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Florian Bengert (CURIOUS ABOUT), Annamaria Deiters-Schwedt (empirica AG), Barbara Hoidn (Hoidn Wang Partner) und Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin.

© Stadtforum Pandemie / Live-Stream

Stadtforum „Pandemie“: Wie Berlin wieder zu einem Ort der Verbundenheit wird

Wie verändert die Pandemie Berlin? Und was können wir von Cohousing-Projekten über krisensicheres Wohnen lernen? Darüber diskutieren derzeit Fachleute.

Schwer hat es, wer in dieser Pandemie allein ist, und daraus muss Berlin lernen, findet Barbara Hoidn vom Architekturbüro Hoidn Wang Partner. Dazu wirft sie einen Blick in die Vergangenheit: „In den 90er Jahren sind viele junge Familien hergezogen, die nicht traditionell in der Vorstadt leben wollten.“

Diese haben sich zu Baugruppen zusammengetan und in einer „Großfamiliensituation“ zusammengewohnt – wie aktuell beispielsweise im Spreefeld in Berlin-Mitte. „Damit haben sie ein Stück Stadt geschaffen, das sich in der Krise bewährt hat“, sagt Hoidn.

Denn die losen Verbindungen in einem anonymen Mietshaus werden durch die Pandemie schnell zertrennt, Menschen vereinsamen. Anders in gemeinschaftlichen Wohnformen: Auch wenn Kontakte nach außen abnehmen bleibt eine Gemeinschaft bestehen, in der man nacheinander schaut.

Laut Christina Geib von der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) wären sogenannte „Wohn-Cluster“, kleinere Wohneinheiten plus Gemeinschaftsräume, günstig und sozial. Aber Hoidn sieht das Konzept gefährdet: „Spekulation und Verdrängung bedrohen diese sozialen Strukturen, die die Menschen genau jetzt vermissen. Die müssen wir stärken.“

Diese Diskussionen wurden jetzt im Stadtforum „Pandemie“ geführt und waren – wie derzeit viele unserer Unterhaltungen – zwischenzeitlich begleitet von Tonaussetzern und Stimmdopplungen. Denn erstmals fand das Forum digital statt, wurde aus dem Stadtlabor B-Part am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg per Videoschalte moderiert. Zwischenzeitlich wurde der YouTube-Live-Stream zum Forum auf rund 500 Monitoren angesehen.

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Die Pandemie geht vorbei, aber der Trend zum Homeoffice bleibt. Die Fachleute sind sich darin einig, dass die Bedeutung von Wohnen und Wohnumfeld steigen wird. Und Arbeit werde sich davon immer weniger trennen lassen.

Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), plädiert daher für Co-Working-Räume in der Nachbarschaft. Auch die WBM denkt in neuen Planungen über separate Flächen zum Arbeiten nach, das „zusätzliche halbe Zimmer“, wie es Annamaria Deiters-Schwedt vom Marktforschungsinstitut empirica nennt. Sie berichtet: „Unternehmen überlegen sich gerade dreimal, ob sie neue Büroflächen kaufen oder auf Modelle setzen, in denen teils zu Hause, teils vor Ort gearbeitet wird.“

Gemeinschaftsräume statt Cashcows

Ein Schlagwort taucht in den Gesprächen immer wieder auf, der Soziologe Heinz Bude von der Universität Kassel hatte es in die Runde geworfen: Solidarität. Er stellt eine These auf: „Die Corona-Pandemie macht nach 40 Jahren einen Schnitt. Die Gesellschaft starker Einzelner seit den 80er Jahren war gut. Aber schlecht war der Gedanke, man wolle gänzlich unabhängig sein.“

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In der Annahme, man brauche die anderen nicht, sieht der Soziologe auch den Ursprung manch aktueller Verschwörungstheorien und sagt: „Die Stadt muss ein Ort der Verbundenheit sein statt des Nebeneinanders.“ Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sieht in der Pandemie auch Chancen dafür: „Leerstehende Erdgeschosse könnte man als neue Treffpunkte ohne Kommerz im Kiez nutzen, für die Gemeinschaft, statt als Cashcows.

Florian Bengert vom Münchner Architekturbüro Curious About warnt allerdings davor, nun zwanghaft pandemiegerecht zu entwerfen. Denn was jetzt geplant wird, wird erst in einigen Jahren gebaut. Denn dann gebe es vielleicht wieder einen neuen Anspruch. Man werde in der kommenden Zeit gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern experimentieren müssen, um passende Wohnformen zu entwickeln.

Senatsbaudirektorin fordert Investitionen

Was kann man also aus der Pandemie für die Stadtentwicklung lernen? Eine konkrete Antwort kann niemand der insgesamt neun Gäste aus Architektur, Politik und Forschung an dem Abend geben, dafür sind Themen- und Gästeliste zu lang und die Zeit zu kurz. Aber deutlich wird eines: Die Pandemie schiebt Gedanken darüber an, wie wir zusammenleben und unsere Stadt gestalten wollen. Und das gehe laut Regula Lüscher nur mit Investitionen: „Die öffentlichen Kassen werden nach der Pandemie leerer sein, aber Sparen wäre falsch.“

Das Stadtforum Berlin findet in unregelmäßigen Abständen statt und soll laut Veranstalter, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen „im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, sowie Fachleuten aus Forschung, Wirtschaft und Politik die Entwicklung der Hauptstadt begleiten“. Das nächste Stadtforum laut Sebastian Scheel dann „hoffentlich persönlich“ im Mai stattfinden.

Marian Schuth

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