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Für die Tiere ist das Virus meist tödlich.

© Martin Wagner/imago

Update

Sorge im Speckgürtel: Schweinepest könnte bald auch Berlin erreichen

Nach dem ersten Schweinepest-Fall in Brandenburg sorgen sich die Landwirte um ihre Betriebe. Auch die Wildschwein-Populationen in Berlin sind bedroht.

Von Sandra Dassler

„Jetzt muss es schnell gehen, es zählt buchstäblich jede Stunde, um weiteren Schaden von den Landwirten abzuwenden“, sagte Carmen Lorenz am Freitag. Lorenz ist Geschäftsführerin des Südbrandenburger Bauernverbandes und weiß um die Sorgen der Landwirte nach dem Fund eines mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) infizierten Wildschwein-Kadavers.

Der Verband hatte am Donnerstag die Tierhalter in ganz Deutschland in Alarmbereitschaft versetzt. Schließlich verliert die Bundesrepublik dadurch den Status „ASP-frei“ – und das kann zu erheblichen Exportverlusten, vor allem bei Ländern außerhalb der Europäischen Union führen.

Und es ging schnell: Am Sonnabend ist bereits ein Zaun fertig. In einer Kernzone von drei Kilometern rund um den Fundort des ersten mit der Schweinepest infizierten Wildschweins stellten Mitarbeiter der Gemeinde Schenkendöbern und des Landkreises einen mobilen Elektrozaun mit einer Länge von zwölf Kilometern auf. Der Landesforstbetrieb hat den Aufbau mit 18 Mitarbeitern unterstützt. Der Zaun stammt aus Beständen der Landkreise und des Landes.

Für die Bauern in der Nähe der polnischen Grenze, wo das mit dem tödlichen ASP-Virus infizierte Wildschwein gefunden wurde, geht es um viel mehr, sagt Carmen Lorenz: „Am schlimmsten wäre, wenn das Virus sich weiter ausbreitet oder sogar in einen Hausschweinbestand, also in einen unserer Ställe, gelangt. Dann müssen alle Tiere getötet werden und es wären auch nicht nur Schweinehalter betroffen.“

Das sieht man auch im Potsdamer Verbraucherschutzministerium so. Nachdem der Zaun fertig sei, würden „ in diesem sogenannten Kerngebiet alle Wildschweine gejagt", sagt Sprecher Gabriel Hesse:

Ursprünglich wollten die beiden betroffenen Landkreise Spree-Neiße und Oder-Spree erst in der kommenden Woche mit dem Bau des Zaunes beginnen, aber Landwirte, Seuchenbeauftragte und Wissenschaftler mahnten zur Eile. Auch was die Suche nach weiteren Kadavern betrifft.

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Schließlich müsse man davon ausgehen, dass das tote Wildschwein schon einige Zeit im Wald liege und nicht das einzige Tier war, dass sich angesteckt hat. Nach Tagesspiegel-Informationen handelte es sich um eine Bache. Die leben aber fast immer in Rotten, während Keiler auch mal allein unterwegs sind.

Virus ist extrem widerstandsfähig

Die Übertragung des Virus kann etwa über kontaminiertes Fressen erfolgen. Leider sei das für den Menschen ungefährliche Virus äußerst widerstandsfähig, sagt Elke Reinking vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit: „Das überlebt sogar einen Winter – gerade wenn es richtig frostig ist.“

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Wildschweine fressen zwar nur in großer Not den Kadaver eines Artgenossen, für eine Ansteckung reiche aber schon ein Schnüffeln oder sonstiger Körperkontakt wie etwa bei der Paarung oder bei Kämpfen, wo auch schon mal gebissen wird.

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Deshalb sei es auch nicht unwahrscheinlich, dass die ASP auch Berlin heimsuchen kann, sagen Experten. Schließlich leben hier schätzungsweise mehrere tausend Wildschweine. Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz hat die Berliner deshalb aufgerufen, Lebensmittelreste niemals in der freien Natur zu hinterlassen: „Aus den Erfahrungen in Osteuropa weiß man, das nicht durchgegarte Fleischerzeugnisse, wie zum Beispiel Rohschinken oder Salami, eine der Hauptinfektionsquellen darstellen.“

Wildschweine auf keinen Fall füttern

Auch Fahrzeuge, Personen und Hunde könnten das ihnen anhaftende Virus unerkannt verbreiten. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass Hunde kein Wild jagen – vor allem aber sollte man Wildschweine nicht füttern. „Das kommt etwa aus falsch verstandener Tierliebe immer wieder vor“, sagt der Wildtierbeauftragte der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Derk Ehlert: „Es ist allerdings nach dem Jagdrecht verboten und kann bis zu 5000 Euro Strafe kosten.“

Die Berliner könnten aber noch ganz anders von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sein, befürchtet der Landesbauernverband. Schließlich versorgten gerade die Tierhalter aus Brandenburg die Hauptstadt zunehmend mit regionalen Produkten. „Die haben es ohnehin schon schwer“, sagt Bauernverbands-Geschäftsführerin Carmen Lorenz: „Es wäre schade, wenn die wenigen verbliebenen Betriebe jetzt wegen der Seuche aufgeben müssten.“

Dietmar Woidke traf am Sonnabend betroffene Landwirte

Am Sonnabend machte sich Brandenburgs Landesregierung vor Ort ein Bild von der Lage. Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) informierten sich in der Nähe des Fundortes über die Eindämmungsmaßnahmen. Zudem stellten sie sich den Fragen von betroffenen Landwirten.

Nachdem im Landkreis Spree-Neiße am Donnerstag der deutschlandweit erste ASP-Fall amtlich festgestellt wurde, hatten sich das Landeskrisenzentrum Tierseuchenbekämpfung und die Krisenzentren der betroffenen Landkreise Spree-Neiße, Oder-Spree und Dahme-Spreewald auf die Ausmaße der Schutz-und Kontrollzonen abgestimmt. Für dieses Gebiet gelten ganz bestimmte Beschränkungen für den Tierverkehr. Ab kommenden Montag soll eine Allgemeinverfügung in Kraft treten.

Entdeckt wurde das tote Wildschwein auf einem abgeernteten Maisfeld sieben Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt. Um den Fundort wurde ein vorläufiges gefährdetes Gebiet mit einem Radius von 15 Kilometern festgelegt. Laut Verbraucherministerium gibt es in der Zone rund 20 Schweinehalter, ein Halter mit 5000 Schweinen ist sieben Kilometer vom Fundort entfernt.

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