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Böller und Raketen steigen auf der Straße an der Oberbaumbrücke in die Luft, während Passanten vorbeigehen. 

© Paul Zinken/dpa

Silvester ja – aber ohne Böller: Warum ein Verbot von privatem Feuerwerk sinnvoll wäre

Ein gutes Feuerwerk kann unvergesslich sein, privates Feuerwerk ist vor allem stressig – für Mitbürger und für Natur und Tierwelt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rilana Kubassa

Ja, Feuerwerk ist schön. Aber auch gefährlich. Wer sich nicht an die Regeln hält, kann großen Schaden anrichten. Deshalb sollte es statt der vielen privaten Knallereien ein öffentliches Feuerwerk geben, das alle genießen können.

Auch, wenn sich in der Diskussion aktuell abzeichnet, dass an Silvester wohl doch geknallt werden darf – die Ministerpräsidenten konnten sich am Montagabend nicht auf das von Berlin vorgeschlagene generelle Böller-Verkaufsverbot verständigen, Feuerwerke auf großen Plätzen sollen aber untersagt werden können, eine endgültige Entscheidung soll bei den Beratungen am Mittwoch fallen – gibt es doch einige Argumente, die für ein Verbot von privatem Feuerwerk und dessen Verkauf sprechen.

Das private Böllern in Berlin ist zur Bedrohung geworden. Wer an Silvester nach 22 Uhr noch auf die Straße geht, muss ständig mit explodierenden Knallern rechnen, die einem „einfach so“ entgegengeworfen werden, egal in welchem Stadtteil. Das Feuerwerk am Himmel um null Uhr genießen? Ja, aber nur hinter geschlossenen Fenstern, vor allem wenn kleinere Kinder oder Haustiere dabei sind. 

Die Detonationen von Böllern, die durch die nah aneinander stehenden Häuserwände noch lauter werden, machen das Schöne an Silvester zunichte. Spaziergänge, Aufenthalte an der frischen Luft sind so vor allem eins: stressig. Das Knallen beginnt am Nachmittag des 31.12. und endet irgendwann im Januar, bis auch der letzte Blindgänger losgegangen ist und der letzte versteckte Feuerwerkskörper gezündet wurde.

Am 1. Januar dieses Jahres lautete die Bilanz des Berliner Unfallkrankenhauses: 15 schwerverletzte Personen, darunter vier Kinder. Zu den schweren Verletzungen gehörten Verbrennungen und abgetrennte Finger, einmal eine ganze Hand. 

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In Kreuzberg wurde ein Bus mit Pyrotechnik beschossen, die Windschutzscheibe wurde durchschlagen. In Alt-Hohenschönhausen wurden Raketen von einem Balkon auf die gegenüberliegende Häuserreihe geschossen, sodass ein Fenster zerstört wurde und Feuer ausbrach. 

Die Feuerwehr meldete 1523 Einsätze für die letzte Silvesternacht, es gab mehrere Großeinsätze. 806 mal rückte ein Rettungswagen aus, bei der Polizei gingen zwischen 18 und 6 Uhr 3065 Notrufe ein. 

In diesem Jahr kommt zusätzlich zu den Einsätzen bei Angriffen, Feuer, Verletzungen und Sachbeschädigungen hinzu, dass zum Beispiel Abstandsregeln eingehalten werden müssen - bei Bürgern, die - typisch Silvester - nicht selten unter Alkoholeinfluss stehen. 

Einsatzkräfte werden also genug zu tun haben. In den letzten Jahren gab es in der Silvesternacht vermehrte Angriffe auf Polizeibeamte, weshalb es zum Jahreswechsel 2019/2020 im Steinmetzkiez in Schöneberg und am Alexanderplatz Böller-Verbote gab. Die Feuerwehr meldete im Januar trotzdem noch 24 Übergriffe, die Polizei 57 Angriffe auf Beamte.

Kein gutes Jahr für Silvester-Flüchtlinge

Wer dem Silvester-Exzess in Berlin entfliehen will, der fährt sonst ins Berliner Umland und verbringt dort den Jahreswechsel. Aber nicht dieses Jahr, touristische Aufenthalte sind verboten. Auf der Seite vom Koordinierungszentrum Krisenmanagement in Brandenburg heißt es beispielsweise: „Hotels und Pensionen dürfen keine Touristen beherbergen, sondern nur noch Reisende, die geschäftlich oder aus anderen notwendigen Gründen unterwegs sind.“

[Lesen Sie auch diesen Kommentar zum Vorstoß des Berliner Senats: Die Diskussion um Böllerverbot zeigt die Arroganz der Großstädter.]

Ausgenommen seien Dauercamper und „die Vermietung und Verpachtung von Ferienwohnungen und -häusern, die auf der Grundlage eines Miet- oder Pachtvertrags mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr nicht nur vorübergehend genutzt werden.“ Wochenend-Trips oder eine Silvester-Flucht gehören nicht dazu.

Es gibt also, wenn man Rücksicht nimmt, die Familie nicht besucht und etwa kein Dauercamper, Jäger mit kostenpflichtiger Jahresjagderlaubnis oder Langzeitmieter einer Ferienwohnung ist, keine Ausweichmöglichkeit für viele Berlinerinnen und Berliner.

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Zu den gestressten Menschen kommen gestresste Tiere. Jedes Jahr mahnen Umwelt- und Tierschutz zur Rücksicht gegenüber der Tierwelt. Laut PETA „leiden Millionen von Tieren unter dem ohrenbetäubenden Lärm, den grellen Blitzen und den unbekannten Gerüchen“. Feuerwerk würde Tiere in Todesangst und Panik versetzen, heißt es auf der Webseite. 

Besonders Hunde und Katzen leiden

Der Tierschutzbund nennt als Grund für die Haustierpanik, dass der Krach besonders für Hunde und Katzen belastend sei, „da sie ein wesentlich feineres Gehör haben als Menschen“, und empfiehlt neben dem Schließen von Fenstern und Türen im Extremfall auch Beruhigungsmittel. 

Vögel und Wildtiere, die weder Schutz und noch Zugang zu Beruhigungsmitteln haben, werden laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) mitten im Winter jäh aus dem Schlaf gerissen. Das Problem: Im Winter laufe ihr Stoffwechsel eigentlich auf Sparflamme. „Einige Vögel beispielsweise fliehen vor dem Feuerwerk, indem sie auf Höhen von bis zu 1000 Meter steigen und verlieren dadurch wertvolle Energie, die sie eigentlich für den Winter benötigen.“ 

Weitere negative Aspekte des Silvester-Feuerwerks sind laut NABU der Plastikmüll und die große Feinstaubbelastung. Zum 1. Januar würden jährlich rund 5000 Tonnen Feinstaub in Deutschland freigesetzt - „eine Menge, die 17 Prozent des jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubs entspricht.“

Auch wenn in Berlin in diesem Jahr wieder Böllerverbotszonen eingerichtet werden sollen und wenn man das Silvesterfeuerwerk auf belebten öffentlichen Plätzen und Straßen untersagt: Iin den engen Straßen und Wohngebieten bliebe es erlaubt – und gerade da ist es eine Belastung.

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