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Südosteuropäische Sinti und Roma suchen eine neue Heimat in Berlin. Foto: dapd

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Sinti und Roma in Berlin: Gekommen, um zu bleiben

Immer mehr Roma und Sinti lassen sich dauerhaft in der Stadt nieder. Das Problem: Wohnraum und Schulplätze sind knapp. Eine Arbeitsgruppe auf Senatsebene soll sich nun um sie kümmern.

In Berlin steigt die Zahl der Roma und Sinti, die dauerhaft in der Stadt bleiben. Der Integrationsbeauftragte des Senat sieht die Bezirke damit vor „neue Herausforderungen“ gestellt. Die Erwartung, dass die aus Rumänien und Bulgarien stammenden Familien, die seit dem EU-Beitritt 2007 vermehrt in die Stadt kommen, nur in den Sommermonaten blieben und wieder abreisen, „waren nicht richtig“, sagt Günter Piening.

Besonders die Schulen haben mit der Zuwanderung zu kämpfen, weil die Neuankömmlinge meist kein Deutsch sprechen und oft nicht alphabetisiert sind. „Wir müssen sie auffangen“, sagt Carsten Paeprer, Schulleiter der Hans-Fallada-Schule. Seit Jahren werden immer mehr rumänische Schüler in der Harzer Straße in Neukölln angemeldet. 40 waren es vor einem Jahr, inzwischen sind es 90. Jetzt hat die Schule zwei Dolmetscher. Doch der Blick auf die Anmeldungen zeigt, dass noch einmal 20 hinzukommen sollen. „Unsere Belastungsgrenze ist erreicht“, sagt Paeprer.

Gleich um die Ecke der Schule, in der Harzer Straße, haben sich ganze Familienverbände vor allem aus dem Dorf Fantanele bei Bukarest einquartiert. 500 Menschen sind von dort bis heute in die Straße gezogen, in ganz Berlin sollen schätzungsweise 6000 Roma und Sinti leben, genaue Zahlen gibt es nicht, weil sich längst nicht jeder anmeldet.

Neuköllns Migrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch macht „ein Schlupfloch im System“ für die große Einwanderung verantwortlich: Für rumänische und bulgarische Bürger gilt seit 2007 die Freizügigkeit innerhalb der EU. Der Zugang zum Arbeitsmarkt bleibt ihnen in Deutschland verwehrt, sie können aber ein Gewerbe anmelden. Dadurch sichern sie sich ein dauerhaftes Bleiberecht. „Und wenn es nicht klappt mit dem Gewerbe, haben sie in kurzer Zeit Anspruch auf Sozialleistungen und Kindergeld“, sagt Mengelkoch. 2400 Gewerbe von Rumänen und Bulgaren waren im März in Neukölln gemeldet. Bis zu 100 in nur einem Mietshaus. Verantwortlich für die Vergabe sind die Jobcenter. „Ich weiß nicht, wieso das dort niemandem auffällt“, sagt Mengelkoch.

Weil der Senat zu lange gebraucht habe, „bis ihm das Problem überhaupt aufgefallen ist“, hat Neukölln im vergangenen Jahr auf eigene Faust den Roma-Statusbericht und einen Runden Tisch zum Thema eingerichtet. Aber auch in Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg haben sich größere Gruppen angesiedelt. „Man geht dort hin, wo Wohnraum zur Verfügung steht“, erklärt der Integrationsbeauftragte Piening, die Ortswahl der Neuankömmlinge. Wohnungen seien für Sinti und Roma extrem schwer zu bekommen. Ihre Diskriminierung sei auch in Deutschland allgegenwärtig, an vielen Schulen höre man das Schimpfwort „du Zigeuner“.

„Weil es so schwer ist, eine Wohnung zu finden, geraten Familien in die Hände von ausbeuterischen Vermietern“, sagt Christian Hanke, Bezirksbürgermeister von Mitte. Als mehrere Familien vor drei Jahren auf dem Leopoldplatz in Wedding campierten, sei man auf das Problem aufmerksam geworden. Seitdem steuert der Bezirk mit einer Arbeitsgruppe und einem Roma-Beratungszentrum in der Wiesenstraße gegen. „Wir gehen davon aus, dass viele gekommen sind, um hier zu bleiben. Und das erfordert dann einigen Aufwand.“

Und der kostet Geld. „Wenn jetzt noch eine große Zuwanderungswelle kommt, schaffen wir das nicht mehr“, sagt Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schönefeld. Vor allem im schulischen Bereich stößt der Bezirk an seine Grenzen. „Es fehlt die Infrastruktur und die Finanzierung, um die Kinder aufzufangen.“ Jetzt hofft sie auf eine Arbeitsgruppe auf Senatsebene, die das Problem demnächst angehen soll. Auch die Finanzverwaltung soll dabei eingebunden werden.

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