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Yumiko Nakatsuka drückt auf ganz einfache Art und Weise ihren Schmerz über die Katastrophe aus. Die Angst vor der Verletzung von Gefühlen ist groß.

© Yumiko Nakatsuka

Ausstellung: Japan: Bilder nach der Katastrophe

Japanische Künstler haben ihre Gedanken zu Fukushima und zum Tsunami auf Postkarten festgehalten. Das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin zeigt sie.

Zwei Hände ineinander verschränkt, aber sie liegen da wie abgehackt und halten einander doch fest – ein Zusammenhalt in auswegloser Situation. So könnte man jene Postkarte interpretieren, die die Künstlerin Maki Maruko aus Fukushima nach Hamburg geschickt hatte und die jetzt mit mehr als 350 Karten von 200 Künstlern aus ganz Japan im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) zu sehen ist. Ein Ventil für die Seele, unmittelbarer Ausdruck der am 11. März 2011 erlittenen Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und GAU in Fukushima.

„Tegami und neueste Werke aus Tohoku – Perspektiven japanischer Künstler nach dem 11. März" heißt die Ausstellung, die gestern im JDZB im Rahmen einer Gedenkfeier für die Opfer der Katastrophe in Japan eröffnet wurde. Die japanische Künstlerin Noboku Watabiki aus Hamburg weilte am 11. März vergangenen Jahres in Tokyo und erlebte die Katastrophe im Land. Zurück in Hamburg fasste sie den Entschluss zum Postkartenprojekt, das jetzt in Berlin zu sehen ist. „Tegami“ heißt Brief – sie bat ihre Kollegen, ihren Emotionen auf dem kleinen Rechteck Ausdruck zu verleihen und die Karten nach Hamburg zu schicken, eine intime, persönliche Aktion, die ein unzerstörbares Band der Freundschaft ausdrückt. „Kizuna“ ist der japanische Begriff dafür, der übrigens 2011 zum Wort des Jahres in der japanischen Schrift gewählt wurde. „Es ist mehr als nur eine emotionale Reaktion, es ist eine Zeitkapsel dieses Moments nach der Katastrophe", sagt die Initiatorin der Ausstellung.

Papier ist geduldig – das Vertrauen in die japanischen Medien ist erschüttert, meint Tadashi Seto.
Papier ist geduldig – das Vertrauen in die japanischen Medien ist erschüttert, meint Tadashi Seto.

© Tadashi Seto

Künstlerin Maki Maruko erinnert sich an das Beben und den Tsunami. „Ich spielte mit meinem Neffen, als die Erde bebte – und ich hielt ihn fest und wollte ihn beschützen. Ich werde mit jedem Tag meines Lebens achtsamer umgehen – und ich danke Deutschland für die Unterstützung.“ Ein Jahr nach der Katastrophe wurden noch einmal Künstler aus der Region um ein neues Werk gebeten, fünf reagierten, darunter Maki Maruko mit einer optimistischen Lampenskulptur. Rie Sasaki zeigt beeindruckende kleine Metallskulpturen, wie vom Feuer zerstört und geschunden, doch ein Blatt windet sich heraus: "Auslöschung und Wiedergeburt". Aus den neuen Werken, die jetzt nach einem Jahr geschickt wurden, spricht Hoffnung.

Bewährungsprobe für die Freundschaft

2011 sollte eigentlich das Jahr der 150jährigen Freundschaft von Japan und Deutschland werden, erzählte Botschafter a.D. Hans-Joachim Daerr, doch plötzlich verlief das Jahr unter ganz anderen Vorzeichen. "Deutschland hat die Katastrophe hautnah über die Medien erlebt, Erinnerungen an Tschernobyl kamen hoch und man wollte dem Land einfach nur helfen." Gerade diese Katastrophe sei eine Bewährungsprobe für die Beziehungen geworden. "Nicht alle angebotene Hilfe war realistisch, Übersiedlungen nach Deutschland hatten wir immer abgelehnt", erzählte Daerr auf der Gedenkveranstaltung im JDZB. 60 Millionen Euro habe man aufgebracht und über das Rote Kreuz in Japan eingesetzt. "Wichtig ist, dass wir langfristige Projekte zum Wiederaufbau unterstützen. Viele Obdachlose haben ihre Fahrzeuge verloren. So gibt es jetzt ein Projekt, dass Car-Sharing für Behelfsheime anbietet, damit die Leute ihre Arzttermine wahrnehmen können." Am wichtigsten sei neben Finanzhilfen das Bemühen, Beziehungen weiter zu pflegen, Reisen nicht abzusagen und Austauschprogramme weiter durchzuführen. Japans Gesandter Kenji Okada sprach den Berlinern seinen Dank für die Solidarität mit Japan aus.

Was ist unsere Zukunft? Postkarte von Eily K. Jammy.
Was ist unsere Zukunft? Postkarte von Eily K. Jammy.

© Eily K. Jammy

Wie sich Berliner engagierten, zeigte das JDZB am Sonntag auf einem Markt der Mitmenschlichkeit. Alle Räume des Zentrums waren besetzt mit Projekten. Zuvor hatten einige über ihre Projekte berichtet. So hat die Deutsch-Japanische Gesellschaft Berlin rund 212 000 Euro gesammelt. "Es ist einfacher Geld zu sammeln als es sinnvoll auszugeben", sagte Kurt Görger, Präsident der DJG Berlin. "Wir wollen Aufbauhilfe - keine Nothilfe - geben." So unterstützt die DJG Berlin mit dem Geld Kindergärten und Schulen mit Inventar, wie etwa Starboards. Initiativen stellten sich vor – so der Freundeskreis Berlin, der Taschen für Schüler und Decken nähte oder der Verein Kizuna, der 16 freiwillige Wiederaufbauhelfer nach Japan schickte, um Regenwasserrinnen von Schmutz und Steinen zu befreien. Die Steine wurde in Säcke gepackt und zur Verstärkung von Schutzmauern gestapelt. Und auch das JDZB hatte neben anderen aktiv Geld gesammelt, 254 000 Euro. Damit werden ebenfalls Schulen und Jugendprojekte unterstützt. "Kinder von sechs Berliner Grundschulen kamen bei uns vorbei und brachten uns ihre persönlichen Ersparnisse", erzählt Naura Miura, zuständig für den Jugendaustausch am JDZB. "Sie hatten das selbst organisiert und selbstverständlich Partei ergriffen. Kinder sind unsere Zukunft. Sie sollen für die Zukunft lernen und so ist heute ein Tag des Gedenkens, aber auch ein Tag der Hoffnung", sagte sie unter großem Beifall. Um 14. 46 Uhr gedachten die rund 500 Besucher im überfüllten Gebäude der 19 000 Toten und über 2000 Vermissten mit einer Schweigeminute.

Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin, Saargemünder Straße 2, Dahlem. Ausstellung vom 12. März bis 13. April, geöffnet montags bis donnerstags 10 bis 17 Uhr, freitags 10 bis 15.30 Uhr. www.jdzb.de.

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