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Bitte, bitte – sechs Richtige! Jeden Mittwoch und Sonnabend fiebert die Hälfte der Deutschen bei der Ziehung der Lottozahlen mit. Die Chance auf einen Sechser liegt allerdings nur bei eins zu 139 838 160.

© dpa

Glücksbote bei der Klassenlotterie: Der Mann, der Millionäre macht

Mittwoch, Lottoziehung, 17 Millionen im Jackpot. Und falls sie einer aus Berlin gewinnt, erzählt ihm Lutz Trabalski davon. Glücksbote, das ist ein heikler Job.

Die Leute nennen ihn den Märchenonkel. Für Lutz Trabalski geht das in Ordnung. Nur verkennen sie etwas: Was er macht, hat mit Märchen nichts zu tun. Lediglich mit Glück.

Trabalski ist ein großer Mann, dunkler Anzug, wacher Blick. Er arbeitet für die Deutsche Klassenlotterie Berlin, ist der Leiter des Kundenservice, zuständig für die Großgewinnabwicklung. Wen er zum Gespräch in sein Wilmersdorfer Büro bittet, ist bald reich. Das Einzige, was derjenige bei sich haben muss, ist der Beleg eines Tippscheins – mit sechs Kreuzen an richtiger Stelle.

„Die Leute, die hier sitzen, gibt es wirklich, die Geschichten sind real“, sagt Trabalski. Auch wenn die Chance einen solchen Beleg zu besitzen, bei eins zu 139 838 160 liegt. Dennoch spielt fast die Hälfte der Deutschen Lotto. Und wenn 17 Millionen im Jackpot sind, wie an diesem Mittwoch, ist das Lottofieber besonders hoch. Trabalski hat dafür eine einfache Erklärung – ein berühmter Schauspieler hat sie ihm einst verraten: „Die Hoffnung ist bereits Teil des Glücks und vielleicht das wichtigste Glück, das diese Welt gewährt.“

Sein Büro liegt unweit des Adenauerplatzes, im zweiten Stock der Berliner Lotto-Zentrale. Kleiner Raum, karge Einrichtung, lediglich zwei Kunstdrucke des katalanischen Malers Joan Miró lenken von dem ab, was hier besprochen wird. Mehr als 50 Menschen hat er hier bereits zum Millionär erklärt. Wer es pathetisch mag, sagt Trabalski, könnte den Raum als Zwischenstation bezeichnen, zwischen dem alten und dem neuen Leben der Gewinner. Trabalski mag es pathetisch.

Wenn der 49-Jährige von seinen Berufserfahrungen erzählt, spricht er langsam und deutlich, seine Sätze sind wohlformuliert. Hier hat jemand gelernt, sich so auszudrücken, dass er möglichst wenig Raum für Missverständnisse lässt. „Viele, die zu mir kommen, wissen noch nicht, wie viel sie genau gewonnen haben – und wenn sie es wissen, haben sie es noch nicht realisiert.“ Generell ist es nämlich so: Beträge jenseits der Millionengrenze überfordern die menschliche Vorstellungskraft. Das haben die 12 Jahre Arbeitserfahrung gezeigt: „Bei mir realisieren die Menschen, dass sie noch nichts realisiert haben.“

Großgewinnabwickler. Lutz Trabalski hat schon 50 Leute beglückt.
Großgewinnabwickler. Lutz Trabalski hat schon 50 Leute beglückt.

© Thilo Rückeis

Wenn sie dann vor ihm sitzen und zu reden beginnen, sind sie vollkommen frei. Das sei der erste und letzte Moment, in dem sie so offen über das Geld sprechen. Dann nämlich, wenn er sie fragt, wen sie über ihren Gewinn informiert haben, oder was sie sich wünschen, werden die Menschen schnell ernst. „Ihnen wird bewusst, dass sie sich jetzt in unbekannten Dimensionen bewegen.“ Mit der Gewissheit, sich von nun ab die meisten Träume erfüllen zu können, kommt auch die Angst. Vor Ausbeute, vor falschen Freunden, vor der Gefahr von Entführungen.

Hört man Lutz Trabalski so zu, wie er über seine Kunden spricht und dass die meisten den Eindruck machen, „das alles irgendwie zu packen“, fühlt es sich nicht so an, als würden in dem Raum millionenfach geträumte Träume wahr. Eher als wäre von einem schweren Schicksalsschlag die Rede.

Trabalski möchte nicht großspurig klingen, wenn er seinen Beruf mit dem eines Pfarrers oder Lebensberaters vergleicht. Aber das, was er tut, ist nun mal zu 70 Prozent zuhören und zu 30 Prozent beraten. In den Gesprächen geht es nicht um Empfehlungen für Banken, Versicherungen oder Autohäuser. Sondern darum, sich genau zu überlegen, wem man vom Gewinn erzählt. „Einen Lottogewinner bittet man schneller mal um Hilfe, als jemanden, der stets reich war“, sagt Trabalski. Vielen rät er, erst mal nur den Partner einzuweihen. Auch sollte man sich mit Investitionen Zeit lassen. Und vor allem: weiterarbeiten. Der Job bestimmt die sozialen Kontakte. „Dass man irgendwann in Erklärungsnot kommt, warum man keinen Kleinwagen mehr, sondern eine Luxuskarosse fährt, ist klar. Dann kann man sagen, man hätte eine kleine Summe gewonnen – oder von einem entfernten Verwandten geerbt.“

Wenn Lutz Trabalski auf die vielen Gewinner zurückblickt, die schon vor ihm saßen, fällt ihm als Erstes die Geschichte einer Frau ein. Die Dame, Mitte 50, kam mit ihren beiden Hunden, zwei Millionen hatte sie gewonnen, „eine schöne Summe“, wie Trabalski sagt. Als er sie fragte, was sie nun vorhabe, antwortete sie, sie gehe jetzt arbeiten. „Die meisten gönnen sich eine Flasche Champagner am Ku’damm. Aber die ging zur Nachtschicht. Sie sagte: Wissen Sie was, Herr Trabalski, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Das hat mich beeindruckt.“

Neid empfindet er niemals. Früh hat er gelernt, was ihm gehört und was nicht. Zwar spielt auch Trabalski Lotto – und träumt auch von einem Sechser – aber wenn er in seinem Büro bis zum Rentenalter sitzen bleibt, findet er das in Ordnung. Und wenn es doch einmal klappt, ist er vorbereitet. Hauskauf, Autokauf und eine halbe Stelle in einer sozialen Einrichtung. „Das sind meine Träume – sehr real, obwohl sie so weit entfernt sind.“

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