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Videochats mit Sprachlernprofis sind das Besondere, das die Online-Schule Chatterbug zu bieten hat.

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Sprachen lernen per Video-App: Wie man mit Chatterbug digital multilingual wird

Aus dem Silicon Valley nach Prenzlauer Berg: Scott Chacon gründete eine Sprachlernschule der besonderen Art. Mit Chatterbug lässt sich per Videochat lernen.

Wenn Scott Chacon von seinem neuen Büro in der Schönhauser Allee aus dem Fenster schaut, sieht er direkt den berühmten „Konnopke’s Imbiss“. Der Programmierer und Unternehmer Scott Chacon hat bereits eine erfolgreiche Karriere im Silicon Valley hinter sich. Als Mitgründer hatte der US-Amerikaner maßgeblichen Anteil am Aufbau der netzbasierten Entwicklerplattform GitHub.

Nun also Prenzlauer Berg. Im Jahr 2016 hat Chacon GitHub verlassen, das Unternehmen gehört inzwischen zu Microsoft. Chacon hat Chatterbug mitgegründet, eine Plattform für das Sprachenlernen. Nun will er den Markt in Deutschland, Österreich und der Schweiz erobern.

Wie bei anderen Softwareangeboten auch, können die Nutzer bei Chatterbug Vokabeln lernen und Grammatikübungen machen. Doch der eigentliche Clou sind Videochats, in denen sich die Nutzer eins zu eins mit Sprachprofis unterhalten. Von Anfang an stehe hier das Sprechen im Mittelpunkt. Denn Chacon ist überzeugt: Das sei der Schlüssel zum Sprachenlernen. „Wenn die Leute sich wohlfühlen in einer Konversation, dann lernen sie schnell“, sagt er.

Über die Chatterbug-Oberfläche kann man einen Termin buchen für einen Videochat mit einem Tutor. Das kann ein Muttersprachler oder ein ausgebildeter Sprachenlehrer sein. Die Lehrperson arbeitet mit dem Lernenden dann zum Beispiel an der Aussprache oder stellt Alltagssituationen nach. Das kennt man auch aus Offline-Sprachkursen. „Aber dort spricht man oft mit anderen Schülern auf demselben Niveau“, sagt Chacon. Für ihn besteht der Vorteil in der direkten Interaktion mit einem erfahrenen Sprecher.

In den ersten Jahren konnten die Nutzer nur eine Sprache lernen: Deutsch. Zielgruppe sei die große Community von Expats gewesen, die in Berlin lebt und arbeitet. „Am Anfang dachte ich, unsere Kunden würden vor allem Amerikaner sein, die Deutsch lernen. Aber es stellte sich heraus, dass viele Amerikaner gar nicht so interessiert daran sind, andere Sprachen zu lernen“, sagt er und schmunzelt dabei. Der Anspruch von Chatterbug sei es, die Lernenden bis in die Ebene der Fortgeschrittenen zu begleiten. Jetzt bietet die Plattform auch Französisch und Spanisch an.

Chatterbug zahlt den Schülern Prüfungen

Wer Sprachkenntnisse in einem professionellen Rahmen nachweisen muss, benötigt ein Sprachzertifikat. Diese Zertifikate werden nach dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) vergeben. Die niedrigste der insgesamt sechs Stufen ist A1 für Schüler, die einfache Sätze und Alltagsvokabeln verwenden können. Wer praktisch alles verstehen kann, befindet sich auf der höchsten Ebene C2. Prüfungen für Deutsch nimmt zum Beispiel das Goethe-Institut ab, für Französisch das Institut Francais.

Chatterbug zahlt den Schülern diese Prüfung, die Schüler stellen dem Unternehmen im Gegenzug ihre Ergebnisse zur Verfügung. Mit diesen Daten verbessere Chatterbug das System, erklärt Chacon. Je nachdem wie schnell die Schüler vorankommen möchten, können sie sich eigene Lernziele setzen. Zum Beispiel kann man an einem oder an fünf Tagen in der Woche für jeweils zwei Stunden üben, um zu einem bestimmten Zeitpunkt das Level A2 zu erreichen.

Chatterbug-Gründer Scott Chacon in seinem Büro in der Schönhauser Allee.
Chatterbug-Gründer Scott Chacon in seinem Büro in der Schönhauser Allee.

