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Michael Müller hat nur noch etwas die Hälfte der Partei hinter sich. Für die Zukunft der Partei kann er damit nicht mehr stehen.

© imago images/IPON

SPD-Landesparteitag in Berlin: Chef ohne Zukunft

Michael Müller wurde in Sachen Enteignungen nicht blamiert, doch die Zeit läuft gegen ihn. Die Versöhnung, die er sucht, ist nicht in Sicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Er ist die Gegenwart, aber nicht die Zukunft der Berliner SPD. Michael Müller, der sich auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten als Stimme der Vernunft präsentierte, hat sich im innerparteilichen Streit um die Enteignung von Immobilienkonzernen am Sonnabend zwar durchgesetzt, aber der Regierungs- und SPD-Landeschef steht an der Spitze eines Landesverbands, der politisch tief gespalten ist und deutlich erkennbar in eine Richtung strebt, die mit Müller nicht mehr viel zu tun hat.

Es ging am Sonnabend um die Frage, ob sich die Sozialdemokraten an einer gesetzlich erzwungenen Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände aktiv beteiligen wollen. Dafür fand sich auf dem Parteitag keine Mehrheit, stattdessen hat eine starke Minderheit in der Debatte deutlich die Sehnsucht artikuliert, dem Kapitalismus die Zähne zu zeigen.

Junge Genossen ticken links

Es gibt in der Hauptstadt-SPD eine entschiedene Linke, darunter viele junge Genossen, die den demokratischen Sozialismus nicht nur in Grundsatzprogrammen der eigenen Partei lesen wollen. Sie meinen es ernst. Sie werden nicht nachlassen, die Landes-SPD so zu transformieren, dass sie erkennbar antikapitalistisch wird.

Denn es ist mächtig Dampf im Kessel, nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der SPD. Die kunterbunte Stadtgesellschaft ist nicht nur wegen des Mietendeckels mächtig in Bewegung geraten. Letztlich geht es um die Frage, welcher politischen und rechtlichen Instrumente es bedarf, um eine Millionenstadt wie Berlin in sozialer Balance zu halten. Oder sie wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, das längst verloren ist. Bezahlbare Wohnungen, gleiche Bildungschancen und Mobilität für alle, das sind große Ziele, die nicht nur auf den Fahnen der Sozialdemokratie stehen. Und die Wege dorthin sind schwer umkämpft.

Wer die Bürger in solchen Zeiten hinter sich bringen will, braucht klare Forderungen und eine klare Sprache. Eine Regierungspartei, die bei zentralen Themen gern fifty-fifty abstimmt oder erst so und dann doch wieder anders votiert, kann auf Dauer nicht ernst genommen werden. Die Berliner SPD ist nicht nur in der Enteignungsfrage weit davon entfernt, die gesellschaftliche Diskussion zu bestimmen und verlorene Wähler wieder für sich gewinnen zu können. Politische Hegemonie sieht anders aus.

Die große Versöhnung wird es nicht geben

Es ist ehrenwert und vernünftig, wenn der SPD-Landeschef Müller die Genossen auf einen „eigenen Weg“ einschwören will, um möglichst alle gesellschaftlichen Akteure in der Stadt mitzunehmen. Allerdings bleibt dieser Appell wertlos, wenn dem Parteivorsitzenden auf diesem Weg nur die Hälfte der eigenen Leute folgt. Abgesehen davon dürfte es illusorisch sein, in dieser aufgeheizten Stimmung in der Stadt eine große Versöhnung hinzubekommen. Beim Thema Mieten funktioniert dies auf keinen Fall.

Mit ihrem Beschluss, ein bisschen Sympathie für die Enteignung böser Immobilienkonzerne zu zeigen, aber den Kampf auf der Straße in Form eines radikalen Volksbegehrens den anderen zu überlassen, haben sich die Hauptstadt-Sozialdemokraten nur eine Atempause verschafft. Sie werden noch Stellung beziehen müssen, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, sobald die Volksabstimmung in die nächste Phase geht – und unweigerlich neuen Druck entfalten wird. Es ist schwer vorstellbar, dass Müller in dieser Auseinandersetzung künftig noch eine tragende Rolle spielen wird.

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