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Der Kunsthistoriker Tobias Allers führt durch die Migrationsgeschichte von Berlin.

© Maria-Mercedes Hering

Stadtführungen zur Migrationsgeschichte: Wie kam die Boulette nach Berlin?

Tobias Allers ist Experte für Zuwanderungsgeschichte. In seinen Touren erklärt er den Zuzug vom Mittelalter bis in die Gegenwart – und Berliner Wörter.

Berlin ist bei Migranten beliebt – und das schon seit Jahrhunderten. Tobias Allers bietet seit einigen Jahren eine Stadtführung über Neuberliner an, die sich mit der Migrationsgeschichte der Hauptstadt befasst. Auch hat er vor zwei Jahren das Buch „Neuberliner“ geschrieben, das vom Mittelalter bis in die heutige Zeit Muster und Besonderheiten der Zuwanderung nach Berlin aufzeigt.

Tobias Allers hat die „Berlin Kultour“-Stadtführungen gegründet. Die Runde besucht etwa von hugenottischen Architekten geplante Gebäude wie das Palais Podewils und religiös bedeutsame Orte wie das künftige House of One.

Der Kunsthistoriker hat sich in seinen Recherchen tief in die Geschichte der Migration in Berlin hineingearbeitet. Eine Übersicht über den Zuzug vom Mittelalter bis in die Gegenwart, wie er sie im Repertoire hat, habe es zuvor nicht gegeben, erklärt der Autor. Er erzählt etwa von den Hohenzollern, den Hugenotten und den westdeutschen Wehrdienstverweigerern. Er geht auf wiederkehrende Verhaltensmuster der Berliner und der Zuwanderer ein und schafft so immer wieder einen Bezug zur aktuellen Lage.

Etwa war Sprache schon immer ein wichtiger Aspekt der Migration, wie Allers an den Hohenzollern belegt: Als die Franken nach Berlin und dort sukzessive an die Macht kamen, brachten sie das Hochdeutsche aus dem Süden ins noch Niederdeutsch sprechende Berlin. Neben dem Zuzug habe auch der Buchdruck zu einem Sprachwechsel geführt.

Doch auch bei den Hugenotten sei im 17. Jahrhundert die Sprache ein zentrales Thema gewesen. Die protestantischen Glaubensflüchtlinge aus dem katholischen Frankreich brachten neue handwerkliche Techniken mit.

Woher kommt "dufte"?

Das Verhältnis zwischen Hugenotten und Berlinern war laut Allers schwierig: Sollten die Franzosen ihre Sprache und Kultur auch in Preußen erhalten oder die preußische Kultur annehmen und sich integrieren? „Diese Diskussion ist erschreckend aktuell“, so der Buchautor. Geendet habe sie mit den napoleonischen Kriegen: Die Hugenotten hätten ihre französische Identität abgelegt und sich zu Preußen bekannt.

Neben Abrissen zur Geschichte hat Tobias Allers auch kleine Fakten zu besonderen Personen und Orten parat. Er erklärt unter anderem, wie die Boulette nach Berlin kam. Sie reiht sich ein in die vielen fremdsprachigen Wörter, die das Deutsche aus anderen Sprachen übernommen hat. Ein weiteres Beispiel dafür ist übrigen das Adjektiv „dufte“ aus dem Jiddischen.

Das Buch von Tobias Allers: Neuberliner. Migrationsgeschichte Berlins – vom Mittelalter bis heute. Elsengold-Verlag, Berlin. 176 Seiten, ca. 120 Abbildungen,29,95 Euro.
Das Buch von Tobias Allers: Neuberliner. Migrationsgeschichte Berlins – vom Mittelalter bis heute. Elsengold-Verlag, Berlin. 176 Seiten, ca. 120 Abbildungen,29,95 Euro.

© promo

Zur Nachkriegsgeschichte erzählt Allers von den westdeutschen Wehrdienstverweigerern in West-Berlin, wo Dienst an der Waffe verboten war. Er macht darauf aufmerksam, dass Migration sich nicht immer Menschen aus dem Ausland bezieht, sondern auch Zuzügler aus dem gleichen Land einen Ort prägen könnten. So hätten auch die Wehrdienstverweigerer die linke Studentenszene geformt.

Auch Ost-Berlin habe Zuzug von Migranten erfahren, unter ihnen häufig politische Aktivisten, aber auch Westdeutsche. Zwischen 1949 und 1989 immigrierten rund 500.000 Menschen aus dem Westen in die DDR. Vielerorts, so Allers, hätte ihnen die Stasi, aber auch ihre ostdeutschen Mitbürger Misstrauen entgegengebracht. Tobias Allers greift den Argwohn auf, der den Migranten in Berlin zunächst stets entgegenschlug. Bis sich Unterschiede ausschliffen, dauere es erst einmal – wie lange, das sei verschieden.

Führung zur Migrationsgeschichte wieder am 15. Juni, 15 Uhr, 12 €, ab Klosterstraße 68, www.berlinkultour.de. Buch „Neuberliner“: Elsengold Verlag, 29,95 Euro.

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