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Der Musikmanager Patrick Mushatsi-Kareba (46) in seinem Büro am neuen Firmensitz von Sony Music Entertainment.

© Doris Spiekermann-Klaas

Sony-Music-Chef Mushatsi-Kareba in Corona-Zeiten: „Ich brauchte Musik, die ein Sommergefühl erzeugt“

Musikmanager Patrick Mushatsi-Kareba spricht über den Umzug seiner Sony Music von München nach Berlin-Schöneberg. Und was die Hauptstadt für Künstler bietet.

Willkommen in Berlin, Herr Mushatsi-Kareba! Sie sind der zweite von drei Majors in Deutschland, die Berlin als Heimat ausgewählt haben. Frank Briegmann von Universal sagte neulich, er freue sich schon auf Sony Music und Sie.
Auch ich freue mich darüber, dass wir uns jetzt gemeinsam auf Deutschlands wichtigstem Spielfeld bewegen.

Was hat Berlin, was München nicht hat – abgesehen von zweieinhalb Millionen mehr Einwohnern?
Berlin ist in vielerlei Hinsicht einzigartig in Deutschland und darüber hinaus. Allein schon wegen der Zahl an Menschen, die sich kreativ betätigen. Und des großen Publikum, das ihre Kunst erleben will. Das schafft eine Infrastruktur, die es anderswo nicht gibt.

Auch deshalb sind in den letzten zwei Jahrzehnten so viele Künstler aus klassischeren Popkultur-Metropolen wie London oder New York hierhergezogen. Während man in Städten wie Frankfurt, München, oder Köln Künstler in neun von zehn Fällen erst hinholen muss, sind sie in Berlin schon da. Und wenn sie nicht hier wohnen, dann kommen sie häufiger hierher. Das sind Vorteile, die man nicht bestreiten kann.

Und was hat München, das Berlin nicht hat? Was wird Ihnen fehlen?
Ich habe mit kurzer Unterbrechung seit 2010 dort gearbeitet und verstehe jeden, der sagt: Ich liebe den Münchener Lebensstil, die Nähe zu den Alpen und Italien, die Landschaft. Diese Stadt hat einen sehr hohen Freizeitwert, das nördlichste Dolce Vita, das es gibt.

Wie waren die Reaktionen Ihrer Leute, als diese vor anderthalb Jahren von Ihrer Umzugsentscheidung erfahren haben?
Ich glaube, dass es für alle eine Erleichterung war, endlich Klarheit zu haben, da dieses Thema schon sehr lange in der Company am köcheln war. Als die Entscheidung gefallen und verkündet wurde, fanden einige es gut – und wollten umziehen. Andere fanden es schlecht – und wollten bleiben. Und wieder einige halten den Umzug für Sony Music wirtschaftlich und strategisch für die zwingende und beste Entscheidung, wollen oder können aber selbst nicht mitkommen, weil es nicht in ihren Lebensentwurf passt. Auch für diese Gruppe habe ich allergrößten Respekt.

Wie viele bleiben in München?
Etwa einhundert Personen, die meisten in Funktionen, bei denen ich keine unmittelbare Notwendigkeit gesehen habe, dass die mit umziehen. Viele aus den Bereichen Finanzen, Recht, Personal. Auch unsere sehr erfolgreiche Abteilung Family und Home Entertainment für Hörbücher und Hörspiele bleibt in München.

Vor dem Interview stellte sich Sony-Music-Chef Patrick Mushatsi-Kareba auf die Dachterrasse des neuen Firmensitzes.
Vor dem Interview stellte sich Sony-Music-Chef Patrick Mushatsi-Kareba auf die Dachterrasse des neuen Firmensitzes.

© Doris Spiekermann-Klaas

Sie sind in diesen markanten Neubau an der Bülowstraße gezogen. Warum? Schöneberg ist toll, aber die Zeiten, als David Bowie hier durch die Kneipen gezogen ist, sind auch schon ein paar Jahrzehnte her.
Ich will als Nicht-Berliner jetzt nicht den Anspruch erheben, der perfekte Botschafter für Schöneberg zu sein. Aber wir haben hier genau das gefunden, was wir gesucht haben: ein urbanes Umfeld, eine Gegend, die so dynamisch ist, wir es sind. Wir sind hier, ohne da zu sein, wo alle heute sind.

Schöneberg ist ein Ort, der die Musikgeschichte geprägt hat. Und in Zukunft weiter prägen wird. Klar gehören David Bowie und Iggy Pop zur Geschichte Schönebergs. Aber Schöneberg hat auch eine historische Clubszene, wie das Metropol, Dschungel, Loft. Hier hat sich auch eine jüngere Popkultur entwickelt. Wie arbeiten auch mit jungen Künstlern die aus Schöneberg stammen, wie zum Beispiel mit Sero. Außerdem war es mir wichtig, dass wir in ein Gebäude ziehen, das ein Statement ist und das mit den Menschen kommuniziert, sich in die Umgebung einfügt.

