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Berliner Wohnungen - noch ungedeckelt.

© dpa

SPD-Abgeordnete fordert Nachbesserung: So könnte der Mietendeckel Geringverdienern helfen

Was es braucht, ist ein Mietendeckel nicht nur für fünf Jahre. Dafür plädieren eine SPD-Politikerin und ein Berliner Ökonom in einem Gastbeitrag.

- Cansel Kiziltepe ist Berliner Bundestagsabgeordnete und Vize-Kreisvorsitzende der SPD Friedrichshain-Kreuzberg. Den Gastbeitrag hat sie gemeinsam mit dem Berliner Ökonomen und Finanzwissenschaftler Birger Scholz verfasst.

Wenn am 30. Januar der Mietendeckel im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen wird, ist das in erster Linie ein Erfolg der Bewegung der Mieterinnen und Mieter und des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung großer Immobilienunternehmen. Ohne diesen außerparlamentarischen Druck wären SPD, Linke und Grüne wohl kaum mutig genug gewesen, sich den Ansatz einer öffentlich-rechtlichen Mietpreisregulierung zu eigen zu machen und im Eiltempo in Gesetzesform zu gießen.

Doch nach Verabschiedung des Deckels warten die Mühen der Ebene. Bereits jetzt ist absehbar, dass nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Doch ohne ausreichend Neubau wird eine Verlängerung des Mietendeckels unumgänglich. Andernfalls entlüde sich der Verdrängungsdruck nach fünf Jahren umso heftiger. Ohne Zweifel wird das Mietenthema den Wahlkampf im Jahr 2021 bestimmen.

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Im Fokus der Debatte um den Mietendeckel steht die vorgesehene Absenkung bei Neuvermietung. Im Altbaubestand in zentralen Lagen liegen die Angebotsmieten derzeit meist weit über 15 Euro pro Quadratmeter. Der neue Mietendeckel würde den Quadratmeterpreis bei einer Neuvermietung unabhängig von Ausstattung und Lage auf 6,45 Euro drücken. Kritiker wenden ein, dass besonders Besserverdiener den Zuschlag für die begehrten Wohnungen bekämen. Deswegen wird der Mietendeckel die zunehmende Segregation nicht stoppen können.

Der Ankauf von Wohnungen ist richtig, aber finanziell problematisch

Helfen könnten vor allem mehr städtische und genossenschaftlichen Wohnungen in zentralen Lagen. Ein Blick nach Wien zeigt: In der österreichischen Hauptstadt ist der städtische und genossenschaftliche Wohnungsbestand auch in zentralen Lagen hinreichend groß, so dass breite Schichten Zugang zu den günstigen Wohnungen haben. Die soziale Mischung und Inklusion, die in vielen Berliner Kiezen bereits verloren gegangen ist, kann so bewahrt werden.

Keine Frage: Die Berliner Politik trägt mit ihrer Veräußerungspolitik nach der Wiedervereinigung eine große Mitschuld. Daher steht sie auch in besonderer Verantwortung, wirkungsvoll gegenzusteuern.

Eine Möglichkeit zur Wiederherstellung einer sozialen Mischung ist der Ankauf von Bestandswohnungen. Es darf aber bezweifelt werden, ob dies ausreichen wird, um eine hinreichende Mischung im Altbaubestand herzustellen. Die Schuldenbremse lässt den kreditfinanzierten Ankauf von Wohnungen über rechtlich selbstständige Landesbeteiligungen zwar zu, doch stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.

Im Unterschied zur Vergesellschaftung durch Entschädigung unter Marktwert werden beim Ankauf mittels Vorkaufsrecht gegenwärtig spekulativ überhöhte Preise aufgerufen und bezahlt.

Ein Aufschlag von zehn Prozent für die privaten Eigentümer

Wir schlagen daher eine Weiterentwicklung des Instruments der Belegungsbindungen vor. Wurden Wohnungen bisher mit öffentlichen Mitteln gefördert, so wurde der Vermieter verpflichtet, die Wohnung für eine gewisse Zeit nur an Personen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten.

Der Kauf von Belegungsbindungen im Bestand wäre ohne Mietendeckel aber unverhältnismäßig teuer. Berlin müsste die jeweilige Angebotsmiete auf ein leistbares Niveau absenken und zusätzlich einen Gewinnaufschlag zahlen, damit der Eigentümer einwilligt.

Erst durch Einführung von Höchstmieten würden Belegungsbindungen im Altbau attraktiv, da nur noch ein Aufschlag auf die zulässige Höchstmiete nötig wäre. Der Eigentümer erhielte also eine Subvention dafür, dass nur WBS-Bezieher einziehen dürfen.

Bezahlbarer Wohnraum für Geringverdiener

Solange die Vermieter hoffen können, dass der Berliner Mietendeckel höchstrichterlich kassiert wird, ist dieser Vorschlag Zukunftsmusik. Sollte der Mietendeckel aber langfristig juristisch und politisch Bestand haben, werden viele Vermieter ins Grübeln kommen.

Die Neuinterpretation von Belegungsrechten würde es ermöglichen, bezahlbare Wohnungen für Geringverdienende gerade dort verfügbar zu machen, wo beleggebundener Neubau kaum stattfinden kann. Der Preis des Belegungsrechts könnte am Markt durch ein Ausschreibungsmodell bestimmt werden. Das wirtschaftlichste Angebot bekäme den Zuschlag. Die Kosten für den sukzessiven Ankauf von 100.000 Belegungsbindungen im Altbau wären vermutlich sehr überschaubar.

Klar ist aber auch: Belegungsrechte sind keinesfalls ein Ersatz für den dringend nötigen Neubau durch Landesgesellschaften und Genossenschaften, sondern eine nötige Ergänzung des Mietendeckels.

Cansel Kiziltepe, Birger Scholz

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