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Eine Pflegekraft hilft einer alten Frau in Frankfurt (Oder) beim Trinken aus einem Becher in einem Seniorenheim.

© Patrick Pleul/ZB/dpa

Sozialwirtschaft in Brandenburg: „Konstruktive“ erste Tarifrunde für Sozialarbeiter und Pfleger

Beschäftigte von Sozialunternehmen dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf Lohn- und Gehaltssteigerungen im kommenden Jahr machen.

Vertreter großer Arbeitgeber der Sozialwirtschaft in Brandenburg sind in Berlin mit Arbeitnehmervertretern zu einer ersten Verhandlungsrunde über einen neuen Flächentarifvertrag zusammengekommen. Bei dem Treffen in der Verdi-Bundeszentrale in Berlin-Kreuzberg wurden bereits erste Ergebnisse erzielt, wie beide Seiten dem Tagesspiegel erklärten.

Demnach habe man sich für mehrere Entgeltgruppen auf eine Steigerung von rund drei Prozent zum 1. Januar 2021 verständigt, in speziellen Fällen gar auf einen Anstieg um bis zu acht Prozent. Eine pauschale Anhebung für alle Gruppen in Höhe von 6,5 Prozent, wie von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefordert, sei indes vom Tisch, hieß es.

Die Gespräche seien „ausgesprochen konstruktiv“ verlaufen, sagte Sebastian Jeschke, der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Paritätische Tarifgemeinschaft (PTG) und damit Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite. Dies liege auch daran, dass sich beide darüber Seiten einig darüber seien, dass die Arbeitsbedingungen in speziellen Berufen verbessert werden müssten, sagte Jeschke. Darunter sind Erzieher, Sozialpädagogen und Pflegekräfte, die unmittelbar mit dem Kampf gegen das Coronavirus befasst sind.

Bei den Verhandlungen geht es formal um eine relativ kleine Gruppe von insgesamt nur 1700 Beschäftigten bei sieben Trägern. Es sind Betreiber von stationären, teilstationären und ambulanten Pflegediensten, Einrichtungen der Behindertenbetreuung, Betreiber von Werkstätten für behinderte Menschen, oder Kindertagesstätten, Stationen der Kinder- und Jugendhilfe sowie weitere Bereiche der Sozialwirtschaft und soziale Beratungsstellen.

Die Hoffnung seitens der Gewerkschaften wie der organisierten Arbeitgeber ist aber, dass weitere Arbeitgeber die Vorteile eines gemeinsamen Vertragswerkes für die Brache erkennen. Dazu zählt unter anderem der Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach dringend benötigten Fachkräften - gerade in Brandenburg.

Tarifvertrag in Brandenburg habe "Pilotcharakter"

Ralf Franke, Gewerkschaftssekretär bei Verdi und Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite, spricht von einem „Pilotcharakter“, den dieser Flächentarifvertrag habe. Andere Regionen und Unternehmen würden sich bereits daran orientieren. Und: „Es ist ein sehr großer Erfolg, dass wir vor anderthalb Jahren überhaupt erstmals wieder einen Flächentarifvertrag aushandeln konnten“, sagte Franke. Er hoffe, dass sich noch weitere Unternehmen in Brandenburg dem Zusammenschluss der Arbeitgeber beitreten.

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Für die Unternehmen, die Mitglied in dem Arbeitgeberverband PTG sind, besteht erst seit 2019 ein Flächentarifvertrag für die Sozialwirtschaft und Pflege. Erst im Januar dieses Jahres wurden die Tarifentgelte um 3,29 Prozent erhöht. Anders als in vielen anderen Branchen ist auch die Laufzeit des Vertrages nicht umstritten: Sie beträgt genau ein Jahr. Arbeitgebervertreter Jeschke sagte, es seien noch zwei Verhandlungsrunden im Juni angesetzt. „Und die werden wir wohl auch brauchen“. Sollten sich die Seiten – wie erwartet – auf einen Vertrag verständigen, beginnt für die Arbeitgeber der Sozialwirtschaft die nächste Etappe. Sie müssen in Verhandlungen mit den Kostenträgern gehen, um die Gehaltserhöhungen zu finanzieren.

Bundesweiter Corona-Bonus für Pfleger ist noch nicht amtlich

Unabhängig von den Tarifverhandlungen sollen Altenpflegekräfte nach einem Beschluss des Bundestages auch einen Bonus auf dem Gehaltszettel erhalten - wegen ihres besonders großen Einsatzes in der Coronakrise. Mitte Mai hatten Bundestag und Bundesrat die Anerkennung für einen Berufsstand. Doch die Umsetzung erweise sich als ausgesprochen mühsam, berichtete die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag. Vorgesehen ist ein Betrag von 1000 Euro, der zunächst von den Gesetzlichen Pflegekassen finanziert werden soll. In der zweiten Jahreshälfte wollen das Gesundheits- und Finanzministerium festlegen, in welchem Umfang der Bund zur Finanzierung beiträgt. Darüber hinaus sollen Bundesländer und Arbeitgeber diese Zahlung um 500 Euro aufstocken können.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag berichtete, haben bislang erst 10 der 16 Bundesländer beschlossen, das auch zu tun. Aus dem Saarland und Niedersachsen gibt es laut Zeitung nur Absichtserklärungen. Und in Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist noch keine Entscheidung gefallen. Die Regierung im bevölkerungsreichste Land NRW stimmte am Dienstag für einen Bonus.

Offen ist auch, inwieweit sich die Arbeitgeber beteiligen. Und wann. Die Wohlfahrtsverbände - Diakonie, Caritas oder Rotes Kreuz - argumentierten, dass sie wegen ihrer Gemeinnützigkeit keine substanziellen Rücklagen bilden dürften, die sie jetzt zur Finanzierung der Prämie verwenden könnten. "Die nach längerem und streckenweise unwürdigem Geschacher um ihre Finanzierung bewilligte Prämie ist leider ein Dankeschön mit fadem Beigeschmack“, sagte die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, in Berlin.

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