Als bekannt wurde, dass Sie kommen, hat sich eine Bürgerinitiative formiert. Anwohner fürchten Gentrifizierung durch Hunderte gutbezahlte Kreativarbeiter.
Wir wollen mit unseren Nachbarn eine Open-Door-Policy pflegen, sobald es die Corona-Lage erlaubt. Sie sollen sich selbst ein Bild davon machen können, dass wir alles sind, nur nicht der Mega-Konzern, der hier alles abrasiert und für neue Regeln im Kiez sorgt. Es gab bei einigen auch das Missverständnis, sie haben uns verwechselt mit Sony Corporation...

...zu der Sie ja gehören.
Natürlich, wir gehören zu einer sehr großen Sony-Familie. Aber wir als Sony Music Entertainment für Deutschland, Österreich und die Schweiz sind am Ende auch ein überschaubar großer und keineswegs anonymer Laden.

Anwohner forderten, dass Sie auch etwas für die Jugend im Bezirk tun.
Das wollen wir auch. Wir bauen zum Beispiel gerade im Erdgeschoss ein nagelneues Tonstudio. Dort werden wir unter anderem Workshops veranstalten – auch für die jungen Leute von hier. Und wir beschäftigen uns viel mit Unternehmenskultur, mit Werten wie Diversität. Die pflegen wir nicht nur nach Innen. Wir sind uns unterer Verantwortung bewusst und werden hier im Kiez Sachen auf die Beine stellen, die speziell den jungen Leuten Spaß machen werden. Wir igeln uns nicht ein. Unsere Kollegen verlassen jeden Tag das Haus, um in der Nachbarschaft Mittag essen zu gehen. Viele unserer Kreativabteilungen waren seit einigen Jahren bereits in Berlin ansässig und kennen sich in der Stadt bestens aus. Ich bin persönlich sehr gerne zu Mittag im Kiez unterwegs.

Patrick Mushatsi-Kareba auf einer Dachterrasse des neuen Sony-Music-Firmensitzes in Schöneberg. Im Hintergrund erkennt man den Potsdamer Platz.
Patrick Mushatsi-Kareba auf einer Dachterrasse des neuen Sony-Music-Firmensitzes in Schöneberg. Im Hintergrund erkennt man den Potsdamer Platz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Haben Sie Lieblingslokale für den Mittagstisch oder Feierabendbier gefunden?
Ich bin häufiger im Kaffeehaus „Zimt & Zucker“ in der Potsdamer Straße oder im „Einstein“, zehn Fußminuten von hier.

Kommen zum Geschäft: Was hat Corona mit den Musikfirmen gemacht?
Es gab zu Beginn der Pandemie das Urteil aus anderen Sparten der Musikbranche, dass die Labels das ganz locker wegstecken, weil die Leute zu Hause sind und den ganzen Tag Musik hören. Ein halbes Jahr später stellt sich manche Diagnose leider als falsch heraus.

Aber Ihr Branchenverband sagt, Musik hat sich gut verkauft im ersten Halbjahr.
Stimmt, bei Sony Music sind wir sehr gut durch diese Phase gekommen. Das beruht aber zu großen Teilen auf unsere Family-Inhalte und unsere schnelle Reaktion im Pop-Bereich, weil wir viele Aktivitäten erfolgreich ins Digitale verlegt haben, Veröffentlichung verschoben und dergleichen. Dazu muss man wissen, dass viele Künstler immer noch skeptisch sind, was digitale Vertriebskanäle angeht. Immerhin wird durch Corona das unterschätzte Potenzial des Digitalen offensichtlich.

Wie hat die Pandemie Ihre Betriebsabläufe verändert?
Wir haben uns schon im Jahr vor Corona intensiv mit Kollaborations-Tools wie Microsoft Teams beschäftigt. Auch hatte ich schon vorher das Homeoffice stärker etabliert. Damals hatte mancher hinter vorgehaltener Hand gesagt: Ach, der Typ, der so lange bei Apple war, will uns nun die digitalen Handschellen anlegen. Braucht man das wirklich? Spätestens in diesem Frühjahr hat jeder hier verstanden, wofür das gut ist. Das hat aber auch dazu geführt, dass Dinge, die man früher spontan auf dem Büroflur besprechen konnte, nun in sehr enge Terminstruktur gepresst werden. So sitzt man viele Stunden vor dem Rechner. Und das muss man ausgleichen.

