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Volker Ratzmann (hier 2008)

© dpa

Sozialpolitik: Ratzmann konterte Wowereits Kritik - vor fünf Jahren

Es mangele den Grünen an Gespür für's Soziale, hatte Klaus Wowereit im Tagesspiegel-Interview vor fünf Jahren gesagt. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann konterte zurück: Das Sozialsystem der SPD sei dringend korrekturbedürftig. Was Ulrich Zawatka-Gerlach darüber schrieb.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Grünen wollen sich nicht als unsoziale Mittelstandspartei abstempeln lassen. Genau das hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Tagesspiegel-Interview getan. Er sagte: „Als Partei der arrivierten Bildungsbürger fehlt ihnen das Gespür fürs Soziale“. Diesen Vorwurf wies der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann am Sonntag zurück. „Die soziale Balance ist für uns sehr wichtig.“ Allerdings bedürfe das System, mit dem die Sozialdemokraten als Regierungspartei in Berlin Sozialpolitik betrieben, dringend einer Korrektur.

Die Herstellung von Chancengleichheit müsse im Vordergrund stehen, so Ratzmann. Und nicht das „Verteilen von Geld für sozialistisch-paradiesische Verhältnisse“. Auf diese Weise versuche die SPD, sich wie ihr kleiner Koalitionspartner Macht zu erkaufen. „Die Sozialdemokraten sind Linkspartei-verseucht“. Ratzmann teilt auch nicht die Einschätzung des sozialdemokratischen Regierungschefs, dass sich die Grünen nur auf Teile der Gesellschaft konzentrierten. „Wir haben ein Programm für die gesamte Stadt.“ Damit

verbunden sei durchaus der Anspruch, auch die Interessen des „arrivierten Bildungsbürgertums“ zu vertreten, sagte der Grünen-Fraktionschef. Gerade das moderne Städtebürgertum habe ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden.

Trotz alledem nimmt Ratzmann die Anwürfe des Regierenden Bürgermeisters gelassen hin. „Man merkt, er ist nervös. Wer in der Ecke steht, haut um sich.“ Es sei auch durchaus legitim, sich hart mit den anderen Parteien auseinanderzusetzen. „Aber ich plädiere für Fairness im bevorstehenden Wahlkampf.“ Es gehe doch darum, „im edlen Wettstreit“ das Beste für die Stadt zu erreichen.

Wie beantworten Parteienforscher und Politologen die Frage, für wen die Grünen stehen und wie sozial sie sind? Es gibt keine einheitliche Meinung. Richard Stöss weist darauf hin, dass die Grünen bei vielen Freischaffenden, Kleinunternehmern und gut ausgebildeten Menschen schon seit Mitte der neunziger Jahre gut ankommen. In den Zuzugsgebieten im Osten (Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Mitte), wo ein hoher Bevölkerungsaustausch mit sozialem Wandel einhergehe, hätten sie ebenso ihre Hochburgen wie in den besseren Wohnlagen im Westen. Neben erfolgs- und bildungsorientierten Wählerschichten gebe es aber auch die rebellischen, kiezorientierten und links-libertären Grünen-Anhänger in Kreuzberg, Schöneberg oder Moabit.

Oskar Niedermayer hält es noch für offen, wie sich die Grünen sozialpolitisch orientieren: Eher marktwirtschaftlich oder an sozialer Gerechtigkeit orientiert? Er sieht die Grünen als Scharnierpartei zwischen dem linken Lager und dem traditionellen bürgerlichen Block. Auch Franz Walter nennt die Grünen eine „Scharnierpartei der neuen Bürgerlichkeit“. Besonders attraktiv für die Trendsettergruppe der LoHaS (Lifestyle of Health and Sustainability, auf deutsch: gesunde und nachhaltige Lebensführung). Menschen, die genussreich leben, gleichzeitig den Planeten retten wollen und Abstand zu den Lebensgewohnheiten der Unterschicht halten. Lothar Probst hält die Grünen für eine Mittelschichtpartei, die sich in Konkurrenz zu SPD und Linken um den „nachhaltigen Sozialstaat“ bemühen müsse.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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