zum Hauptinhalt
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

So kann’s gehen: Freunde, die gern politisieren

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten Situationen umgeht: Was tun bei politischen Gesprächen?

Wir haben Freunde, die gern politische Gespräche führen. Jede Unterhaltung lenken sie dorthin, erzählen immer wieder, dass sie sich bei ihrer letzten Amerikareise ein nach ihrer Ansicht authentisches Bild gemacht hatten. Man selber steht leicht dumm da, wenn man nichts über politische Gespräche mit Reisebekanntschaften beisteuern kann, als ob wir oberflächlich interessiert wären, sie hingegen Gespräche mit Tiefgang geführt hätten. Unterbrechungen sind nur schwer durchzusetzen. Die Freundschaft ist mir wichtig – sie besteht seit über 30 Jahren – der Gesprächsverlauf bei den Treffen ist allerdings meist doch sehr einseitig.

Freundschaft verlangt verschiedene Arten von Opfern. Manche identifiziert man nicht mal als solche. So geht es Ihnen anscheinend mit diesen Konversationen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Freunde Sie kein bisschen als oberflächlich einstufen, sondern im Gegenteil als große Politik-Koryphäen.

Wie sollte es auch anders sein, schließlich lauschen Sie ja getreulich ihren Monologen. Also haben Sie aus deren Sicht auf jeden Fall den richtigen Input für jede Menge Tiefgang. Natürlich ist es nicht sehr amüsant, von Freunden als Meinungsgeisel missbraucht und ständig zugequatscht zu werden. Aber jeder Mensch hat Fehler und Nachteile. Mit denen muss man leben lernen, wenn einem die Freundschaft so viel wert ist wie Ihnen.

Es gab eine Zeit, da konnten Familien ihre Freunde stundenlang mit Diashows aus dem Urlaub langweilen. Auch nicht schön. Verfallen Sie also bitte nicht in den Fehler, sich oberflächlich zu fühlen, nur weil sie nicht mit jeder Zufallsreisebekanntschaft die Abgründe amerikanischer Politik diskutieren.

Ehrlich währt am längsten

Dabei kann man auch in manches Fettnäpfchen treten. Vielleicht möchten die Freunde gern ein bisschen wichtiger wirken, als sie sind. Das sollten Sie einfach tolerieren. Es spricht aber nichts dagegen, dass Sie selber die Gesprächsführung übernehmen, wenn die letzte Reise zum fünften Mal zur Sprache kommt.

Fragen Sie nach den nächsten Urlaubsplänen, nach einem schönen Naturpark, einem guten Restaurant oder einem tollen Film, der sie beeindruckt hat. Amerika hat mehr Aspekte als Politik. Sagen Sie doch ruhig mal, dass Sie sich so brennend nicht dafür interessieren. Es wäre wirklich unsinnig zu fürchten, dass das oberflächlich wirkt. Nichts hat so viel Tiefgang wie die Ehrlichkeit.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder per Mail: meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false