Der neuer Firmensitz für Sony Music an der Bülowstraße 80 in Berlin-Schöneberg.
Der neuer Firmensitz für Sony Music an der Bülowstraße 80 in Berlin-Schöneberg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wie schaffen Sie im Digitalen die Art von Begegnungen, die Menschen brauchen, um kreativ zu sein?
95 Prozent der Dinge, die wir machen, können wir digital machen. Fünf Prozent aber lassen sich nicht ersetzen, können aber den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Wir haben versucht, neue Formen der persönlichen Begegnungen zu schaffen: Virtuelle Yogastunden. Oder gemeinsames Pizzabestellen vor den Rechner. Wir hatten eigens für uns arrangierte Live-Gigs der Künstlerin Evangelia aus L.A. oder DJ-Sets. Wir tausche Tipps über Foren, wie man durch die Krise kommt. Ich habe zum Beispiel den Podcast „15 Minuten für dich selbst“ des Künstlers Curse vorgestellt. Speziell Mitarbeiter, die allein ohne Familie oder Freunde im Homeoffice sind, brauchen Etwas gegen die Vereinsamung, persönliche Kontakte.

Welche Musik hat Sie persönlich durch diese Zeit gebracht?
Ich brauchte Musik, die ein Sommergefühl erzeugt, das sich bei mir kaum eingestellt hat, da ich mehr als üblich vor dem Computer in Meetings saß. Songs unserer Kollegen aus Italien zum Beispiel, ich habe aber auch die lateinamerikanische Musik neu für mich entdeckt, viel Bossa Nova gehört, Künstlerinnen wie Maria Gadú. Aber auch deutsche Künstler, die sich in diesen Monaten neu erfunden haben, darunter Elif, Clueso, Sero, Credibil oder Moses Pelham.

Die Musik dieser Brasilianerin beschert dem deutschen Musikmanager das nötige Sommergefühl: Maria Gadú, hier in Rio 2019.
Die Musik dieser Brasilianerin beschert dem deutschen Musikmanager das nötige Sommergefühl: Maria Gadú, hier in Rio 2019.

© imago images/Fotoarena

Echte Stars können auch mal ein Jahr ohne Einnahmen überleben. Viele Newcomer nicht. Was tun Sie für die?
Wir haben mehrere Ansätze: Einer ist, dass unser Brands-Abteilung Marken-Kooperationen auch für unsere noch nicht so bekannten Künstler organisiert. Das funktioniert gut. Und das bringt ihnen Einnahmen. Anderen helfen wir mit einer gewissen Summe über die Zeit hinweg, quasi als Vorschuss für Projekte, die dann später realisiert werden. Kritiker sagen dann: Das ist dann an eine Verpflichtung gekoppelt...

So ist es doch auch, oder?
Ja, aber es hilft ihnen ja auch konkret in dieser Phase! Eine weitere Möglichkeit, die ich sehe, ist es Künstler zusammenzubringen: Aus diesem Austausch mit uns als Paten ergeben sich oft spannende Kooperationen.

Auf welche Crossover-Projekte dürfen wir uns denn freuen?
Das will ich noch nicht verraten. Speziell aus den Bereichen elektronischer Musik, Pop und Hip-Hop-Musik wird es einige tolle Sachen geben. Ich glaube, einige Labels haben verlernt, sich auch in dieser Rolle des Netzwerkstifters zu sehen. Das holen wir jetzt nach.

Patrick Mushatsi-Kareba studierte Politikwissenschaften und arbeitete zunächst als Musikjournalist.
Patrick Mushatsi-Kareba studierte Politikwissenschaften und arbeitete zunächst als Musikjournalist.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Der Manager und das Unternehmen: Sony Music Entertainment Deutschland zählt neben Warner Music (in Hamburg) und Universal Music (Berlin-Friedrichshain) zu den drei großen Musikunternehmen in Deutschland. Im März 2019 hatte die Deutschlandzentrale von Sony Music in München beschlossen, die Geschäftsführung und alle Kreativabteilungen nach Berlin zu verlegen und mit den bereits an der Spree ansässigen hauseigenen Labels wie etwa Four Music unter ein Dach zu bringen. International vertritt Sony Music Künstler wie zum Beispiel AC/DC, Depeche Mode, Mariah Carey oder vertreibt den Katalog von Elvis Presley. National stehen unter anderem Ina Müller, Mark Forster oder Mario Barth unter Vertrag.

Seit 2018 führt Patrick Mushatsi-Kareba (46) die Geschäfte. Der Frankfurter startete seine Karriere als Journalist im Musik- und Kulturressort des Stadtmagazins „Frizz“ und später auch bei der internationalen Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Ab 2002 baute Mushatsi-Kareba für die Deutsche Telekom die Plattform Musicload auf, begleitete dann den Markteintritt von Napster nach Mitteleuropa.

2008 wechselte er zu Apple und verantwortete das Musikgeschäft über die damalige Plattform iTunes in diversen Ländern Europas. 2016 ging der studierte Politikwissenschaftler zu Universal Music, um dann zwei Jahre später an die Spitze des Konkurrenten Sony Music zu landen. Patrick Mushatsi-Kareba lebt in Frankfurt am Main und Berlin. Er engagiert sich aktiv für mehr Vielfalt und Diversität in der Musikindustrie.

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