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Sängerin Katharina Franck mag die ruhigen Ecken der Stadt.

© Mike Wolff

Stadtspaziergang mit Katharina Franck: "Dass mir 'Blueprint' einfiel, war ein Geschenk"

Ihre Band „Rainbirds“ hatte aus dem Nichts riesigen Erfolg. Den Hit „Blueprint“ singt sie heute noch gerne. Ein Spaziergang mit Katharina Franck.

Was gleich auffällt, wenn man Katharina Franck trifft: Sie hat immer noch dieselbe Frisur wie damals. Diesen Kurzhaarschnitt, der schon vor ziemlich genau 30Jahren ihr Markenzeichen war. Als sie die Sängerin der Berliner Band „Rainbirds“ war, die wie aus dem Nichts einen riesigen Erfolg mit ihrem Debütalbum und mit der Single „Blueprint“ einen Überraschungshit hatte, der bis heute auf keiner Achtziger-Party fehlen darf. In zig Youtube-Clips kann man sehen, wie Katharina Franck und ihre Rainbirds damals in ulkigen Playback-Shows auftraten, mit Rodrigo González an der Gitarre, der inzwischen festes Mitglied bei den Ärzten ist. Und immer steht da die damals 24-jährige Franck im Mittelpunkt mit ihrem Pagenkopf, die dieses fetzige, lebensfrohe Wunderlied mit ihrer vollen Stimme intoniert.

Legendär auch der Auftritt beim Rockfestival auf der Radrennbahn Weißensee vor fast genau 30 Jahren. Die Mauer stand noch, als dort, im damaligen Ost-Berlin, Superstars aus dem Westen sangen: Bryan Adams, Joe Cocker, und später auch Bruce Springsteen. Und die Newcomerband aus West-Berlin durfte direkt vor einem Altmeister im Musikgeschäft spielen: James Brown.

Die Rainbirds machten auch nach „Blueprint“ noch jahrelang weiter, vor vier Jahren veröffentlichten sie ihre letzte Platte. Ständig wechselte die Besetzung. „Ich war die einzige Konstante“, sagt Katharina Franck, „wenn ich mit dabei war, dann waren wir die Rainbirds.“

Auch ein Leben neben den „Rainbirds“

Schon bald nach ihrem Erfolg mit „Blueprint“ organisierte sie sich jedoch auch ein Leben neben den Rainbirds. Sie produzierte Hörspiele und war Teil des Avantgarde-Trios Stein, bei dem FM Einheit mit dabei war, der ehemalige Schlagwerker der Einstürzenden Neubauten. Und sie veröffentlichte Spoken-Word- Platten. „Ich habe mal nachgezählt und konnte es selbst nicht glauben“, sagt sie, die Ende dieses Monats 55 Jahre alt wird, „demnächst veröffentliche ich bereits meine 17. Platte.“

Man trifft sich mit ihr am Rathaus Neukölln. Hier im Kiez fühlt sie sich wohl, ihre Lebensgefährtin lebt gleich ums Eck. Sie selbst ist vor sechs Jahren raus aus Berlin gezogen, nach Neuruppin. Sie konnte hier in Berlin einfach keinen bezahlbaren Proberaum mehr finden. Aber Ortswechsel sind für sie ja auch nichts Neues. Geboren wurde sie in Düsseldorf, schon als Kind zog sie mit ihrer Familie nach Portugal, dann nach Brasilien, sie lebte später eine Weile lang in Köln, bevor sie Anfang der Achtziger nach Berlin ging. „Irgendwann in den Neunzigern, als mir hier alles zu viel wurde, lebte ich auch mal für eine kurze Weile in Bayern.“

Einmal die Woche Berlin

In Berlin sei sie jedoch mindestens einmal in der Woche. Und dann gehe sie sehr oft diese Strecke, die man nun mit ihr gemeinsam abläuft. Rein nach Rixdorf, auch Böhmisches Dorf genannt, wo nur ein paar Meter von der Karl-Marx-Straße entfernt die urbane Hektik urplötzlich verschwunden ist. Stattdessen säumen kleine, schmucke Häuschen die schmalen Straßen, hier befindet sich auch Francks liebstes Frühstückscafé, wo türkische Leckereien serviert werden.

„Musik! Musik!“ lautet der Titel ihres neuen Soloalbums. Zwölf schnörkellose Popsongs sind darauf zu hören. Keine Avantgarde wie mit dem Projekt Stein, kein Spoken Word, sondern hübsch melancholische Popmusik mit deutschen Texten. „Deutsch zu singen, daran musste ich mich erst gewöhnen. Ich komme eigentlich vom Punk, von Patti Smith im Besonderen, und die Sprache von Popmusik war für mich eigentlich immer Englisch.“

Die CD bringt sie im Eigenverlag heraus, sie wird fast ausschließlich über ihre eigene Website vertrieben. Die Musikindustrie habe sich eben verändert seit ihren frühen Erfolgen mit den Rainbirds, erklärt Katharina Franck, aber die Möglichkeit, die totale Kontrolle über sein eigenes Schaffen zu haben, sei auch reizvoll. Dennoch: „Wir Musiker können alle kaum noch alleine von unserer Musik leben heutzutage. Das stört mich schon.“

Für Obst und Blumen in den Comenius-Garten

Wir kommen an den Comenius-Garten, der zu dieser frühen Morgenstunde noch geschlossen ist. Katharina Franck sagt, sie liebe diesen Garten mit seinen Obstbäumen und Blumenbeeten, sogar einen Teich gibt es hier. Ein „berüchtigtes“ Haus habe hier einmal gestanden, erklärt sie, mit schlecht beleumundeten Bewohnern. Diese wollte man loswerden, deswegen wurde das Haus abgerissen, an dessen Stelle der Garten kam. Seit Mitte der Neunziger gebe es den, meint sie sich zu erinnern.

Ein älterer Herr mit zig klobigen Ringen an den Fingern, ein echtes Neuköllner Original, kommt vorbei und möchte in dem Garten Obst auflesen. Als auch er feststellt, dass geschlossen ist, verwickelt er Katharina Franck in ein schier endloses Gespräch. Geduldig hört sie zu, wie er erzählt, dass das Obst hier viel besser sei als bei der Tafel, wo er sonst sein Essen bekomme.

Nervt es sie eigentlich, immer und immer wieder auf „Blueprint“ angesprochen zu werden, ihren mit Abstand größten Hit? Dass der Song auf Konzerten von ihr gewünscht wird, auch wenn die übrigen Lieder ihres Live-Programms neue Stücke sind? „Eigentlich überhaupt nicht“, entgegnet sie, „ich spiele das Lied immer noch sehr gerne. Für mich ist es einfach ein großes Geschenk, dass mir einst diese Melodie und dieser Text zu ‘Blueprint‘ eingefallen sind und dafür bin ich immer noch dankbar.“

Wir kommen zum Richardplatz, dem Kern von Rixdorf, wo es so gemütlich und beschaulich ist wie im ganzen Böhmischen Dorf. Erstaunlich, wie nah der Trubel von hier aus ist, der einen dann wieder am Rathaus Neukölln empfängt.

Katharina Franck beim 4. Frauensommer in der Bar jeder Vernunft: 2. und 3. August, 20 Uhr, Schaperstraße 24, 10719 Berlin, Karten 19,90 bis 34,90 Euro

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