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Bau auf. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

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Update

Stadtentwicklung: Lompscher will höher bauen – und Bäume fällen

Heftige Reaktionen auf das Maßnahmenpaket für Mehr Neubau der Senatorin für Wohnen. Das Papier wird zum Politikum. Hier die wichtigsten Streitpunkte.

Hohn von der Opposition, Zoff mit dem grünen Koalitionspartner, aber auch Lob von den Wohnungsunternehmen erntet Lompschers Plan zur Beschleunigung des Wohnungsbaus. Das "Handlungsprogramm" der Linken-Politikerin hatte der Tagesspiegel am Donnerstag vorab veröffentlicht - kommende Woche sollte es nach Abstimmungen im Senat öffentlich vorgestellt werden. Doch wegen der ungeklärten Streitpunkte könnte das nun schwierig werden.

Kapek: "Charta für das Berliner Stadtgrün ad absurdum geführt"

"Wir haben am Dienstag im Senat die Charta für das Stadtgrün verabschiedet. Das wird mit Lompschers Vorschläge ad absurdum geführt", sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Außerdem habe sie "so gut wie alles, was in dem Handlungsprogramm schon mal von der SPD-Verwaltung gehört. Ärgerlich sei vor allem, dass die Streitpunkte nicht auf Arbeitsebene ausgeräumt worden seien. Nun werde der Vorstoß eben wieder "politisch" verhandelt, so Kapek, am kommenden Dienstag in der Senatssitzung.

FDP höhnt über Lompschers "Salto rückwärts"

Von einem "Salto rückwärts" der Senatorin für Wohnen sprach Stefan Förster von der FDP. Erst habe sie den Ausbau von Dachgeschossen unter Verweis auf die Bäume vor den Häusern ausgebremst. Nun nehme Lompscher das Verbot zurück, ernte dafür aber Kritik der Grünen. "Der Regierende Bürgermeister sollte ein Machtwort sprechen und die angekündigte Offensive für den Wohnungsbau zur Chefsache machen".

Ultimatum abgelaufen

Das Ultimatum der SPD war fast abgelaufen – und Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, liefert. Die Linken-Politikerin hat ein „Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“ vorgelegt. Das wird zurzeit mit den anderen Senatsverwaltungen abgestimmt. In der kommenden Woche soll es nach bisherigen Überlegungen öffentlich vorgestellt werden. Mehr Personal, mehr Bauland, weniger Bürokratie – die Vorschläge dürften auch Unternehmen gefallen, vor allem kommunalen und Genossenschaften.

Naturschützer dürften dagegen aufhorchen: Die Baumschutzverordnung wird geändert und soll „Fäll- und Baugenehmigungen dauerhaft ermöglichen“ – und nicht erst bei Vorlage der Baugenehmigung. Hintergrund sind die langen Vegetationsperioden von März bis Oktober, die auch die beste Zeit fürs Bauen ist.

Die „Entkoppelung der Fällgenehmigung von der Baugenehmigung“, soll Verzug vorbeugen. Weitere Einschnitte im Naturschutz: „Für die Realisierung von Wohnungsneubau ist mitunter eine Waldumwandlung notwendig“. Diese müsse „durch forstrechtliche Kompensationen ausgeglichen werden“. Hier sei eine „größere Flexibilität“ gefragt bei der „Waldeinstufung“.

Zurückrudern bei einer umstrittenen Amtshandlung

Auch wurde das lange Klagen der Berliner Genossenschaften erhört. Das Programm sieht die Bereitstellung von 20 Grundstücken für sie vor. Außerdem will Lompscher einen „Genossenschaftsbeauftragten“ einstellen, um das Ohr an den Firmen zu haben. Sogar eine Quote genossenschaftlicher Wohnungen soll es künftig in neuen Quartieren geben. Das Paket wird abgerundet durch einen „Projektaufruf für genossenschaftlichen Neubau“. Genossenschaften vermieten ihre Wohnungen zu meist unterdurchschnittlichen Mieten an ihre Mitglieder und bremsen nach Auffassung von Marktexperten den Mietenanstieg.

