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Ein Kind erhält in einer onkologischen Tagesklinik bei einer Chemotherapie eine Infusion.

© Matthias Balk/dpa

Skandal in Brandenburg: Unwirksame Krebsmedikamente: Der Staat hat die Bürger nicht geschützt

Der Skandal um Krebsmedikamente trifft nicht nur Brandenburg, sondern ganz Deutschland. Immer mehr Schlamperei wird offenbar. Jetzt sind Konsequenzen nötig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Das darf nicht passieren. Weil es um Leben und Tod geht. In Brandenburg hat das Landesgesundheitsamt bei einer seiner Kernaufgaben versagt: bei der Arzneimittelüberwachung. Deshalb wurden vermutlich unwirksame Krebsmedikamente für die Chemotherapie verkauft und Patienten verabreicht, für die die Therapie die Rettung sein kann, eine Chance, die letzte vielleicht.

Im Kern geht es beim Arzneimittelrecht um die Abwehr von Gefahren für die Patienten. Der Staat übernimmt eine Fürsorgepflicht für seine Bürger. Die hat das zuständige Landesamt nicht erfüllt.

Gewiss: Für kriminelle Netzwerke kann das Gesundheitsamt nichts. Aber Schuld lädt es auf sich, wenn es nicht reagiert. Wenn Hinweise auf jahrelange Machenschaften folgenlos bleiben. Im Frühjahr 2017 meldeten sich griechische Behörden: Weil in Krankenhäusern seit 2013 in großem Stil Krebsmedikamente gestohlen, nicht ordentlich gelagert und transportiert wurden. Weil die Präparate im Millionenwert in Deutschland verkauft wurden – von einem Pharmahändler mit Sitz in Brandenburg. Auch Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei informierten das Gesundheitsamt. Doch die Behörde tat: fast nichts – und die Firma machte weiter.

Unter Druck. Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze.
Unter Druck. Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze.

© dpa

Dann im Mai macht die griechische Polizei den Fall publik, und Journalisten in Deutschland decken auf, wie die Potsdamer Behörde geschlampt hat. Ein Amt, das dem Gesundheitsministerium in Potsdam untersteht. Ressortchefin ist Diana Golze (Linke). Doch das Ministerium regiert zunächst mit Abwehr – und mit märkischer Hemdsärmeligkeit.

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Nun der Knall. Dass die Medikamente noch wirksam und ungefährlich sind, kann die Behörde nicht garantieren. Doch der amtliche Rückruf folgt mehr als ein Jahr zu spät. Die Ministerin gibt zu: Es gab Fehler. Das ganze Ausmaß ist nicht absehbar. Wer hat die Medikamente bekommen? Unklar. Sind Menschen zu Schaden gekommen? Möglich. Warum versickerten Hinweise von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei? Unklar. Wurden Hinweise unterschlagen? Möglich.

Wenn Vertrauen in den Staat verloren geht

Die meisten Medikamente sind wohl längst verbraucht worden, sie gingen an Händler, Apotheken, Kliniken. In Berlin, Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz. Der Skandal hat eine deutschlandweite Dimension. Kaum zu ermessen, was in Schwerkranken und ihren Angehörigen vorgehen muss. Verstörende Fragen: Was wäre wenn? Was ist zu tun bei der nächsten Therapie? Könnten inzwischen Verstorbene vielleicht noch leben?

Größer könnte der Verlust von Vertrauen nicht sein, wohlgemerkt Vertrauen in den Staat, in seinen Schutz. Und Ministerin Golze? Führt ein Ressort, in dem etwas schief lief, mit schwersten Folgen, wovon die Spitze, die jetzt hilflos agiert, vorher nichts mitbekam. All das ist Golzes politisches Versagen und auch ein menschliches. Weil etwas zu spät kam: Eine deutliche Entschuldigung an die verunsicherten Familien – in aller Form, mit allem Mitgefühl. Diana Golze sollte die Verantwortung dafür übernehmen.

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