zum Hauptinhalt
Fußball ist ein rauer Sport. Beim FV Wannsee am Sonntag eskalierte die Situation.

© imago sportfotodienst

Spielabbruch in Wannsee: Kickers 1900 melden ganze Fußball-Mannschaft ab

Bei einem Kreisliga-Spiel rasten vor allem Spieler von Kickers 1900 aus. Das Spiel wird abgebrochen, die Kickers melden ihre Mannschaft vom Spielbetrieb ab.

Als ihm ein Ball aus kurzer Entfernung ins Gesicht knallte, hatte der Schiedsrichter endgültig genug. Jetzt war Schluss, jetzt brach er das Spiel ab. Das Spiel am Sonntag zwischen dem FV Wannsee I und Kickers 1900 II in der Fußball-Kreisliga A dauerte nur 80 Minuten. Aber in diesen 80 Minuten gab es drei Rote Karten gegen die Kickers, einen Wannsee-Spieler, dem eine Faust ins Gesicht gerammt wurde, einen Schiedsrichter, dem ein Kickers-Spieler den Ball ins Gesicht schleuderte, und vier Polizisten, die auf dem Platz des FV Wannsee das Ganze wieder beruhigten.

Mal wieder ein Spielabbruch im Fußball, aber dieser ist von der besonderen Art. Denn die Kickers, beheimatet in Schöneberg, ziehen Konsequenzen. „Ich habe die Mannschaft mit sofortiger Wirkung vom Spielbetrieb für diese Saison abgemeldet“, sagt Ilahn Uzun, der Trainer der Zweiten Mannschaft der Kickers, gegenüber dem Tagesspiegel. „Ich möchte meine Jungs schützen, aber es ist auch eine Geste des Respekts gegenüber der kommenden Gegnern.“

Er möchte nicht, dass sich da wieder etwas hochschaukelt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Die Personaldecke des Teams ist dünn, durch die drei Roten Karten wäre es sowieso fraglich, ob die Kickers überhaupt noch eine Mannschaft zusammen bekommen würden. Uzun selber zieht auch Konsequenzen. "Ich trete zurück, aus persönlichen Gründen." Auch das dürfte wohl nur die halbe Wahrheit sein. Uzun ist auch frustriert, "weil der Verein unsere Mannschaft sowieso nicht gut unterstützt".

Uzun gibt durchaus zu, dass Kickers-Spieler „Scheiße gebaut haben“. Und ja, "wie sich meine Spieler benommen haben, war peinlich". Er räumt auch ein, dass ein Spieler seines Teams dem Schiedsrichter den Ball an den Kopf geschmissen hat, "das "akzeptiere ich auch nicht". Aber Uzun sagt ebenfalls, „dass zu solchen Streitereien immer zwei gehören“. An der Randale seien beide Mannschaften beteiligt gewesen. Auf keinen Fall treffe die Kickers allein die Schuld. "Wir sind keine Schlägertruppe." Und weshalb nun überhaupt die ganz mediale Aufregung? "Das sind doch alles Lappalien. Da draußen laufen Kinderschänder frei herum. Das ist doch viel schlimmer."

"Wir sind keine Schlägertruppe"

Lappalien? Ein Nasenbein-Bruch? Prügeleien? Ein Schiedsrichter, der von einem Spieler den Ball ins Gesicht bekommt?

Soweit, das denkt auch Uzun, hätte es aber gar nicht kommen müssen. "Ich kann mir gar nicht erklären, weshalb das Ganze so eskaliert ist."

Das kann sich Helmut Brückner, der Geschäftsführer des FV Wannsee, Zuschauer des Spiels, auch nicht. „Da spielte der Fünfte gegen den Achten, für beide Mannschaften ging es um nichts mehr.“ Trotzdem, Kickers-Spieler hätten die Gastgeber schon bald auf dem Platz übel beleidigt. Ein dunkelhäutiger Spieler des FV Wannsee sei als „Bananenfresser“ bezeichnet worden. Verbale Attacken erstmal.

