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Hamid Nosrati in seinem Friseurladen in der Kantstraße.

© Doris Spiekermann-Klaas

Spaziergang mit Hamid Nosrati: „Ich lebe in meiner eigenen Welt!“

Der Friseur Hamid Nosrati ist in seinem Bezirk eine bekannte Größe. Seit zehn Jahren betreibt er hier seinen ausgefallenen Salon.

Auf diesem Teil der Kantstraße reihen sich Sportwettenbüros an Telefonläden. Nagelsalons weisen mit blinkenden LED-Anzeigen auf „Pretty Nails“ hin. Dazwischen Restaurants. Hier befindet sich auch der Friseursalon von Hamid Nosrati.

Von außen relativ unscheinbar und weniger Aufmerksamkeit erregend als die Nachbargeschäfte, steht an der Fassade einfach nur „Salon Hamid Nosrati“ in roter Schrift auf schwarzem Hintergrund. Inhaber Hamid Nosrati steht in diesem Moment hinter einer Kundin. Er dreht die Haare der Mittzwanzigerin kunstvoll auf Rundbürsten, mit einer schwungvollen Bewegung holt er den Föhn und drückt den Startknopf.

Den Föhn hört man jedoch nicht, denn Hamid hat die Musik aufgedreht. Durch den Laden schallt R-’n’-B-Musik im Dance-Remix, die den Friseursalon und die Bushaltestelle Kaiser-Friedrich-Straße direkt davor in Strandbar-Stimmung hüllt.

Bei leiser Musik sorgen sich die Nachbarn

„Die Leute mögen das, es ist ja auch langweilig, da nur auf den Bus zu warten“, sagt Hamid Nosrati sanft. Wenn er mal keine oder nur sehr leise Musik spielt, kämen Nachbarn vorbei, um zu fragen, was denn bei ihm los ist. Er ist bekannt im Kiez – wegen seiner Arbeit, seiner Energie, sagt er. 2012 machte er bei der Castingshow „Das Supertalent“ mit, führte Dieter Bohlen einen Bauchtanz vor – aber darüber möchte er heute nicht mehr sprechen.

Nosrati dreht jetzt die letzte Rundbürste in das Haar der Kundin, sie bezahlt an der mit Pailletten besetzten Kasse. Jeden Morgen radelt der Friseur die zweieinhalb Kilometer von seiner Wohnung am Fehrbelliner Platz zum Salon. Waschen, Schneiden, Föhnen gibt es hier ab 35 Euro.

Alles in diesem Salon ist auffällig – von den Sitzkissen mit MarilynMonroe-Aufdruck über die Weihnachtsdekoration in der Ecke bis zur männlichen Schaufensterpuppe, die eine Langhaarperücke und ein Hüfttuch zum Bauchtanzen trägt. Auf einem großen gerahmten Porträtfoto über dem Kassentisch ist Nosrati oberkörperfrei und im Kurzhaarschnitt abgelichtet. Heute trägt er die Haare lang und schwarz, streicht sie ab und an zurecht. Er schreibt eine Abwesenheitsnotiz auf einen Zettel.

Glitzer-Baseballcap auf den Kopf, Bauchtasche im Leopardenmuster umhängen, ein breites Lächeln aufsetzen und die Musik noch mal laut drehen – dann schließt Nosrati die Salontür hinter sich. Es geht los zu seinem Lieblingscafé im Kiez, dem „Kaffee Einstein“, fünf Minuten die Kantstraße entlang, direkt am U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße. Angekommen im Café, bestellt Nosrati einen Cappuccino und schüttet ein Zuckerpäckchen in den Becher.

Von der Kunst, über die Haare zu fliegen

Es ist bereits sein vierter Salon, davor war Hamid Nosrati acht Jahre am Nollendorfplatz und in Neukölln. Sein erster eigener Salon war in der Nähe vom Schloss Charlottenburg. Dazwischen war er zwei Jahre auf Palma de Mallorca, lernte Stars und Sternchen kennen – Schlagersänger Costa Cordalis und die Sängerin von Loona zum Beispiel. Reality-TV-Darstellerin Kader Loth sei eine gute Freundin von ihm, erzählt er.

