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© Ullstein

Homosexualität: Kreuz und queer

Beim Christopher Street Day und auf Schwulenpartys feiern immer mehr Heteros mit. Warum eigentlich?

Dass Schwule die besseren Partys feiern, ist ein alter Hut. Schon immer genießen dort gerade nicht lesbische Frauen die befreite Atmosphäre und die Möglichkeit, sich auf der Tanzfläche gehen lassen zu können, ohne ständig angebaggert zu werden. Neu ist, dass auch männliche Heteros gezielt auf Schwulenpartys gehen. Auch beim morgigen Christopher Street Day werden zehntausende Heteromänner mitfeiern – erst ab 12.30 Uhr bei der Parade durch die Innenstadt, danach in den Clubs. Was suchen sie dort? Einen besonderen Kick? Exotik? Oder treibt sie einfach der Überdruss an der Monokultur mancher Elektroclubs?

Die Zoo-Mentalität – nach dem Motto: „Lass uns Schwule gucken gehen“ – ist Geschichte. Hin und wieder gibt es noch Spanner, erzählt Peter Kremer, der die Kreuzberger Bar „Drama“ betreibt und Partys im „BKA“ und dem „Bangaluu“ in Mitte organisiert. „Die Spanner kommen mit ihrer Beate-Uhse-Vision und wollen Lesben sehen.“ Aber sie werden weniger. Stattdessen ist für viele Männer die Frage, ob die Mehrheit der Feiernden auf einer Party nun schwul ist oder nicht, einfach nicht mehr so wichtig. Das hat auch mit einem Generationenwechsel zu tun. Kremer beobachtet bei seinen Partys einen „Hetero-Anteil von 25 bis 30 Prozent“.

„Die 20-Jährigen von heute wollen auf der Tanzfläche einfach Gas geben“, sagt Bob Young, der morgen wie jedes Jahr die Abschlussparty zum Christopher Street Day organisiert. Mit der „GMF“-Reihe hat der Veranstalter eine Institution glamouröser Gay-Partys geschaffen. Vor einem Jahr zog die Reihe vom Café Moskau in den Weekend-Club im Haus des Reisens am Alexanderplatz um, hier findet auch die Abschlussparty statt. „Auf den meisten Hetero-Partys ist die Atmosphäre ja eher unterkühlt“, meint Young. „Ins Weekend kommen Leute, die richtig abfeiern wollen, ohne doof angemacht zu werden.“ Young sieht nicht nur mehr Heteros auf Schwulen-Partys: „Schwule gehen auch immer öfter zu Hetero-Partys.“

Die Grenzen verschwimmen. Genauso wie ein bestimmter Musikgeschmack immer weniger zur Abgrenzung taugt, ist es wohl mit der sexuellen Orientierung.

Gleichzeitig ist homophobe Gewalt noch immer Thema. Erst vor zwei Wochen wurden nach einer Drag-Queen-Party im SO36 in der Oranienstraße Partygäste auf der Straße angegriffen. Fatma Souad veranstaltet in dem linken Club die bunten „Gayhane“-Parties. „Bei uns sollten Lesben, Transgender-Leute und Schwule mit ihren Heten-Freunden feiern können“, so das Ideal. Doch muss sie inzwischen immer öfter Heteros vor die Tür weisen, die nicht kommen um zu feiern, sondern um zu stören. Mit Nachbarschaftsaktionen in vielen Läden versucht sie, der wachsenden Homophobie im Kiez zu begegnen. Mit dem „transgenialen CSD“ haben Kreuzberg und Neukölln seit über zehn Jahren ihren eigenen, betont antikommerziellen Umzug. Er findet ebenfalls am Sonnabend statt, ab 14 Uhr ziehen die Paradenteilnehmer vom Hermannplatz über die Sonnenallee zum Kottbusser Tor und zum Heinrichplatz. „Wir versuchen, Vorurteile abzubauen durch Begegnung“, sagt Fatma Souad. Was wäre dafür eine bessere Zeit als die Nacht. Und was wäre ein besserer Ort als die Tanzfläche.

Der Zeitplan der Parade:

www.csd-berlin.de

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