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Zukunft ungewiss. Sawsan Chebli (rechts), aber auch Franziska Giffey und Kevin Kühnert basteln an ihrer weiteren politischen Karriere.

© picture alliance / Kay Nietfeld/

SPD-Politiker bringen sich in Stellung: Welche Berliner Genossen wollen in den Bundestag?

Chebli, Müller, Giffey, Kühnert, Böhning und weitere SPDler schielen auf ein Bundestagsmandat. Nur wenige dürften eines ergattern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ob die Große Koalition im Bund das verflixte Jahr 2019 übersteht, ist ungewiss. Viele Berliner Sozialdemokraten fänden es gut, wenn das ungeliebte Regierungsbündnis so schnell wie möglich in die Brüche ginge. Aber es gibt auch Genossen, deren weitere Lebensplanung davon abhängt, wann die nächste Bundestagswahl stattfindet. Sie wollen ihr Mandat behalten oder neu erobern – und bringen sich vorsichtshalber schon einmal in Stellung.

So wirbt Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales, gleichzeitig Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, um innerparteiliche Unterstützung für einen aussichtsreichen Platz auf der SPD-Landesliste für die nächste Bundestagswahl. Außerdem hält sie mit diskretem Charme Ausschau nach einem Wahlkreis. Nicht nur in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo Chebli als einfaches Mitglied organisiert ist und mit fünf Einsätzen an Straßenständen vor der Europawahl ihre Wahlkampfqualitäten bereits tatkräftig demonstriert hat.

Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales.
Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales.

© imago images / Metodi Popow

Im SPD-Landesverband wird von verschiedener Seite ebenfalls kolportiert, dass die selbstbewusste Staatssekretärin, ehemals Vize-Sprecherin im Auswärtigen Amt, auch den Vorsitz des SPD-Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf anstrebt. Zumindest im Rahmen einer bezirklichen Doppelspitze. Denn im Frühjahr 2020 wird der Kreischef Christian Gaebler, seit 1996 im Amt, nicht mehr antreten. Cheblis Pläne haben sich längst bis zum SPD-Landeschef und Regierenden Bürgermeister Michael Müller herumgesprochen. Unterstützung für seine umtriebige und ehrgeizige Staatssekretärin signalisiert er bisher nicht.

Wer führt die SPD-Landesliste an?

Das hat aber nichts damit zu tun, dass Müller selbst einen vorderen Listenplatz für die nächste Bundestagswahl anstreben könnte. Denn schließlich gibt es in der SPD säuberlich getrennte Frauen- und Männerplätze, die bei den Nominierungen im Reißverschlussverfahren besetzt werden. Falls Müller darauf verzichten sollte, bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 noch einmal als SPD-Spitzenkandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters anzutreten, wird ihm wohl niemand den Platz 2 auf der Berliner Bundestagsliste streitig machen. Momentan traut sich im SPD-Landesverband aber kein Funktionär zu, Müllers künftigen Entscheidungsprozesse auch nur annähernd vorherzusagen.

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Und wer führt die SPD-Landesliste an? Gäbe es da nicht einen Doktortitel, der möglicherweise aberkannt wird, fiele die Antwort leicht: Franziska Giffey. Die frühere Neuköllner Bürgermeisterin, jetzt Bundesfamilienministerin mit gutem Ruf, hätte normalerweise jetzt schon die Nominierung für den Spitzenplatz sicher. Doch angesichts der schwierigen Umstände, die Giffey im ungünstigen Fall sogar das Ministeramt kosten können, warten die Berliner Genossen erst einmal ab, was in den nächsten Wochen passiert.

Es gibt auch noch eine zweite Variante, die in Parteikreisen diskutiert wird: Giffey könnte sich von der Brandenburger SPD für den Bundestag nominieren lassen – und statt der SPD-Spitzenkandidatur in Berlin ein Ministeramt in Potsdam erhalten. Jedenfalls dann, wenn die brandenburgischen Sozialdemokraten nach der Landtagswahl im September in der Regierung bleiben. Berliner Genossen, die Giffey sehr schätzen, vertreten sogar die Meinung, dass die gebürtige Brandenburgerin mental und politisch viel besser nach Potsdam passe.

Es wird eng für einige Genossen

Ein anderer prominenter SPD-Politiker ist sich seiner Sache offenbar schon sicher. Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert peilt eine Wahlkreiskandidatur in Tempelhof-Schöneberg an – und könnte mit einer Nominierung auf dem vierten Platz der SPD-Landesliste für den Bundestag rechnen. Momentan sind die Berliner Sozialdemokraten mit fünf Abgeordneten im Bundesparlament vertreten. Im Lichte der Umfragen muss die Hauptstadt-SPD nach der nächsten Wahl mit vier, schlimmstenfalls drei Mandaten auskommen. Es wird eng, auch für Kühnert.

Zumal die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe, Mitglied des SPD-Landesvorstands, als gesetzt gilt. Und die Vize-Fraktionschefin der SPD im Bundestag, Eva Högl, die in Berlin den Kreisverband Mitte führt, denkt auch nicht ans Aufhören. Obwohl die Unterstützung im SPD-Landesverband merklich geschwunden ist – sie wird kämpfen müssen. Bei den Männern gibt es ebenfalls großes Gedränge. Zwar hat der Spandauer Bundestagsabgeordnete Swen Schulz schon 2018 seinen Rückzug angekündigt. Aber es gibt Genossen, die fest davon überzeugt sind, diese Lücke füllen zu können.

Zu denen, die ihre Chancen bereits sondieren, gehört Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Der frühere Chef der Berliner Senatskanzlei strebte schon 2009 erfolglos einen Sitz im Bundestag an. Es sieht ganz so aus, als wenn Böhning auch bei der nächsten Bundestagswahl leer ausgehen wird – jedenfalls in seinem heimatlichen SPD-Landesverband.

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