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Zwischen Gladiolen und Bohnen. Anouk Mayadoux, Hafize Ayer und Alexandra Däxl im interkulturellen Garten der Villa Lützow.

© Gerd Nowakowski

Soziokulturelles Zentrum „Villa Lützow“: Initiativen bauen in einem Berliner Kiezgarten die gute Nachbarschaft

Freizeitgärtner, Eltern-Initiativen oder queere Jugendliche – zwölf Gruppen teilen sich die „Villa Lützow“ in Tiergarten-Süd.

Im interkulturellen Garten freut sich Hafize Ayer über die hochgeschossenen Bohnenpflanzen, während daneben die Gladiolen blühen. Kurz danach kommt eine weitere Gärtnerin aus dem Kiez rund um den Magdeburger Platz, um nach ihren Weinreben zu schauen. Viel los auf dem Gelände des soziokulturellen Zentrums Villa Lützow.

Am anderen Ende des Grundstücks wird beim Gartenprojekt „wachsenlassen“ ebenfalls gearbeitet, auch mehrere Kitas haben hier eine kleine Parzellen, auf denen die Kinder die Pflanzenvielfalt und das Geschwirre um die Insektenhotels erleben können. Mittendrin auf dem Gelände an der Lützowstraße in Tiergarten steht die zweistöckige „Villa Lützow“, baulich gewachsen aus einem abgeranzten 60er-Jahre Flachbau – ein Sinnbild dessen, was insgesamt auf der lange Zeit vernachlässigten Fläche seit 2010 gewachsen ist.

Zwölf verschiedene Einrichtungen und Projekte von fünf Organisationen sind auf dem bezirkseigenen Grundstück jetzt aktiv. „Hier ist immer Leben in der Bude“, sagt Koordinatorin Alexandra Däxl. Sie hat seit 2012 miterlebt, wie sich der Kiez verändert hat. Wegen der positiven Entwicklung endete vor zwei Jahren das Quartiersmanagement.

Das Viertel in der Nähe des Landwehrkanals hat sich vom früheren Problemkiez zu einem gefragten und teuren Wohnquartier entwickelt. Verschwunden sind die Probleme dadurch nicht; schwer erträglich bleibt etwa die soziale Not der Prostituierten in der Kurfürstenstraße.

Die wachsende Gefahr der sozialen Spaltung zwischen wohlhabenden Zuzüglern und Menschen, die mit steigenden Wohnungsmieten kämpfen sowie Bildungs- und Integrationsangebote benötigen, besorgt Alexandra Däxl. Sie hat für die „Villa Lützow“ die Vision eines „Begegnungsortes, wo sich unterschiedliche Lebenswelten treffen und den Kiez gemeinsam erleben“.

„Wir könnenden Menschen mit Nöten Gehör verschaffen“

„Wir können nicht alle Probleme lösen, aber den Menschen mit Nöten Gehör verschaffen“, sagt die aus Paris stammende Stadtteilkoordinatorin Anouk Mayadoux. „Wir wollen frühzeitig mitbekommen, wo es brennt.“ Sie ist Ansprechpartnerin für Anwohner:innen und hat in der Stadtteilkasse Geld für kleine Investitionen und Veranstaltungen. Däxl und sie setzen dabei auf die enge Zusammenarbeit der Einrichtungen.

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In der „Villa Lützow“ finden sich die Angebote des Familienzentrums für junge Eltern, eines Kindertreffs, der Jugendsozialarbeit oder die Angebote der Bildungsinitiative Queerformat.

Die queeren Jugendlichen haben gerade den Gartenzaun mit Kunstobjekten verschönert, darunter eine geflochtene Regenbogenflagge. Das Gartenprojekt „wachsenlassen“ begleitet den Allegro-Schulgarten, bietet Workshops für Balkongärten an, macht Kräuterführungen und hat in der Bibliothek eine Samentauschbörse für alle Anwohner eingerichtet.

Verwaltungsmitarbeiter bauen Palettenlandschaft

In Tiergarten-Süd „gibt es fast dörfliche Zusammenhänge“, hat Anouk Mayadoux festgestellt. Die Bereitschaft, für den Kiez etwas zu tun, sei sehr groß. Bei Festen „biegen sich die Tische vor Essensspenden“ und für den interkulturellen Garten sei die Nachfrage riesig.

„Ohne das große ehrenamtliche Engagement wäre es hier längst nicht so lebendig“, schwärmt Koordinatorin Alexandra Däxl, „das könnte man durch Hauptamtliche überhaupt nicht leisten.“

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Vor einigen Jahren haben die ehrenamtlich tätigen Anwohner:innen einen großen Lehmofen im Garten gebaut. Bei den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“ werden Mitarbeiter:innen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am 17. September in der „Villa Lützow“ einen Arbeitseinsatz machen.

Dann wird im Garten eine Paletten-Landschaft gebaut, mit einer kleinen Podestbühne und Sitzplätzen. Dafür mauern die Beschäftigten aus der Senatsverwaltung das Fundament, zimmern die Bänke und schleifen und streichen das Holz. „Dann können wir unkompliziert am Feuer sitzen und grillen“, freut sich Alexandra Däxl.

Entworfen und geplant hat die Paletten-Landschaft Jörg Borchardt, der die Entwicklung der „Villa Lützow“ zum vielfältigen Kiezzentrum seit 20 Jahren ehrenamtlich begleitet hat. Borchardt, der seit Jahrzehnten in der nahen Derfflingerstraße wohnt, ist Sprecher des ehrenamtlichen Stadtteil-Forums Tiergarten-Süd.

[Mehr Infos unter: kiez-zentrum-villa-luetzow.de/aktuelles]

Im Kiez ist er durch sein langjähriges Engagement im früheren Quartiersmanagement wohlbekannt. Man kann sich kaum ungestört mit ihm unterhalten, weil er ständig gegrüßt oder angesprochen wird. Jörg Borchardt, auch ehrenamtlicher Vorstand der sozialen Organisation Fipp e.V., dem Träger der Villa Lützow, freut sich über die Entwicklung, die der Kiez durch die Unterstützung des Quartiermanagements genommen hat. Er warnt aber zugleich vor einer zunehmenden Verdrängung von einkommensschwachen Familien durch die hohen Immobilienpreise.

Am 17. September, wenn die Paletten-Landschaft gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen der Verwaltung fertiggestellt ist, wird darüber sicherlich gesprochen. Aber gefeiert wird natürlich auch.

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