© Christoph M. Kluge

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Es gibt verschiedene Vertragsmodelle, die alle auf einem monatlichen Beitrag beruhen. Eine Session im Monat kostet 20 Euro, für 400 Euro können Nutzer so viele Sessions belegen wie sie wollen. „Etwa ein Drittel unserer Schüler hat 31 Sessions pro Monat, also jeden Tag eine“, sagt Chacon. Der menschliche Austausch sei entscheidend, glaubt er. Deshalb sei es auch nicht so einfach, den Lernpartner durch eine Künstliche Intelligenz zu ersetzen. Folgerichtig sieht der Unternehmer weniger Apps wie Babbel oder Duolingo als Wettbewerb, sondern die Sprachschulen und –kurse in der realen Welt.

Während des Shutdowns zu Beginn der Coronakrise meldeten sich viele neue Nutzer an, die einen Ersatz für ausgefallene Kurse gesucht hatten. „Unser System behält die Didaktik und die Lernstrategien im Blick“, sagt Chacon. Die Software zeige den Tutoren den Lernfortschritt des Lernenden, so dass sich beide ganz auf das Sprechen und Übern konzentrieren könnten. Die Tutoren arbeiten mit einem Curriculum, das im Unternehmen von zertifizierten Sprachlehrern konzipiert worden ist.

Chatterbug hat 32 Beschäftigte, sagt der Geschäftsführer, etwa die Hälfte seien Lehrer, die die Inhalte erarbeiten. Die andere Hälfte bestehe aus Programmierern, die die technische Seite des Systems weiterentwickelten.

Lerner können sich die Lehrer suchen, mit denen sie am besten vorankommen

Die Tutoren seien in der Regel freiberuflich tätig. Sie hätten ganz unterschiedliche Hintergründe, was für den Nutzer von Vorteil sei. „Es macht einen Unterschied, ob ich mit Berlinern spreche oder mit jemandem, der einen bayrischen Akzent hat.“ Manche Schüler lernten besser von Muttersprachlern, die eher ein Gefühl für die Sprache haben und die feinen Unterschiede hören. Für andere sei es günstiger, mit jemandem zu sprechen, der selbst einmal durch den Lernprozess gegangen ist, und ihre Schwierigkeiten aus erster Hand kenne.

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„Viel hängt auch von der Persönlichkeit ab“, sagt Chacon. Ein strenger Lehrer könne zum Beispiel den einen Schüler motivieren, einen anderen aber frustrieren. Deshalb könne sich die Nutzer aus den verfügbaren Lehrpersonen die aussuchen, mit denen sie am besten vorankommen, und jederzeit zwischen ihnen wechseln. „Wir wollen, dass die Leute angenehme Erlebnisse haben“, sagt Chacon. Ein Erfolg könne zum Beispiel eine Unterhaltung sein, nach der man denkt: Das hätte ich vor einigen Monaten noch nicht gekonnt.

Seit Anfang 2020 lebt Scott Chacon in Berlin. Vor Kurzem sei er bei einer Hochzeit gewesen, erzählt er, bei der seine Ehefrau Trauzeugin war. Alle Anwesenden hätten miteinander Deutsch gesprochen, auch Chacon, der über ein B2-Zertifikat verfügt. Das bedeutet laut GER-Richtlinien, dass er in der Lage ist, spontane und fließende Gespräche mit Muttersprachlern zu führen. „Sprachen öffnen Türen und verändern das Leben“, sagt er. Sie eröffneten Zugang zu Kulturen und neue Möglichkeiten für die Selbstentfaltung.

Die Arbeit unterscheide sich stark von der bei GitHub. Zu Beginn habe er ebenso wie seine Mitgründer vor allem auf Effizienz geachtet, schnelle und reibungslose Abläufe generieren wollen. Das sei zwar wichtig. „Aber wir haben schnell gemerkt: Entscheidend für die Leute sind die menschlichen Verbindungen.“

Ein wesentlicher Unterschied zu seinem alten Job bei Github sei, dass er nun mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Während sich die Programmiererplattform an eine eher kleine Zielgruppe richtete, seien Sprachen für viele Menschen interessant. Das habe auch einen anderen Vorteil: „Früher war es relativ schwierig, meinen Eltern zu erklären, was wir bei Github eigentlich machten.“ Nun wissen sie, dass der Sohn eine Sprachschule in Berlin leitet.

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