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Wer arm und bedürftig ist, bleibt zumeist unter sich. Das führt zu Ghettobildung.

© Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa

Soziale Spaltung in Städten: Warum die gesellschaftliche Mischung so wichtig ist

In deutschen Städten wie Berlin wird die soziale Spaltung immer größer. Das muss die Politik alarmieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Wie man Problemkieze schafft, weiß Berlin, seit vor 50 Jahren tausende ärmere Familien in das Märkische Viertel zogen. Es dauerte lange, bis die Stadtrandsiedlung kein sozialer Brennpunkt mehr war. Dass in Berlins Zentrum bis heute eine bunte Mischung aus Gutverdienern und Hartz-Beziehern lebt, ist ein hoher Wert, nicht nur angesichts der Verhältnisse in Paris oder London. Die neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin, nach der die soziale Spaltung in deutschen Städten wächst, ist deshalb ein Alarmsignal.

Die räumliche Ballung von Menschen, die von Sozialleistungen leben, hat stark zugenommen. Besonders in ostdeutschen Städten gab es seit der Wende eine brutale Entmischung. Doch nur gemeinsam lebt eine Stadt. Es zeigt sich, dass das nicht mehr selbstverständlich ist. Wenn Milieus sich trennen, geht der Austausch verloren, es entstehen Parallelwelten mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Werten.

Unsichtbare Grenzen

Von der geteilten zur gespaltenen Stadt, von der sichtbaren Mauer zu unsichtbaren Grenzen, das wäre für Berlin ein Albtraum demokratischer Stadtentwicklung. Ab an den Rand oder in die Armenviertel, wer beim Mietenwahnsinn nicht mithalten kann – so wird der Keim für eine unheilvolle Polarisierung der Gesellschaft gelegt.

Im wachsenden Berlin muss die Politik aufschrecken, dass die Gefahr einer sozial entmischten Stadt paradoxerweise vergrößert wird durch die aktuelle Herausforderung, viele preiswerte Wohnungen zu bauen, um die Mietsteigerungen zu bremsen. Sozialwohnungen entstehen nämlich häufig in Randlagen oder Kiezen, wo bereits überwiegend Geringverdiener leben, stellt die Studie fest. Wer arm und bedürftig ist, bleibt dann unter sich – was auch Bildungschancen zerstört. In Berlin gibt es längst Kieze mit Schulen, an denen fast alle Kinder aus armen und migrantischen Familien kommen.

Milieuschutzgebiete - ein wichtiges Instrument

Neuen Wohnraum schaffen, ohne zu entmischen – das ist die diffizile Aufgabe des Senats. Die 45 Milieuschutzgebiete sind ein Instrument, soziale Mischung zu bewahren, wie auch die Pflicht für private Bauherren, bei Neubauten 30 Prozent der Wohnfläche günstig zu vermieten. Der Senat kann außerdem städtischen Wohnungsunternehmen und Baugenossenschaften durch Grundstückskauf den Bau von Sozialwohnungen in gutsituierten Vierteln erleichtern.

Die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe für gutverdienende Mieter, die in Sozialwohnanlagen leben, hilft dagegen nicht. Vielmehr sollte unterstützt werden, dass solvente Familien dort wohnen bleiben und neue dort hinziehen, um eine heterogene Mieterschaft zu ermöglichen.

Und dort, wo die Mieten steigen, kann für Hartz-Empfänger eine Wohngeld-Anpassung den Umzugsdruck mindern. Das von der Bundesregierung geplante Baukindergeld ist hingegen ein Instrument der Segregation, weil es Besserverdiener in die Einfamilienhausvororte treibt.

Entmischung fängt in der Schule an

Ghettoisierung geschieht schleichend. Die Entmischung eines Kiezes fängt etwa an den Schulen an, weil für bildungsnahe Familien eine schlechte Qualität ein Umzugsgrund ist. Ein Teufelskreis: Viele Berliner Sekundarschulen haben sich sozial entmischt, weil ihnen eine gymnasiale Oberstufe fehlt. Erst gehen bildungsnahe Eltern, dann kommen die Probleme.

Die Idee, Berliner Schulkinder etwa durch tägliche Busfahrdienste zu verteilen, um die extreme Konzentration von Migrantenkindern aufzulockern und damit Schulen wieder attraktiver zu machen, hat bislang kaum Fürsprecher.

Privatschulen in sozial angespannten Kiezen, so hat die WZB-Studie ermittelt, seien für bildungsnahe Familien dagegen eine Alternative zum Wegzug. Diese Schulen, die vielfach auch ärmere Kinder aufnehmen, können eine Kiez-Mischung stabilisieren. Das grün-regierte Kreuzberg sollte umdenken: Vor zwei Jahren wurde die Gründung einer Privatschule verboten, um Gentrifizierung auszubremsen. Der Initiator, der besonders Migranten fördern wollte, eröffnete die Schule dann im bürgerlichen Wilmersdorf.

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