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Alfred Döblin

© Ullstein

Literatur: Franz Biberkopf geht wieder auf Sendung

Zum 50. Todestag von Alfred Döblin gibt es seine Hörspielversion von "Berlin Alexanderplatz" erstmals in unzensierter Form – im Radio und als CD.

Dies ist das Jahr des Franz Biberkopf. Zur Berlinale wurde eine restaurierte Fassung der Fassbinder-Verfilmung von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ gezeigt, die unlängst einer der neuralgischen Punkte war, an denen sich, zu Fassbinders 25. Todestag, der Streit um die korrekte Verwaltung seines Erbes entzündete. Und jetzt wird – diesmal anlässlich Döblins 50. Todestag an diesem Dienstag – von verschiedenen Hörfunksendern eine Neuaufnahme der Hörspielfassung des berühmten Romans ausgestrahlt, die es auch als CD gibt. Die Aufnahme, eine Kooperation von SWR, BR, RBB und dem Patmos-Verlag, ist eine kleine rundfunkgeschichtliche Sensation: Erstmals ist das Hörspiel in der von Döblin autorisierten Version, also ohne Zensurkürzungen zu hören, mit Andreas Leupold in der Titelrolle, Andreas Schmidt als Gegenspieler Reinhold und Jule Böwe als Freundin Mieze. Auch die Berliner Schriftsteller Thomas Brussig, Tanja Dückers und Judith Hermann sind zu hören, als kleine Referenz vor dem großen Kollegen.

Die Geschichte von Buch, Hörspiel und Film ist eng mit den politischen Wirren in der ihrem Ende entgegentaumelnden Weimarer Republik verbunden. Im Herbst 1929 hatte Alfred Döblin seinen Großstadtroman in der „Frankfurter Zeitung“ und kurz danach bei S. Fischer veröffentlicht. Als Erste interessierten sich Emil Jannings und der Produzent Erich Pommer für den Roman als Filmstoff, auch die Berliner Volksbühne wollte ihn adaptieren, Döblin hielt beides zunächst nicht für möglich. Aber eine Hörspielfassung erstellte er gerne, schließlich war er, wie viele damals, hörfunkbegeistert und ein emsiger Radiobastler. Sein Hörspiel „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“ war ganz auf die Hauptfigur konzentriert, sprechen sollte ihn Heinrich George, der von der Rolle des Biberkopf begeistert war und auch auf eine Verfilmung drängte, schließlich mit Erfolg.

In der Hörspielforschung ging man bis in die achtziger Jahre davon aus, dass Döblins Version am 30. September 1930 in der „Berliner Funkstunde“ tatsächlich gesendet wurde. So war es in den Programmzeitschriften angekündigt worden, es gibt das Manuskript und vor allem Tondokumente, die aber, wie man jetzt weiß, erstmals in den sechziger Jahren gesendet wurden. Anlässlich einer erneuten Ausstrahlung durch den SR im Herbst 2006 hatte der Rundfunkkritiker Christian Hörburger einen Essay über die Entstehung des Hörspiels geschrieben. Die Ausstrahlung wurde danach nur vier Stunden vor dem Termin abgesagt. Nachdem es zwei Wochen zuvor bei den Reichstagswahlen einen Erdrutscherfolg der NSDAP gegeben hatte, war offenkundig der Senderleitung der Stoff zu brisant. So ist eine Notiz im Sitzungsprotokoll des Politischen Überwachungsausschusses, einer Art senderinterner Zensurbehörde, zu verstehen, wonach der Intendant erklärt habe, die Sendung sei „angesichts der jetzigen aufgeregten Zeiten“ in Einverständnis mit Döblin verschoben worden.

Doch schon die abgesagte Sendung war in einem Akt der Selbstzensur verstümmelt worden, wie ein Vergleich zwischen Manuskript und Tondokument ergibt. Eine Schlachthausszene fehlt (Zitat: „Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh“), auch wurden Textstellen gestrichen wie „Krisenalarm im Reichstag“, „Die Lage im Saargebiet verschärft, Zunahme der Arbeitslosigkeit“ oder „Wenn die Menschen so dämlich sind, sich ausbeuten zu lassen, kann ich nischt dafür“. Das Hörspiel ist insgesamt unpolitischer geworden.

All diese Änderungen sind in der Neuaufnahme unter der Regie von Kai Grehn jetzt erstmals rückgängig gemacht worden. Der Versuch, das Original unverfälscht zu Gehör zu bringen, verzichtet aber auf jegliche akustische Altertümelei, stattdessen baute Grehn Originaltöne von den Berliner Schauplätzen des Romans und Geräusche der heutigen Metropole ein. So klingt seine Version frisch und alles andere als angestaubt, trotz des den Figuren von Döblin verpassten, heute so nicht mehr üblichen Berlinischen. Und der Dialog der beiden Fluchtautos, eines Opel und eines Fiat, hört sich schon fast an wie ein moderner Rap.

Die neue Aufnahme von Döblins „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“ ist morgen, 20.04 Uhr, auf RBB-Kulturradio zu hören. Die CD ist im Düsseldorfer Patmos-Verlagshaus erschienen (16,95 Euro).

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