflora“. Hübner wird zum Präsidenten gewählt. In den 1930ern hat die Fleurop bereits über 3000 Partnerfloristen und eröffnet Büros in allen großen europäischen Städten. Auch ein großes Verwaltungsgebäude in Berlin-Steglitz wird gebaut.

Neugründung nach dem Krieg - zunächst in Kopenhagen

Fleurop-Blumenfachgeschäft Hanisch in Frankfurt am Main in den 1970er Jahren.
Fleurop-Blumenfachgeschäft Hanisch in Frankfurt am Main in den 1970er Jahren.

© Blumen Hanisch (Promo)

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten geht es zunächst wieder abwärts. Max Hübner muss, weil er kein NSdAP-Mitglied ist, alle Ämter niederlegen und wird durch einen parteitreuen Unternehmer ersetzt. Der Geschäftsverkehr mit anderen Ländern wird untersagt, viele Mitarbeiter fallen im Krieg. 1945 liegt die Organisation vollständig am Boden.

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Als sich in Kopenhagen ein Jahr später Vertreter verschiedener Länder zu einem europäischen Fleurop-Kongress treffen und gemeinsam mit der amerikanischen FTD einen Weltverband gründen, können die Deutschen nicht dabei sein. Die hiesige Fleurop besteht zu diesem Zeitpunkt nur noch aus der Ehefrau des ehemaligen Vorstandes – der sitzt in Kriegsgefangenschaft – und einer Angestellten.

Das Gemälde zeigt den Floristen Max Hübner aus der Prinzenstraße in Kreuzberg - damals Luisenstadt. Er gründete 1908 die „Blumenspenden-Vermittlungs-Vereinigung“, 19 Jahre später wird daraus die europäische Vereinigung „Fleurop-Interflora“, deren Präsident Hübner wird.
Das Gemälde zeigt den Floristen Max Hübner aus der Prinzenstraße in Kreuzberg - damals Luisenstadt. Er gründete 1908 die „Blumenspenden-Vermittlungs-Vereinigung“, 19 Jahre später wird daraus die europäische Vereinigung „Fleurop-Interflora“, deren Präsident Hübner wird.

© Fleurop AG

Schon drei Jahre später schließt sich Deutschland aber ebenfalls dem Weltverband „Interflora“ an. Dann erholt sich das Unternehmen schnell. Im Wirtschaftswunder explodieren die Zahlen: 1952 bilanziert die Fleurop ein Umsatzplus von 40 Prozent.

Heute steckt die selbsternannte „Non-Profit-Aktiengesellschaft“ jedoch wieder in Schwierigkeiten. Zwar stieg der Umsatz der Fleurop in den vergangenen Jahren leicht – zuletzt auf 47,1 Millionen Euro im Jahr 2018. Doch seit dem letzten großen Jubiläum hat sich die Zahl der Partnerfloristen in Deutschland fast halbiert – von 9000 Betrieben 2008 auf zuletzt rund 5000. Das liege aber nicht daran, dass Betriebe aus der Fleurop austreten würden, erklärt die Sprecherin. „Die Zahl der Blumengeschäfte nimmt insgesamt ab”.

Undatiertes Werbemotiv der Fleurop AG "Eine Idee erobert die Welt"
Undatiertes Werbemotiv der Fleurop AG "Eine Idee erobert die Welt"

© Fleurop AG

Denn die Branche hat große Sorgen: „Viele Betriebe finden keine Auszubildenden”, erklärt Nicola Fink vom Fachverband der deutschen Floristen (FDF). Außerdem werde Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter zunehmend zu einem Problem. „Es mangelt an Wertschätzung für Florales“, erklärt sie. Die Zusammenarbeit zwischen FDF und Fleurop sei aber wunderbar. „Die ganze Branche profitiert durch das Konzept von Fleurop“, bestätigt sie.

"Die Entgelte sind skandalös", sagt der Gewerkschafter

Jörg Heinel, der zuständige Fachreferent bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), bezweifelt das: „Die Entgelte sind skandalös – vor allem in Ostdeutschland”, klagt er. Die Fleurop-Sprecherin erklärt, man sei sich des Problems bewusst. Der Konzern unterstützte seine Partnerbetriebe mit Workshops, Einkaufsrabatten und Marketing. „Das alles machen wir mit dem Ziel, dass unsere Fachgeschäfte profitabler werden und entsprechende Gehälter zahlen können”.

Zudem gibt es einen anderen – wenig klimafreundlichen Trend in der Branche: Immer mehr Floristen verschicken Schnittblumen per Paket. Auch Fleurop arbeitet bei einzelnen Angeboten mit der DHL zusammen. So wird die rote Rose „Kiss me“ nicht mehr vom Floristen, sondern vom Postboten überbracht.

Doch anscheinend tut der Wegfall an Romantik der Auftragszahl der Blumenvermittlung keinen Abbruch. Zwar will das Unternehmen keine genauen Zahlen nennen, doch die Aufträge seien in den letzten Jahren leicht gestiegen. Man sei – trotz schwieriger Lage – optimistisch, heißt es bei Fleurop. Denn Verliebte wird es immer geben. Und Muttertage vorerst auch.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hatten wir die Fleurop-Sprecherin mit den Aussage zitiert, die Zahl der Partnerfloristen habe sich halbiert, weil Betriebe aus der Fleurop austreten würden. Es fehlte das Wort "nicht". Der Grund sei: "Die Zahl der Blumengeschäfte nimmt insgesamt ab."

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