Sein Alter verrät Nosrati nicht: „Meine Mutter sagte, das gehört sich nicht“, sagt der Friseur lächelnd. Geboren wurde er in Teheran. Dort hatte seine Mutter einen Salon, frisierte bis spätabends. Wenn Nosrati sie sehen wollte, ging er zu ihr in den Laden. Von seiner Mutter lernte er auch eine spezielle Schneidetechnik: „Ich fliege über die Haare“, sagt Nosrati lachend und breitet seine Hände in der Luft aus, „wie mit einem Teppich unter mir.“

Von Teheran nach Berlin kam er aber im Flugzeug. Aus politischen Gründen? Nosrati schüttelt den Kopf. Er wollte einfach immer nach Europa. Nosrati landete 1986 im West-Berlin der achtziger Jahre: „Es war göttlich hier“, sagt der Friseur, während seine Augen glänzen. Die U-Bahn, das Nachtleben, die ganze Stadt habe ihn eingenommen.

Es geht weiter auf der Wilmersdorfer Straße, in die Wilmersdorfer Arcaden. Hier kauft Nosrati gern bei „New Yorker“. Auch mal Damenoberteile, solange es gefällt: „Männerkleidung ist immer dasselbe und ich brauche einfach Design“ sagt Nosrati mit Nachdruck in der sonst leisen Stimme. Dass er heute ein schwarzes T-Shirt trägt: Zufall, eigentlich mag Nosrati es ausgefallen, wild gemustert und glitzernd. Er hätte auch Modedesigner werden können, sagt der Friseur.

Nosratis Kundschaft sei ähnlich gemischt wie das Publikum in dem Einkaufscenter hier. Zu ihm in den Salon kämen Anwälte, Bäckereiverkäuferinnen, Schauspieler. „Dieser Kiez ist sehr international und harmonisch“, findet Nosrati. Über die Jahre habe es hier immer ein multikulturelles Miteinander statt ein Gegeneinander gegeben.

Eine Welt voller Licht

Aus den Arcaden geht es wieder auf die Wilmersdorfer Straße, Nosrati muss zurück zum Salon. Auf dem Weg wird er von einer Spendensammlerin angesprochen. „Ach, komm erst mal her, du!“, sagt Nosrati und nimmt die junge Frau in den Arm. Zum Abschied greift er der Spendensammlerin ins Haar: „Komm doch mal in meinen Salon!“ Sie nickt, Nosrati geht hüpfend weiter Richtung Kantstraße.

„Ich lebe in meiner eigenen Welt“, ruft der Friseur und dreht sich auf der Wilmersdorfer Straße noch einmal um die eigene Achse, bleibt in einer Pose stehen: „und die ist voller Licht.“ Deswegen habe er damals auch die Ladenfläche in der Kantstraße gekauft, der Standort habe tagsüber immer Sonne. Irgendwann mal will Nosrati am Meer leben, jetzt geht erst mal seine Schicht im Salon weiter. Dort angekommen, empfängt ihn immerhin schon die Strandbar-Musik.

In unserer Reihe "Eine Runde Berlin - Streifzüge durch die Kieze" bereits erschienen: Mit Autorin Jana Hensel in Prenzlauer Berg und am Fernsehturm. Mit Sängerin Inga Humpe am Spree-Ufer in Mitte. Mit Weltenbummlerin Heidi Hetzer im Opern-Viertel. Mit DJ Alfred Heinrichs durch Lichtenberg. Mit Lüül durch Eichkamp in Westend. Mit dem Hauptmann-Darsteller Jürgen Hilbrecht durch Köpenick. Mit Sängerin Elif durch Moabit. Mit Autorin Emilia Smechowski durch Kreuzberg.

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