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Auf ein GLAS mit: Luci van Org

Eine unscheinbare Straßenecke. Ein paar graue Stufen, ein Bierzelttisch mit passender Sitzbank.

Eine unscheinbare Straßenecke. Ein paar graue Stufen, ein Bierzelttisch mit passender Sitzbank. Auf den ersten Blick weiß man nicht genau, was das eigentlich für ein Laden ist, dort an der Ecke Fritz-Reuter-Straße/Kärntener Straße. Drinnen gibt es vor knallroten und gelben Wänden einen Pizzaofen, eine Vitrine mit Eis und eine mit Wurst und Käse, dazu Wein- und Wasserflaschen aus Italien. Ein Lebensmittelgeschäft? Auch. Aber vor allem sei das Café Marcello Schöneberg ein „Alltagsgebrauchscafé“, sagt Luci van Org, setzt sich an einen der dunklen Holztische und bestellt ein Mineralwasser.

Die 36-jährige Sängerin, Autorin und Schauspielerin kommt oft hierher nach Schöneberg, und zwar eigens aus Kreuzberg. Meist am Nachmittag mit ihrem dreijährigen Sohn. Der sitzt dann in der Kinderspielecke mit seinen Freunden, von denen viele in dieser Gegend wohnen. Luci van Org unterhält sich mit deren Eltern und isst Antipasti und Pizza. Viele kennt sie schon lange: „Ich bin in der Nähe aufgewachsen, im hässlichen Teil von Friedenau.“ Auch wenn sie längst weggezogen ist, liegt ihr die Gegend noch am Herzen. „Es ist schön, dass es wenigstens das Marcello gibt, sonst ist alles so runtergekommen in den letzten Jahren.“

Außer ihren Freunden zieht sie aber auch die Atmosphäre ins Marcello: „Hier spürt man die sprichwörtliche Liebe der Italiener zu den Bambini“, sagt Luci van Org, die mit bürgerlichem Namen Ina Lucia Hildebrand heißt. Die meisten kennen sie wohl unter dem Namen ihr ehemaligen Band Lucilectric, mit der sie 1994 den Hit „Weil ich ein Mädchen bin“ landete. Jetzt hat sie mit ihrer neuen Band „Uebermutter“ eine Art ironisch-gesellschaftskritisches Musikprojekt, das auch etwas mit Kindern, Mädchen und Frauen zu tun hat: Sie macht sehr düstere, laute Musik, die an Rammstein erinnert, und die Lieder heißen etwa „Gebärmaschine“ oder „Heim und Herd ist Goldes wert.“

Im Juni treten sie beim Christopher Street Day vor der Siegessäule auf. Und im Herbst geht es auf Tournee durch Deutschland, die Schweiz und Österreich. „Die Band ist aus purem Quatsch entstanden, weil mir diese Eva-Herman-Diskussion so auf den Sack gegangen ist.“ Also hat sie mit vier anderen Musikerinnen ein Video gedreht, in dem sie den Gitarristen mit einer Ausgabe des umstrittenen Eva-Herman-Buchs über die Rolle der Frau kastrierten. „Das war ein anarchischer Spaß.“ Aber über ein Thema, mit dem es ihr sehr ernst ist: „Ich kann nicht genug dagegen wettern, dass sogar ernst zu nehmende Medien plötzlich die Emanzipation infrage stellen.“ Als sie selbst ihr Kind bekam, wurden auch viele ihrer Freunde Eltern. „Da hatten viele Frauen auf einmal keine Chance mehr, sich weiterzuentwickeln.“ Für sie gilt das nicht: Ihr Mann kümmert sich genauso um den Sohn wie sie und macht auch noch die Videos für „Uebermutter“ – wenn die beiden nicht gerade bei Marcello sitzen und den Kindern beim Spielen zusehen. Daniela Martens

Cafè Marcello Schöneberg, Fritz-Reuter-Straße 7/ Kärntener Straße 28, Telefon 818 285 84; Mo-Sa von 7.31 bis 23 Uhr, So 10.01 bis 22 Uhr

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