Die Steigerung kam in der zweiten Halbzeit. Da spielte sich jene Szene ab, mit der letztlich alles begann. Ein Wannsee-Spieler foulte einen Akteur der Gäste, der Kickers-Spieler, sagt Brückner, „stand wieder auf und hat sofort zugeschlagen“. Volltreffer, die Nase des Getroffenen sei gebrochen. „Der stellt Anzeige wegen Körperverletzung.“

„Ich wollte die Polizei rufen“

Danach gab es eine wilde Rudelbildung, der Schiedsrichter unterbrach das Spiel. Nach ein paar Minuten ging es weiter, und zwar in jeglicher Form genau gesagt. Mit dem Spiel und mit den Aggressionen. Ein Kickers-Spieler foulte einen Gegenspieler rabiat, der Schiedsrichter zeigte Rot, Sekunden später hielt er sich das brennende Gesicht, weil er den Ball abbekommen hatte.

Seine nächste Entscheidung: Spielabbruch.

Die folgenden Szenen verliefen erwartungsgemäß. Geschrei, Aufregung, Aggressionen. Helmut Brückner hatte sein Handy in der Hand. „Ich wollte die Polizei rufen“, sagt er. „Aber dann kam jemand von den Kickers auf mich zu und schrie: Wenn Du die Polizei holst, mache ich Dich fertig.“ Er sei ins Casino geflüchtet, um in Ruhe telefonieren zu können. Die Ordnungsmacht rückte dann mit zwei Wagen und vier Polizisten an. „Der Schiedsrichter saß eine Stunde bei mir im Casino, damit er in Ruhe und unbehelligt nach Hause fahren konnte“, sagt Brückner.

Kickers-Coach Uzun nimmt dagegen Wannsee-Spieler in die Mitverantwortung. Die hätten provoziert, auch deshalb sei das Ganze eskaliert. Und ja, es habe Sprüche auf dem Platz gegeben, aber von beiden Seiten, Sprüche, wie sie halt im Fußball üblich seien. Und Brückner habe den Schiedsrichter bedrängt, die Polizei zu rufen. Aus Sicht des Kickers-Trainers war dieser Hilferuf gar nicht nötig. Auf keinen Fall aber, betont Uzun, habe jemand von der Kickers den Geschäftsführer Brückner bedroht und gesagt, er werde fertig gemacht, wenn er die Polizei rufe.

Das Spiel hatte laut Kickers-Trainer harmonisch begonnen

Überhaupt, er, Uzun, verstehe das alles gar nicht. Das Spiel habe harmonisch begonnen, der Wannsee-Trainer sei sehr nett und hilfsbereit gewesen. Eigentlich kein Hinweis darauf, dass das Spiel so aus dem Ruder laufen könne. „Ich lege meine Hand ins Feuer, dass meine Jungs sonst nicht so sind und dass dies eine absolute Ausnahme war.“ Und weshalb nun überhaupt die ganz mediale Aufregung? "Das sind doch alles Lappalien. Da draußen laufen Kinderschänder frei herum. Das ist doch viel schlimmer." Ein schräger Vergleich.

Aber auf Nummer sicher geht er jetzt trotzdem. Der Verein unterstütze sein Team ohnehin nur unzureichend, sagt der Coach, und ein Risiko will er jetzt auch nicht mehr eingehen. Also beenden die Kickers nicht bloß das Spiel gegen Wannsee vorzeitig, sondern auch ihre Saison. Aber im Gegensatz zum Sonntag kommt dieser Schlusspunkt freiwillig.

Lesen Sie mehr aus Ihrem Bezirk: Den neuen Tagesspiegel-Newsletter aus Steglitz-Zehlendorf schicken wir Ihnen am Donnerstag zu. Über Gewalt auf dem Fußballplatz haben wir neulich erst im Tagesspiegel-Newsletter für Tempelhof-Schöneberg berichtet - es gab hohe Strafen für prügelnde Spieler. Hier finden Sie den Text als Leseprobe. Zur kostenlosen und unkomplizierten Bestellung geht es ganz einfach unter diesem Tagesspiegel-Link: leute.tagesspiegel.de.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false