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Das alte Stadion. 2020 soll es abgerissen werden.

© picture alliance / dpa

Stadionbau im Jahn-Sportpark: Experten fürchten Probleme beim Baurecht

Der Senat will eine Arena im Jahn-Sportpark bauen – und zwar möglichst bald. Experten glauben, dass Anwohnerklagen das Projekt stoppen könnten.

Der geplante Bau des neuen Stadions im Jahn-Sportpark könnte an Baurechtsfragen scheitern. Nach Tagesspiegel-Informationen haben mehrere Bauexperten und Juristen beim Senat und den Planungsbeteiligten erhebliche Bedenken hinsichtlich des beabsichtigten Vorgehens geäußert. Sie sehen gute Chancen für die zu erwartenden Anwohnerklagen gegen den mit 120 Millionen Euro veranschlagten Bau in Prenzlauer Berg.

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Weil die Sportverwaltung das Stadion „auf Biegen und Brechen“ so schnell wie möglich durchsetzen wolle, gehe sie in Baurechtsfragen ein hohes Risiko ein, kritisiert ein Experte. So drohe ein langjähriger Rechtsstreit, der bis hin zum Bundesverwaltungsgericht gehen und den Stadionbau verzögern oder ganz verhindern könnte. Auch Pankows Bezirksbaustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) sieht weiter das Risiko für erfolgreiche Klagen.

Die Kritik richtet sich gegen den von den beteiligten Verwaltungen Ende Oktober gefundenen Kompromiss zum Stadion. Demnach soll die Arena schon einmal hochgezogen und der dafür nötige Bebauungsplan für den gesamten Sportpark später nachgereicht werden. Dieser Kompromiss kam auf Wunsch der Senatssportverwaltung zustande, die für den Jahn- Sportpark verantwortlich ist. Sie will das alte Stadion ab 2020 abreißen und ab 2022 bis 2024 ein neues bauen lassen.

Die Arena soll dazu als „Ersatzneubau“ deklariert und vorab nach dem „Baulückenparagraph“ 34 des Baugesetzbuches errichtet werden. Dieser erlaubt den Bau etwa von Wohn- oder Bürobauten ohne gesonderte Genehmigung, wenn sie ortsverträglich sind. Dem Vernehmen nach gehen Sport- und Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher davon aus, dass der Paragraph auch für das Stadion greift. Es genüge, den Bebauungsplan per Aufstellungsbeschluss zeitgleich „auf den Weg zu bringen“ und später zu vollenden.

Mehrere Baurechtsexperten halten den vorgezogenen Bau des Stadions dagegen für angreifbar. Zwar sei der Kompromiss ein Fortschritt im Vergleich zum vorher angedachten Verfahren, das Stadion komplett ohne Bebauungsplan zu errichten. Doch mit dem Verweis auf den Paragraph 34 solle offenbar das aufwendige Genehmigungsverfahren umgangen werden, das für einen Stadionneubau in dieser dicht besiedelten Innenstadtlage notwendig ist.

Arena soll weiterhin nur 20.000 Plätze bieten

Dafür spricht, dass die neue Arena gemäß der Definition als „Ersatzneubau“ wie die alte nun doch nur 20.000 Zuschauerplätze bekommen soll. Die zuletzt noch vorgesehene Erweiterungsoption auf 30.000 Plätze ist nicht mehr geplant, versichert die Sportverwaltung auf Nachfrage: „Der Betrieb wird sich vollumfänglich im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegen.“ Durch das neue Stadion werde sich nichts ändern.

Diese Argumentation steht juristisch allerdings auf tönernen Füßen. Experten verweisen darauf, dass bei einem Stadion zusätzlich zum Baurecht das Bundes-Immissionsschutzgesetz samt Sportanlagenlärmschutzverordnung zu beachten ist. Rund um ein Stadion wird darin etwa eine ausgeweitete Nachtruhe geregelt, ab 20 Uhr gelten zudem strengere Lärmvorgaben. Das musste zuletzt der Fußballclub SC Freiburg erfahren, gegen dessen neue Arena derzeit Anwohner prozessieren.

Für vor 1991 gebaute Stadien wie das „Große Stadion“ im Jahn-Sportpark von 1952 gilt der „Altanlagenbonus“ mit niedrigeren Auflagen. Allerdings dürfen diese Stadien „nicht wesentlich geändert werden“. Erlaubt ist nur ein „Rückbau von Teilen der Anlage“, kein Komplettabriss. Demnach wäre das neue Jahn-Stadion auch als Neubau zu werten und würde so den strengeren Regeln unterliegen.

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Die Sportverwaltung selbst verwendet die Bezeichnung „Neubau“ auch in der offiziellen Ausschreibung der neuen Machbarkeitsstudie. Sie verspricht, dass vor dem geplanten Abriss des alten Stadions Mitte 2020 die in der Sportanlagenverordnung geforderten Lärm- und Verkehrsgutachten vorliegen sollen.

Nach Juristen-Einschätzung reicht das aber nicht aus. Das Stadion dürfe erst genehmigt werden, wenn der Bebauungsplan tatsächlich „Planreife“ erlangt hat. Dazu müsste er den restlichen Jahn-Sportpark beinhalten, der für weitere 65 Millionen Euro zum „Inklusionssportpark“ umgebaut werden soll. Weil dieses Vorhaben „von gesamtstädtischer Bedeutung“ ist, bestand auch die Stadtentwicklungsverwaltung, die das Stadion bauen soll, zunächst auf einem vorgeschalteten Planverfahren fürs Gesamtareal.

Immer wieder wird umgeplant

Das Problem dabei: Die finale Planung für den Restpark steht noch gar nicht fest. Es gibt immer wieder Umplanungen. Neben einem 30 Meter hohen „Sporthallenturm“ will die Sport- und Innenverwaltung nun auch noch Platz für die Zentrale der Alba-Basketballer und eine Polizeiwache schaffen – der Abschnitt 15 soll dann aus der Eberswalder Straße dorthin ziehen. So sieht es die Ausschreibung für die neue Machbarkeitsstudie vor, die ab Mitte 2020 aktualisiert werden soll.

Erst nach Fertigstellung der Machbarkeitsstudie könnte der Bebauungsplan in Angriff genommen werden – seine Aufstellung würde weitere zwei bis drei Jahre dauern. Dabei müsste die Ortsverträglichkeit eines Stadionneubaus detailliert geprüft werden. Außerdem ist eine umfangreiche Bürgerbeteiligung erforderlich. Der Plan muss zudem den publikumsintensiven Mauerpark nebenan berücksichtigen. Der soll auch erweitert und umgebaut werden – der entsprechende Plan ist auch noch nicht fertig.

Dennoch soll das alte Stadion auf jeden Fall im Sommer abgerissen werden. Das Abgeordnetenhaus hat die dafür nötigen Millionen nun zur Verfügung gestellt – und die sollen offenbar genutzt werden, bevor sie verfallen. Als zweiten Grund für das riskante Tempo der Sportverwaltung sehen Experten den hohen Druck der Sportverbände an. Demnach fordern insbesondere der Deutsche Fußballbund und der Leichtathletikverband einen schnellen Neubau. Die Fußballer wollen das Stadion für einen weiteren potenziellen Berliner Dritt- oder Zweitligisten sowie Jugend- und Frauen-Länderspiele nutzen. Die Leichtathleten planen in der zentralen Hauptstadtlage öffentlichkeitswirksame Deutsche Meisterschaften.

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