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Polizei und Rettungskräfte am 1. Januar in der Karl-Marx-Allee im Einsatz.

© Christophe Gateau/dpa

Silvester in Berlin 2017: „Die Platzpatronen flogen über unseren Köpfen“

Acht Feuerwehrleute wurden in dieser Silvesternacht angegriffen und 57 Einsatzfahrzeuge beschädigt. Wie einer von ihnen die Angriffe erlebte.

Als der erfahrene Brandmeister Andreas Ohlwein um vier Uhr morgens zu einem brennenden Balkon am Eichhorster Weg in Reinickendorf kommt, ist er schon zehn Stunden unterwegs. Sein Silvester-Einsatz nähert sich dem Ende. Alles Routine bisher. Doch dann werden er und seine Kollegen aus Vogelschreckpistolen beschossen.

Nach Angriffen wie diesen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter in der Nacht zu Neujahr wird deutschlandweit über eine Eskalation der Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte diskutiert. Bei der Berliner Polizei ist man nun dabei, sich einen Überblick über die Gesamtlage zu machen.

„Bisher wissen wir nur, dass zehn Polizisten in der Silvesternacht verletzt wurden“, sagte Polizeisprecherin Kerstin Ziesmer am Mittwoch. Wie viele Verdächtige festgenommen wurden, ist dagegen noch unklar. Allein rund um die Silvesterparty am Brandenburger Tor gab es sechs Festnahmen wegen Widerstandes gegen Polizeimaßnahmen, Beleidigung oder Körperverletzung von Beamten.

„Wenn ein Brand gelöscht ist, müssen die Kollegen gleich weiter"

Aggression gegen Helfer – für Ohlwein ist das kein neues Silvester-Phänomen. „Ich bin jetzt seit 34 Jahren bei der Feuerwehr. Und schon als ich angefangen habe, mussten wir damit leben, dass immer mal wieder ein Böller in unsere Richtung fliegt.“

Inzwischen habe die Böllerei eine neue Dimension erreicht.

Früher, erinnert sich Ohlwein, habe die Feuerwehr die Einsätze gut bewältigen können. In den vergangenen Jahren aber waren alle Mannschaften zwischen elf Uhr abends und zwei Uhr morgens im Dauereinsatz. „Wenn ein Brand gelöscht ist, müssen die Kollegen gleich weiter. Die sonst übliche Pause entfällt.“

Dass ihre Einsatzwagen dazu noch immer wieder mit Feuerwerk beschossen werden, sorgt für zusätzlichen Stress. Feurwehrsprecher Ohlwein hat das in dieser Silvesternacht in der Schönhauser Allee selbst erlebt. Da beschossen sich zwei Gruppen Jugendlicher quer über die Straße. Dazwischen eine Feuerwerksbatterie und Ohlmanns Auto.

In Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln gehört das für Feuerwehrkräfte inzwischen schon zur üblichen Silvesterroutine. Aber auch die Hochhaussiedlungen in Marzahn, Hellersdorf, im Märkischen Viertel und in Gropiusstadt sind der Feuerwehr als Hotspots bekannt.

Acht Feuerwehrleute angegriffen, 57 Einsatzfahrzeuge beschädigt

Am schlimmsten aber sei es für ihn und seine Kollegen, sagt Ohlwein, wenn sie beim Löschen angegriffen werden – wie bei dem Brand in einem Neuköllner Musikgeschäft geschehen. „Da fühlen wir uns dann schon persönlich attackiert, wenn uns die Böller vor die Füße fliegen.“

Acht Feuerwehrleute wurden in dieser Silvesternacht angegriffen und 57 Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Feuerwehr will alle Fälle zur Anzeige bringen, sagt Ohlwein. „Die Gesellschaft muss verstehen, dass es nicht geht, wenn man mit Feuerwerk auf Menschen schießt.“

Und sein eigenes Erlebnis am Eichhorster Weg? Da gibt sich Ohlwein gelassen. „Die Platzpatronen sind ja zehn Meter über unseren Köpfen hinweggeschossen. Das war zwar nervtötend, aber wir fanden es viel schlimmer, dass unsere Zufahrtswege schon wieder mit Autos zugeparkt waren.“

Caspar Schwietering

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