Zurückrudern muss die Linken-Politikerin bei einer ihrer umstrittensten Amtshandlungen: Der Erlass eines Rundschreibens zur Anlage des zweiten Rettungsweges bei Aufstockungen von Altbauten. Dieser hatte den Ausbau von Dachgeschossen durch private Bauträger erschwert. Der Erlass hatte sich sogar in den Statistiken niedergeschlagen durch einen Rückgang der Wohnungsbauzahlen: um mehrere tausend Dach-Ausbauten. Die nun geplante „Aufhebung des Rundschreibens“ könnte diesen Fehler korrigieren und die Neubauzahlen antreiben.

Zumal der Senat den Dachausbau noch zusätzlich fördern will: Durch eine „Aufzugskomponente“. Hintergrund: Aufzüge zählen zu den Kostentreibern. Die Förderung ist als „Darlehen oder Zuschuss“ geplant. Noch Ende dieses Jahres soll die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zusammen mit Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) eine konkrete Ausgestaltung der Maßnahme vorlegen.

Aufstockung von Plattenbauten

Dazu passt eine weitere Maßnahme: Ein „Pilotprojekt zur Aufstockung von Plattenbauten“. Dichter wird die Stadt auch in den bestehenden Quartieren: „Ausgewählte Siedlungen als Schwerpunkte der Weiterentwicklung“ sollen von Senat, Bezirken, landeseigenen Wohnungsunternehmen „und anderen Akteuren“ dazu ausgewählt werden.

Zur Beschleunigung des Neubaus soll auch der Einsatz von mehr Personal dienen: „100 Stellen“ in der Verwaltung sieht das Papier vor. Hinzu kommt eine bessere Ausstattung der landeseigenen Wohnungsunternehmen: Eine „bedarfsgerechte Erweiterung der Bau- und Planungskapazitäten“ ist vorgesehen. Die sechs Unternehmen werden sich außerdem auf eine engere politische Lenkung einstellen müssen. So ist unter anderem eine „Veränderung der Zielvereinbarungen mit den Geschäftsführungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften“ vorgesehen. Lompscher will auch die Zusammenarbeit der Verwaltungen untereinander sowie die Abläufe bei der Bearbeitung von Anträgen verbessern. Dazu sind mehrere Maßnahmen geplant. So beklagen viele Firmen das Kompetenzwirrwarr zwischen Hauptverwaltung und Bezirksverwaltungen.

Darauf reagiert das Handlungsprogramm: Eine „Taskforce Stadtquartiere“ soll eingeführt werden, die „als permanente ressortübergreifende Steuerung“ die Abstimmungen zwischen den Senatsverwaltungen sowie den Bezirken kontinuierlich sicherstellt. Ein „Lenkungsausschuss“ soll auf Staatssekretärs-Ebene eingesetzt werden.

Ferner soll das Eingriffsrecht des Senats in Bezirkliche Vorgänge verlängert und erweitert werden. Im Jahr 2016 war das Eingriffsrecht eingeführt worden, aber nur befristet bis Ende kommenden Jahres. Diese Frist soll fallen. Außerdem wird die „Beschleunigung des Wohnungsbaus“ ausdrücklich als Begründung für solche Eingriffe aufgenommen werden. Wiederholt hatte es Klagen von Bauwilligen über die Schwierigkeit gegeben, Baugenehmigungen zu erlangen in den Bezirken. Darauf reagiert die Bestimmung nun. Die Bezirke sollen einem „gesamtstädtischen Fachcontrolling“ unterzogen werden, „zur Vereinheitlichung und Verkürzung von Baugenehmigungsverfahren“.

Auch Genehmigungen für Baustellenzufahrten und -einrichtungen sollen schneller erteilt werden. Bisher gibt es nicht wie bei anderen Anträgen eine Frist von vier Wochen für die Entscheidung über einen Antrag und auch nicht die Regelung, dass nach acht Wochen ein nicht bearbeiteter Antrag als zugestimmt gilt. Ähnliche Friste strebt der Senat nun auch für Baustelleneinrichtungen an, die bisher oft im Verwaltungsdickicht zwischen Verkehrslenkung und Bezirksverwaltungen stecken blieben.

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