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Schluss mit Schwoofen? Am zweiten Januarwochenende schließt Clärchens Ballhaus, dann beginnen Sanierungsarbeiten.

© John MacDougall/AFP

Update

Kult-Tanzlokal in Berlin-Mitte: Aktion zur Erhaltung von Clärchens Ballhaus gestartet

Der Mietvertrag ist ausgelaufen. Der Investor betont zwar, die Institution erhalten zu wollen, doch die Kulturszene reagiert nun mit einem offenen Brief.

Von Laura Hofmann

Seit Anfang des Jahres ist Schluss. Zum 31. Dezember ist der Mietvertrag der Betreiber von Clärchens Ballhaus ausgelaufen. Der vorerst letzte Tanz findet am 10. und 11. Januar in der Auguststraße 24 statt, dann steigt die große Abschiedsparty, der „Bleib in guter Erinnerung“-Schwoof.

Und dann? Wird erstmal saniert. Vor einem Jahr hatte der Berliner Fotokünstler und Kulturinvestor Yoram Roth die Berliner Institution gekauft, er will den Altbau instand setzen. Zwar beteuerte Roth damals wie heute, den besonderen Ort in seiner ursprünglichen Form erhalten zu wollen, die Sorge in der Berliner Kulturszene ist dennoch groß.

Nun haben Kulturschaffende einen offenen Brief an Roth veröffentlicht. Darin fordern sie den Investor auf, den Betrieb des Tanzlokals mit den bisherigen Betreibern David und Lisa Regehr fortzuführen. „Sie haben nun die seltene Möglichkeit, etwas Besonderes zu erhalten und sicher in die Zukunft zu führen“, heißt es in dem Schreiben, das von Eugen Blume, Ex-Leiter des Hamburger Bahnhofs, der Galeristin Constanze Kleiner, der Unternehmerin Bedriye Hansen und Felix Hansen, dem Booker des Clubs „Musik & Frieden“, initiiert wurde.

2511 Unterzeichner unterstützen ihr Anliegen bisher, unter ihnen die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin Jenny Erpenbeck.

Die Befürchtung: Die Schließung könnte zum Verlust der Betriebsgenehmigung führen

Ihre Befürchtung: Die vorübergehende Schließung von Clärchens Ballhaus könnte zum Verlust der Betriebsgenehmigung führen. Denn das Ballhaus befindet sich in einer Wohngegend, in der Diskotheken heute wohl nicht mehr genehmigt würden. Durch seine mehr als 100-jährige Tradition genießt das Tanzlokal bisher aber Bestandsschutz.

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Der Appell an Roth: „Nutzen Sie die Erfahrung [der Betreiber] der vergangenen vierzehn Jahre mit Denkmalschutz und Genehmigungsbehörden.“ Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) beschwichtigt: „Wir wollen diese Art des Betriebs auf jeden Fall auch in Zukunft bewahren“, sagte er dem Tagesspiegel. „Samt Schankvorgarten und Tanz“.

Neuer Eigentümer. Künstler und Kulturinvestor Yoram Roth hat das Gebäude in der Auguststraße Ende 2018 gekauft.
Neuer Eigentümer. Künstler und Kulturinvestor Yoram Roth hat das Gebäude in der Auguststraße Ende 2018 gekauft.

© imago/Lindenthaler

Die Sorge, das Lokal könne seine Betriebsgenehmigung für Tanzveranstaltungen verlieren, sei unbegründet, sagte Gothe. Der Stadtrat zeigt sich auch optimistisch, was die Intentionen des Investors betrifft. Vor einem halben Jahr habe es ein Treffen zwischen Roth, der Bauaufsicht, dem Stadtplanungsamt und der Denkmalschutzbehörde gegeben.

„Dabei haben wir wahrgenommen, dass der Eigentümer den Charme dieses Hauses bewahren will“, sagt Gothe. „Das gilt auch für die Ämter. Wir finden den Zustand völlig erhaltenswert.“ Er stimme Roth allerdings zu, dass einige Renovierungsarbeiten nicht länger aufzuschieben seien.

Eigentümer Roth: "So etwas kauft man nicht, wenn man Rendite erzielen möchte"

Roth selbst beteuerte am Freitag gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Ballhaus seinen alten Charme behalten solle. "Das ist keine klassische Immobilieninvestition, so etwas kauft man nicht, wenn man Rendite erzielen möchte", sagt er. "Ich mache das wirklich aus Liebe zu diesem Ding."

Der Erwerb von Clärchens sei auch „ein gewisses Homecoming“ für ihn, der 20 Jahre in den USA gelebt hat. Er sei stolz darauf, das fertig sanierte Gebäude irgendwann seiner Mutter zeigen zu können, die in der Linienstraße geboren wurde. Auch sein Vater, der verstorbene Immobilienunternehmer und Förderer des Jüdischen Museums, Rafael Roth, wuchs um die Ecke auf, in der Schönhauser Allee.

"Das Gute an Yoram Roth ist, dass er Berliner ist und dass er wirklich ein persönliches Faible für das Haus hat“, sagt auch David Regehr, der Clärchens Ballhaus 14 Jahre lang betrieben hat. Seine Frau Lisa verantwortet das Tanzprogramm, sein Partner Christian Schulz hat sich im Herbst zurückgezogen.

„Das Ende von Clärchens Ballhaus würde einer Amputation gleichkommen“

„Und das ist viel besser, als wenn ein Immobilienfonds das Lokal gekauft hätte“, ergänzt Regehr. Außerdem habe Roth genügend Geld, um das Haus zu erhalten. Wer das Ballhaus in Zukunft betreiben soll, ist noch nicht bekannt.

Im offenen Brief heißt es weiter: „Unendlich viele Menschen haben sich beim Tanzen im Clärchens das erste Mal geküsst und unsterblich verliebt – Berlin und der Welt würde dieser Ort fehlen!“ Mehr noch: „Das Ende von Clärchens Ballhaus in seiner heutigen Form würde einer Amputation gleichkommen.“

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