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Crossboccia und Angelgolf: Neue Sportarten erobern Berlin

Sie kreuzen Golfen mit Angeln, balancieren auf Röhren und spielen Volleyball auf Hüpfburgen. Neue Sportarten erobern diesen Sommer Berlin. Wir stellen fünf von ihnen vor – und verraten, wo man sie ausprobieren kann.

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ANGELGOLFEN

Thorsten Waschnig kann sich nicht mehr erinnern, wie genau er auf die Idee zu seinem Spiel kam. Es war wohl ein „Geistesblitz“, sagt er. So einen, wie man ihn nur ein paar Mal im Leben hat. Andererseits: Überall auf der Welt wird doch Golf gespielt. Und überall geangelt. Warum also nicht Angelgolfen? Statt des Köders wird hier ein Golfball an eine Spinn- oder Karpfenrute gehängt. Dann versucht man, mit möglichst wenig Würfen den Ball übers Grün ins Loch zu bekommen, wobei man immer von dort wirft, wo der Ball zuletzt liegen blieb. 100 Meter sind möglich, sagt Waschnig – falls die Windrichtung stimmt und keine Obstbäume im Weg stehen. Seit drei Jahren richtet der Berliner die „Deutschen Meisterschaften“ aus, die nächste ist für Oktober auf dem Gelände des Potsdamer Golf-Clubs in Ketzin geplant. Anmeldungen sind noch möglich, auch ohne große Erfahrung. Dem Landessportbund gefiel Waschnigs Geistesblitz so gut, dass er ihm vergangenes Jahr den „Innovationspreis des Berliner Sports“ verlieh. Offiziell soll Angelgolfen „die Möglichkeit geben, durch Kommunikation auf dem Spielfeld neue soziale Kontakte zu schließen“. Soll heißen: Wer sich mit seiner Rute auf eine Wiese stellt und Golfbälle wirft, wird garantiert von Passanten angesprochen und mit Fragen bombardiert. Wie geht das? Wozu das Ganze? Und vor allem: Darf ich auch mal? Kontakt zu Berlins Angelgolfern gibt es unter www.angelgolf.info.

CROSSBOCCIA

Sven Schneider war sechs Jahre alt, als er sein erstes Schweinchen küsste. Es war der Beginn einer großen Liebe. Schneiders Eltern hatten sich zum Boulespielen im Park verabredet und die Kinder mitgenommen. „Schweinchen“, so nennt man beim Boule oder auch Boccia die kleine Kugel, die zu Beginn jeder Partie als Zielball ausgeworfen wird. Gelingt es einem Werfer, mit seiner Kugel das Schweinchen zu berühren, hat er es „geküsst“ und seinem Team einen Punkt eingebracht. Klein Sven gefiel das so gut, dass er auch zu Hause die Eisenkugeln hervorholte und im Wohnzimmer zu üben begann. „Meine Eltern haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen,“ erzählt der heute 24-Jährige, „als sie sahen, wie die Kugeln über das Parkett rumpelten“. Wäre doch damals schon das Crossboccia erfunden gewesen, das nämlich basiert auf vergleichsweise leichten Stoffkugeln mit einer Füllung aus Sand. Sie eignen sich für jeden Untergrund und können selbst auf dreidimensionalen „Spielfeldern“ eingesetzt werden. „Wir beziehen Parkbänke oder Klettergerüste ein“, sagt der VWL-Student aus Mitte, „manchmal boulen wir im Hörsaal.“ Irgendwer habe immer ein paar der quietschbunten Säckchen dabei. Deren Wuppertaler Erfinder ist selber Student – und verkauft seine Bälle im Internet unter der Adresse www.crossboccia.com.

