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Helmut Kohl (CDU) steht bei der Berliner Feier der Deutschen Einheit am 03. Oktober 1990 auf der Treppe des Reichstagsgebäudes. Neben ihm seine Frau Hannelore, daneben Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (li.,FDP), Bundespräsident Richard von Weizsäcker (re.) und daneben Lothar de Maizière, der letzte DDR-Ministerpräsident.

© Wolfgang Kumm/dpa

Spurensuche: Was verband Helmut Kohl mit Berlin?

Spaghetti Carbonara in Wilmersdorf, die U7 nach Spandau, kleine Pleiten und große Bauten. Eine Geschichte über Helmut Kohls "zweite Heimat".

Anfang 2001 durchlief ein kleines Beben den Bundestag. Aus dem Büro von Altkanzler Helmut Kohl war eine E-Mail an alle Abgeordneten gegangen, wonach wegen einer Wohnungsauflösung folgende Einrichtungsgegenstände preiswert abzugeben seien: „Schlafcouch blau; runder Küchentisch mit zwei Stühlen, metallic-grau; Schreibtisch, Kiefer massiv; Lampen“.

Schnell machte ein Gerücht die Runde: Kehrt etwa Kohl Berlin den Rücken? Der Stadt also, in der er so viele Spuren hinterlassen hat, die ihm so am Herzen lag, die ohne ihn vielleicht nie Hauptstadt geworden wäre – die ihm all dies aber nicht immer gedankt hat? Das Spekulieren hatte schnell ein Ende. Keineswegs hatte Kohl vor, seine 1996 bezogene Wohnung in Wilmersdorf aufzugeben, lediglich einen seiner Mitarbeiter zog es zurück nach Bonn.

Eine hübsche Anekdote zum Verhältnis Kohl – Berlin, doch letztlich eine Bagatelle, von keinerlei historischer Bedeutung. Gleichwohl darf man für solche Erinnerungen vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um den Altkanzler ein zunehmendes Interesse annehmen. Einen Platz, vielleicht sogar den Großen Stern, nach Kohl, seit 1992 Ehrenbürger der Stadt, benennen, wie die Landes-CDU es gerne hätte?

Da will man doch wissen, wie nah der Mann aus Oggersheim der Stadt Berlin tatsächlich gekommen ist, ob sie für ihn mehr war als der künftige Regierungssitz, in dem er selbst dann gar nicht mehr regieren durfte. Aber den Ort, wo dies nun seit dem Regierungsumzug geschieht, hat er nachhaltig geprägt. Kohl war es, durch den der dann gebaute Entwurf des Kanzleramts letztlich den Zuschlag erhielt. Und Kohl setzte beim Umbau der Neuen Wache durch, dass die Figur einer trauernden Mutter von Käthe Kollwitz als Mahnmal „Für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ auf die vierfache Größe gebracht wurde. Von der heftigen Kritik an diesem Aufpumpen der Skulptur ließ er sich nicht irritieren.

Im falschen Zug

Bei anderen Bauten aber wurde ihm Jubel zuteil. Auch wenn er die Gestaltung der U-Bahn-Linie nach Spandau und ihrer Bahnhöfe nicht mitbestimmte – das Geld kam doch aus Bonn, und so hatte die Teilnahme des Bundeskanzlers an der Eröffnung der Linie am 1. Oktober 1984 schon eine gewisse Logik. Allerdings saß Kohl bei der Jungfernfahrt im falschen Zug: Eine Protokollpanne, der für ihn vorgesehene Sonderzug mit den VIP-Gästen kam erst ein paar Minuten später. So sah sich der Kanzler plötzlich dem überaus wohlwollenden Volk gegenüber, dem er fleißig Autogrammwünsche zu erfüllen hatte. Ganz anders erging es ihm fünf Jahre später am 10. November 1989, als er auf der Treppe des Rathauses Schöneberg von Wiedervereinigungs-Gegnern gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Auch eines seiner Lieblingsprojekte für Berlin, ein neu zu gründendes Deutsches Historisches Museum (DHM), fand anfangs nicht überall die Zustimmung, die er sich wohl erhofft hatte. Am 28. Oktober 1987 gab es dazu einen Festakt im Reichstag, bei dem Bundeskanzler Kohl und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen die Gründungsvereinbarung unterzeichneten. Der Tag war bewusst gewählt: Mit Datum vom 28. Oktober 1237 war Cölln, westlicher Teil der historischen Doppelstadt Berlin-Cölln, erstmals urkundlich erwähnt worden. Das Museum sollte also gewissermaßen ein Geburtstagsgeschenk sein.

„Das ist die Berliner Gruft, Gruft, Gruft“

Anfangs war es nur ein Betonklotz mit Bronzetafel, 80 Zentimeter hoch, im damals brachliegenden Spreebogen, vor dem Gründungsakt enthüllt durch Kohl, Diepgen und Bundesbauminister Oscar Schneider. Berlins SPD war gegen das Museumsprojekt und fehlte, Demonstranten hatten Transparente mit Sprüchen wie „Das ist die Berliner Gruft, Gruft, Gruft“ hochgehalten.

Der Stein galt sogar als gefährdet, als potentielles Angriffsziel, wurde daher anfangs tagein, tagaus von einem einzelnen Polizisten bewacht – bis der Tagesspiegel darüber berichtete und die Wache abgezogen wurde. Der Stein blieb unbehelligt, zeigte nur über die Jahre Spuren erheblicher Verwahrlosung und die üblichen Schmierereien. Später verschwand er im Museum. Der Neubau war mit der Wiedervereinigung hinfällig geworden, Kohl hatte für das Areal größere Pläne, zumal das Museum für Deutsche Geschichte Unter den Linden nun für das neue DHM verfügbar war.

Seine Lieblingsplätze?

Kohls Lieblingsplätze in Berlin, der Stadt, die für deutsche Politiker „eine zweite Heimat“ sein müsse, wie er in den Anfangsjahren seiner Kanzlerschaft gesagt hat? Sicher gehörte der Zoo dazu, den er oft besuchte. Und gerne dinierte er im Wilmersdorfer Restaurant „La Cascina“, wählte mit Vorliebe Spaghetti Carbonara als ersten Hauptgang, bevorzugte beim Fisch Calamari und hatte auch bei den Getränken seinen besonderen Stil: Eine Flasche Wein, dazu Wasser – nach Kohlschem Gusto gemischt.

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