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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller mit den Initiatorinnen von "Laib und Seele", Sabine Werth (li.) und Friederike Sittler.

© dpa

Sonntags um zehn: Teilen und helfen

Die Aktion „Laib und Seele“, die überschüssige Lebensmittel an Bedürftige verteilt, feierte in der Marienkirche ihr zehnjähriges Bestehen.

„Überall zu Hause, mit und ohne Geld“, sang der Gospel-Chor „Different Voices“ in der Marienkirche am Fernsehturm. Zu der von der amerikanischen Sängerin Jocelyn B. Smith geleiteten Gruppe gehören Wohnungslose und Menschen mit wenig Geld. Menschen, die auch regelmäßig die Lebensmittelausgaben von „Laib und Seele“ in Anspruch nehmen – und die deswegen am Sonntag auch am Festgottesdienst zum zehnjährigen Bestehen der einst vom RBB und der Berliner Tafel gegründeten Aktion mitwirkten. So wie die beiden Initiatorinnen, die Fernsehjournalistin Friederike Sittler und die Tafelgründerin Sabine Werth.

Im Jahr 2004 hatten sie die Berliner aufgefordert, überschüssige Lebensmittel im Haus des Rundfunks abzugeben. Sie sollten in Berliner Kirchengemeinden an Bedürftige verteilt werden. Heute ist daraus ein Netz von 45 Ausgabestellen geworden, in denen sich 1300 Ehrenamtliche engagieren. Und 48 000 Berliner nutzen die Möglichkeit, für einen Euro eine Tüte Lebensmittel zu erhalten, die woanders nicht gebraucht werden. „Wir erleben bis heute ein enormes Engagement von Ehrenamtlichen“, sagt Sabine Werth. Viele Menschen, die Hilfe empfangen, würden sich auch selbst in den Ausgabestellen engagieren. Und für andere sei schon das gemeinsame Kaffeetrinken in den Verteilstellen eine Chance, wieder soziale Kontakte zu knüpfen.

„Wenn man nur miteinander teilt, was vorhanden ist, dann ist genug für alle da“, sagte Landesbischof Markus Dröge, als er seine Festpredigt auf der Kanzel des gotischen Gotteshauses hielt. Dass es so eine Aktion gebe, sei keine Selbstverständlichkeit. „Es brauchte das Vertrauen und den Mut von Menschen, die sich nicht haben abhalten lassen, es zu versuchen, Menschen in dieser Stadt satt zu machen.“ Und „Laib und Seele“ erlebe immer wieder neue Spannungen, etwa durch die zunehmende Zahl von Flüchtlingen, die sich auch an den Ausgabestellen bemerkbar mache. „Und das ist nicht immer einfach“, sagte der Bischof. Doch braucht es in einem Sozialstaat wie Deutschland überhaupt eine Lebensmittelausgabe für Bedürftige? „Natürlich könnte man sagen, es gäbe keinen Grund, sich darüber zu freuen, dass es ,Laib und Seele’ geben muss“, sagte Dröge. „Und es gäbe erst recht keinen Grund, von Erfolg zu sprechen in einer Gesellschaft, die so reich ist wie unsere.“ Doch die Situation sei nun einmal, wie sie sei. „Das heißt nicht, dass es so bleiben muss. Unsere Sozialsysteme können sich verändern“, sagte Dröge. „Aber bis dahin ist ,Laib und Seele’ auch ein Stachel im Fleisch unserer Gesellschaft.“

Schon am Sonnabend hatten auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seine Frau Claudia die Ausgabestelle in der Marienkirche besucht. Schwarze Schokolade und eine Packung Instant-Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln aus dem eigenen Küchenschrank hatten sie als Gastgeschenk mitgebracht. Und Müller würdigte „Laib und Seele“ als eine Aktion, die „eindrucksvoll gezeigt hat, wozu eine engagierte Stadtgesellschaft fähig ist“. Allerdings mahne das Jubiläum auch, Armut nicht hinzunehmen und gezielt zu helfen, um den Betroffenen Wege hin zu gesellschaftlicher Teilhabe zu eröffnen. Benjamin Lassiwe

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