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Der Schuh des Manitu

© ddp

Wildwest in Berlin: Weltpremiere für Musical "Schuh des Manitu"

Nach dem riesigen Erfolg im Kino gibt es den „Schuh des Manitu“ jetzt auch als Musical. Die Westernkomödie feierte am Sonntag im Berliner Theater des Westens Weltpremiere. Und das sagt unser Kritiker.

Abahachi und Ranger sehen ganz schön alt aus. Mit angeklebtem Bart, gebücktem Gang und brüchigem Bayerisch schlurfen sie über die Bühne und wärmen sich gegenseitig an Erinnerungen. Pferde, flotte Reiter, Indianer sind nirgendwo zu sehen. Schon drängt sich die Frage auf, ob das so weitergeht, ob hier möglicherweise eine kräftige Regiehand zugepackt hat und die Geschichte vom "Schuh des Manitu" komplett neu auf die Musicalbühne des Theater des Westens bringt.

Das wäre gewagt, denn Michael Herbigs "Schuh des Manitu" gilt mit über elf Millionen Besuchern als der bis heute erfolgreichste deutsche Film. Sollte man da überhaupt etwas an Handlung und Stil ändern? Doch dann erzählt Abahachi, wie Uschi ihm einst ihr Herz geschenkt hat, während er sein Lebkuchenherz auspackt – und von da an ist klar: Dieser "Schuh" ist unverfälscht und fast ohne Streuverlust ins andere Medium transferiert. Anhänger des Regietheaters werden sich entsetzt abwenden. Aber die dürften im Musical sowieso selten sein. Alle anderen schwelgen in Wiedersehensfreude.

Und die kommt nicht von ungefähr. Mit Carline Brouwer und Gip Hoppe hat die neueste Produktion von Stage Entertainment offiziell zwar gleich zwei Regisseure, aber auch einen "Kreativberater". Und der heißt: Michael Herbig. Nach seinem Anteil an der Entstehung des Musicals gefragt, erklärte er, nur ab und zu einen Workshop besichtigt zu haben. Ansonsten hätte er sich alles zuschicken lassen. Sieht man das Ergebnis, mag man das kaum glauben.

"Was soll ich denn bei deiner Frau?"

In jeder Szene steckt so viel von Herbig, dass er den Regisseuren wesentlich genauer auf die Finger geschaut haben dürfte. Oder die wussten mit traumwandlerischer Sicherheit, was er wollte. Jedenfalls hat das vereinte Regieteam gut erfasst, wie der Humor im "Schuh" funktioniert: Erst wird falsches Pathos aufgebaut, dann wieder in Sekundenbruchteilen zerstört. Dabei muss man ausblenden, dass das Musical mit dem Film auch ein Strukturproblem des deutschen Humors übernimmt. Der findet nämlich größtenteils auf dem Rücken bestimmter Bevölkerungsgruppen statt, seien es Bayern, Indianer oder Schwule. Intelligenter Sprachwitz im britischen Sinne ist im "Schuh" selten. Aber es gibt ihn, etwa wenn der Bösewicht Santa Maria zu Uschi sagt: "Ich könnte dich zu meiner Frau nehmen", und sie antwortet: "Was soll ich denn bei deiner Frau?"

John von Düffel, Autor des Bühnentextes, dürfte vor allem damit beschäftigt gewesen sein, die meisten Dialoge direkt aus dem Drehbuch zu übernehmen. Auch die Szenenabfolge ist identisch. Selbst der Klappstuhl, den die Schoschonen mangels eines Kriegsbeils ausgraben, ist der gleiche wie im Film. Und doch ist da mehr.

Zum einen natürlich die Songnummern, die Martin Lingnau hinzukomponiert hat und die niemandem wehtun. Zum anderen aber auch die gut gemachten Videoeinsätze im Hintergrund und die gegenläufigen Förderbänder im Vordergrund, die filmische Bewegung suggerieren. Außerdem erfasst das Musical nicht nur den selbstironischen Kern des Films, sondern schreibt ihn auch fort. Etwa wenn Falscher Hase (Thomas Klotz), Sohn des Schoschonenhäuptlings, schon nach den ersten Minuten von Santa Maria erschossen wird, dann aber noch einmal aufsteht und ruft: "Moment, ich habe noch nicht gesungen!" Oder wenn ein Nummerngirl mit den Worten auftritt: "Hinter mir wird umgebaut, drum steh ich hier und sing so laut" – selbst bei den Kalauern ist das Musical noch ganz dem Film verpflichtet.

Das Gewehr rettet vor Flachheit

Generell kommt aber immer dann, wenn es zu flach zu werden droht, die Notbremse zum Einsatz. Der Wolf, der im Mondschein "Oh When The Saints Go Marching In" singt, wird erbarmungslos erschossen. Das ist aber auch schade, denn eigentlich bereichern die liebevoll gemachten Tierpuppen das Musical. Hatte sich der Film reichlich bei Karl May, Indiana Jones und Sergio Leone bedient, so kommt jetzt noch eine Ästhetik hinzu, die von der "Muppet Show" und von "Bernd das Brot" geprägt ist und in der Marterpfähle und Kakteen plötzlich lebendig werden und beginnen zu singen. Was zunächst wie ein grauenvoller Stilmischmasch klingt, funktioniert, weil es nur zurückhaltend eingesetzt wird.

Was dagegen nicht funktioniert, ist Ingo Broschs Interpretation des Santa Maria. Von der großartigen ironischen Schleimigkeit, die Sky Du Mont der Figur im Film gab, ist hier nichts geblieben, Santa ist bei Brosch ein steifer, arroganter, aber vollkommen humorfreier Schnösel. Und auch Veit Schäfermeier wirkt als Abahaschis schwuler Zwillingsbruder Winnetouch eher wie ein Hetero, der versucht, eine Tunte zu spielen. Den übrigen Darstellern – Mathias Schlung (Abahachi), Mark Seibert (Ranger), Michelle Splietelhof (Uschi) und Detlef Leistenschneider als Grieche Dimitri – gelingt es überzeugend, das Wesen ihrer Filmfigur möglichst exakt auf der Bühne zu kopieren. Aber nur Peter Kaempfe, der Santas Begleiter Hombre als röchelnden Untoten spielt, bricht vollkommen mit der Vorlage und gestaltet seine Figur neu. Und das sehr überzeugend. Es geht also.

Wieder am 10.,11. und 14. sowie vom 16. bis 21. Dezember

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