INDO-BOARDEN

Es braucht etwa 20 Minuten, bis man halbwegs sicher auf dem Indo-Board steht. Es sei denn, man ist „Balance-Banause“, sagt Jörg Pontow, dann kann es auch ein bisschen länger dauern. Das Indo-Board ist nichts weiter als ein stabiles Brett auf einer Rolle, auf dem man sich hin- und herbewegt. Seit fünf Jahren gibt es das Gerät in Deutschland zu kaufen. Erfunden hat es ein Surfer aus Florida – gedacht für Wellenreiter, die in den Wintermonaten auf einem Brett stehen wollen. Inzwischen interessieren sich aber auch Eishockeyspieler, Skifahrer und Reiter dafür, weil es die Beinmuskulatur stärkt und die Reaktionsschnelligkeit verbessert. Oder einfach Leute, die Spaß wollen. Mehr als 200 nutzen es schon in Berlin, auch in der Physiotherapie wird es eingesetzt, zum Beispiel als Reha-Maßnahme nach einer Kreuzbandoperation, allein am Kurfürstendamm sind es schon vier Praxen. Jörg Pontow betreibt in Treptow einen eigenen Laden, in dem er ausschließlich Indo-Boards verkauft, 125 Euro kostet das günstigste. Man kann einfach hingehen und es ausprobieren, für Anfänger hängt eine Ballettstange an der Wand. Die Grundstellung: schulterbreit auf das Board, Knie etwas beugen, den Rücken möglichst gerade halten, Arme seitlich und Augen geradeaus. Das Wichtigste ist, auch wirklich in die Knie zu gehen. Sonst spürt man seine Fußballen nicht und hat keine Kontrolle. Fortgeschrittene beherrschen Sprünge und Drehungen in der Luft. Manche können mehrere Bretter übereinander stapeln, das sieht dann nach Zirkus aus. Diesen Sommer will Jörg Pontow noch unbedingt ein Segelboot chartern und raus auf die Ostsee. Und dann bei Wellengang auf seiner Rolle balancieren. Weiß er aber selbst nicht, ob das klappt. Pontows Indo-Board-Store liegt in der Kiefholzstraße 15, Infos unter Telefon 53 600 958, www.indoboard.de.

STAND-UP-PADDLING

„Wo habt ihr denn das Segel gelassen?“, rufen Spaziergänger ihnen vom Ufer aus zu, wenn Corinna und Christian Hahn ihrem Hobby nachgehen. Die beiden sind Stand-Up-Paddlers, kurz SUPs, mithilfe eines gängigen Paddels legen sie auf Surfbrettern stehend Kilometer um Kilometer zurück. Die Idee dazu kommt aus Hawaii, wo Surffans keine Lust hatten, immerzu auf den Wind zu warten. In Deutschland entdeckte der 36-jährige Hahn aus Reinickendorf die neue Sportart zuerst und probierte sie mit seiner ebenso wassersportbegeisterten Schwester aus. Mittlerweile hat Berlin eine beachtliche SUP-Community, zwei- bis dreimal die Woche versammeln sich ihre Mitglieder am Tegeler See. Vergangene Woche kamen 50 Leute zum Turnier an den Jungfernheideteich, Corinna Hahn ging daraus zum wiederholten Mal als Siegerin hervor. „Das Stand-Up-Paddling ist einfach großartig“, sagt die 27-Jährige, „es macht Spaß und hält den ganzen Körper in Form.“ Mit dem von ihnen gegründeten Magazin „Superflavor“ machen die Geschwister das Stand-Up-Paddling bundesweit bekannt. Wer erste Stehversuche wagen will, kann das am 25. September tun: Dann findet auf der Havel der erste Stand-Up-Paddling-Marathon statt. Los geht’s im Strandbad Wannsee, wo es ein üppiges Rahmenprogramm geben wird. Weitere Informationen zum Sport unter www.superflavor.de.

BOSSABALL

„Dein Bruder ja, aber du musst draußen bleiben“ – Worte, die für viele unvergessen sind. Für all diejenigen, die irgendwann als zu schwer für die Ikea-Hüpfburg befunden wurden, gibt es endlich Entschädigung: Bossaball, ein Mix aus Volleyball, Fußball und Geräteturnen auf einer Hüpfburg für Erwachsene. Ausgedacht hat sich den Mannschaftssport ein Belgier. In Berlin pritschte, passte und plumpste man bis Juni dieses Jahres vor allem in der Sporthalle an der Wuhle. „Jetzt, da die Halle geschlossen wurde, sind wir auf der Suche“, sagt der 27-jährige Paul Zumpe aus Marzahn. Der Veranstaltungskaufmann hat das Spiel vor drei Jahren auf der Jugendmesse You entdeckt und es inzwischen bis in die Bossaball-Nationalmannschaft geschafft. Sobald ein neuer Platz gefunden wird, verspricht Zumpe, erfahren Hüpfwillige das postwendend im Internet unter der Adresse www.sportservice-berlin.de.

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