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© promo

Berlin: Soldaten zu Filmstars

Kurz nach der Luftbrücke entstand in Tempelhof der Film "The Big Lift". Schauspieler gab es nur wenige - lieber spielten die Air-Force-Leute sich selbst.

Das Drama um die Liebe in den Zeiten der Luftbrücke ist zu Ende, traurig verschwindet der Filmheld, um seine Hoffnungen betrogen, von Tempelhof aus in den Wolken. Doch da, im Abspann, erhalten die historischen, die wahren Helden der Geschichte Gelegenheit zu einem letzten Auftritt: In Reih und Glied, im Hintergrund ein Rosinenbomber mit kreisenden Propellern, blicken sie ruhig in die Ferne, bereit zu neuen Taten, Captain Dante V. Morel, Captain John R. Mason und wie sie alle heißen, knapp zwei Dutzend Angehörige der U.S. Air Force, eine Typologie des Soldaten von schneidig bis schnodderig, die auf der Leinwand die wichtigste Rolle ihres Lebens spielen: sich selbst.

„The Big Lift“, unter Regisseur George Seaton 1949 kurz nach der Luftbrücke an deren Originalschauplätzen gedreht, ragt aus der Reihe der Berlin-Filme heraus. Weniger wegen seiner cineastischen Qualitäten - es ist doch eine recht kitschig-naive Geschichte, über weite Strecken reine Militärpropaganda aus amerikanischer Sicht, zudem sicher nicht die stärkste Leistung von Hauptdarsteller Montgomery Clift alias Sgt. 1st Class Danny MacCullough. Aber er bleibt ein Zeitdokument von hoher Authentizität, durch die Bilder aus der Vier-Sektoren-Stadt Berlin mit den Schwarzhändlern und Trümmerfrauen, den Ruinenstraßen, dem demolierten Reichstag, der zerbombten Gedächtniskirche, dem kahlen Tiergarten samt Siegesallee – und nicht zuletzt durch die Aufnahmen vom Flughafen Tempelhof mit seinen Rollbahnen, den Hangars, dem Tower, den Radareinrichtungen, in denen bis auf Ausnahmen nicht Schaupieler als Soldaten agierten, sondern Soldaten zu Schauspielern wurden. Wenn sich der Mann im Kontrollturm bei der anfliegenden Maschine mit „This is Tempelhof“ meldet, dann ist es eben wirklich Tempelhof, der echte Flughafen mit einem echtem Air-Force-Mann als Fluglotsen.

Regisseur Seaton - sein Weihnachtsmärchen „Das Wunder von Manhattan“ hatte 1947 drei Oscars geholt - benötigte für den Luftbrücken-Film nur eine Handvoll professioneller Schauspieler: vor allem Montgomery Clift eben als Bordingenieur Danny MacCullough, Paul Douglas als Funktechniker Hank Kowalski, Bruni Löbel als dessen deutsches, von ihm zur Demokratie bekehrtes Fraulein und Cornell Borchers als Dannys fragwürdige Braut, die ihm ihre Liebe nur vorgaukelt, um nach Amerika zu kommen: Dort wartet bereits ihr Geliebter, ein Deutscher mit dunkler politischer Vergangenheit. In der gekürzten deutschen Fassung kommt es trotz dieser Treulosigkeit zum Happy-End. Mit dem Titel „Es begann mit einem Kuss“ war ohnehin alles über diese Version gesagt.

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Dreharbeiten. In dem Film wirkten neben Montgomery Clift auch viele echte Air-Force-Angehörige mit. -

© dfd

Das Gros des Filmpersonals hatte Seaton mit Laiendarstellern besetzt, worauf im Vor- wie im Abspann hingewiesen wird: mit den 22 zuletzt noch einmal gezeigten Soldaten, mit weiteren namentlich aufgeführten US-Militärs und den vielen anderen, die anonym bleiben. Sogar ihr oberster Befehlshaber taucht in einer Szene auf, General Lucius D. Clay, amerikanischer Militärgouverneur und längst legendär als Vater der Luftbrücke. Ihn als Schauspieler zu verpflichten, ist Seaton aber nicht gelungen. Er fügte eine Wochenschau-Aufnahme in den Film ein, einen prägnanten Satz des Generals: „Wir haben das Recht in Berlin zu sein, und wir beabsichtigen, dieses Recht zu behalten.“

Ohne Clays Zustimmung zu dem Film wäre der kaum gedreht worden, und Clay hat ihn auch, zumal er politisch sehr gelegen kam, weiterhin nach Kräften gefördert. Eine Flotte von Rosinenbombern, meist vom viermotorigen Typ C-54, kurvte nach den Bedürfnissen des Filmteams über die Rollfelder von Tempelhof und der Frankfurter Rhein-Main-Airbase und schwang sich in den Himmel. Neueste Radartechnik, die bei schlechter Sicht notwendige „bodengestützte Anflugkontrolle“, wurde vor der Kamera erläutert. Sogar sein Ehrenwachbatallion ließ Clay exerzieren, als der feierliche Empfang für die Maschine des 100.00. Versorgungsfluges in Szene zu setzen war. Und auch als Montgomery Clift mit der ihm angebotenen Unterkunft nicht zufrieden war und auf „etwas mit Garten“ bestand, griff Clay helfend ein: Ein Colonel samt Familie musste seine Villa räumen. Erstaunlich, dass die Sowjets trotz des ihnen kaum genehmen Stoffes und der Nähe des Filmteams zu den US-Streitkräften nach langen Verhandlungen doch zuließen, dass Seaton in einer Szene am Brandenburger Tor und Unter den Linden drehte.Es hatte ihn selbst überrascht, die Ersatzkulissen waren schon gebaut.

Nach „The Big Lift“ gab es drei weitere Verfilmungen des Luftbrücken-Stoffes. 1981 drehte Thomas Brasch „Engel aus Eisen“, die vor dem Hintergrund der Blockadezeit spielende Geschichte der historischen Gladow-Bande. 1987 drehte Eberhard Itzenplitz fürs ZDF „Rosinenbomber“, 2007 schließlich Dror Zahavi „Die Luftbrücke“ für Sat 1, mit Ulrich Tukur als General Clay. Doch wenngleich dieser Zweiteiler erneut auf dem Flughafen Tempelhof gedreht wurde, mit alten Rosinenbombern als Kulisse, war die bis ins Detail reichende Authentizität von „The Big Lift“ nicht mehr rekonstruierbar. Die Maschinen in Seatons Film gehörten laut Beschriftung zur „19th Troop Carrier Squadron“, einer Einheit, die es tatsächlich gab. Ende 1940 gegründet, war sie zunächst auf Hawaii stationiert, wo auch die beiden Haupthelden des Films ihr Ruf nach Berlin ereilt, nicht gerade zu ihrer Freude. Im Juli und August 1948 nahm die Einheit von der Rhein-Main Air Base an der Luftbrücke teil, wie im Film mit Maschinen des Typs C-54 Skymaster. Sie bestand mit wechselnden Namen bis 1996, wurde dann als „19th Airlift Squadron“ vorerst deaktiviert. Letzter Stützpunkt war die Travis Air Force Base in Kalifornien, zu der ein Luftwaffenmuseum gehört unter anderem mit einer alten C-54. Und wer sich auf der Internetseite (www.travis.af.mil) durch die Geschichte klickt, gelangt rasch zu Bildern aus Berlin zur Zeit der Luftbrücke: Ein Schutthügel, darauf winkende Kinder, während über ihnen ein viermotoriger Rosinenbomber zur Landung ansetzt.

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