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Immer noch im Einsatz. Mehrmals in der Woche kümmert sich Rosenberg in der Malteser-Zentrale um die Fahrzeuge.

© Diana Bade

Siebzig Jahre im Ehrenamt: Helfen ist Ehrensache

Der 86-jährige Heribert Rosenberg engagiert sich seit 1952 bei den Berliner Maltesern.

Helfen gehört für Heribert Rosenberg zu seinem Leben. Der 86-jährige ist seit unglaublichen sieben Jahrzehnten als Sanitäter und Katastrophenhelfer bei den Berliner Maltesern im Einsatz – und auch heute noch ehrenamtlich aktiv. Bundesweit ist er damit das dienstälteste Mitglied der katholischen Hilfsorganisation. Kurios: Der ehemalige Postbeamte ist damit länger engagiert, als es die Berliner Malteser überhaupt gibt. Denn 1952 waren die Berliner noch organisiert im „Johanniter-Samariter-Bund – Katholischer Sanitätsdienst Groß Berlin“, der sich erst 1953 dem neu gegründeten Bundesverband Malteser Hilfsdienst anschloss.

„Die Malteser sind mein Leben“, sagt Rosenberg: „ich bereue keine Minute.“ Der rüstige Witwer lebt heute in einer von den Maltesern betreuten Wohneinrichtung in Tempelhof. Immer noch fährt er einmal in der Woche nach Charlottenburg in die Zentrale der Malteser. Dort arbeitet er dann einige Stunden in seinem Büro, das er sich mit anderen Ehrenamtlichen teilt. Er betreut und verwaltet die 42 Fahrzeuge der Malteser für den Katastrophenschutz. Einst fing Rosenberg als Sanitäter an, war später lange Bezirksbeauftragter in Tiergarten und elf Jahre bis 2005 ehrenamtlicher Diözesanreferent für Katastrophenschutz in Berlin. Als Einsatzleiter ist er unter anderem 1997 beim Oder-Hochwasser dabei. „Ich brauchte kein Geld, für mich stand immer im Vordergrund, anderen Menschen zu helfen. Ehrenamt ist Ehrensache,“ sagt der pensionierte Postbeamte.

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Die große Hilfsbereitschaft in der jetzigen Ukraine-Krise imponiert dem Rentner. „Es ist toll, wie den Flüchtlingen geholfen wird“, sagt Heribert Rosenberg. Er selbst hat vor ein paar Tagen Spenden gesammelt und mit seinem Auto Decken, Lebensmittel und Windeln zu einer Familie nach Pankow gebracht. Die Berichte über Krieg und Zerstörung aus der Ukraine machen Rosenberg große Sorgen. „Ich habe die Schrecken des Krieges in meiner Jugend und später als Malteser 1956 im Kriegsgebiet in Ungarn selber erlebt. Dass wir heute nach 50 Jahren Frieden in Europa im Nachbarland wieder einen Krieg haben, belastet mich. Ich verstehe die Welt nicht mehr.“

Ein reiches Leben - und viele Orden. Heribert Rosenberg - hier 2019 - ist vielfach geehrt worden, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz.
Ein reiches Leben - und viele Orden. Heribert Rosenberg - hier 2019 - ist vielfach geehrt worden, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz.

© Diana Bade

Beim Volksaufstand gegen die sowjetischen Besatzer sei er mit den Kollegen von den Maltesern spontan nach Ungarn gefahren, um zu helfen, erzählt er. Das gäbe es heute natürlich nicht mehr. Bei jedem Auslandseinsatz werde vorher abgesprochen, was dort benötigt wird. Aber improvisieren müsse man trotzdem immer, sagt der Mann, der 22 Jahre lang den Katastrophenschutz der Malteser in Berlin aufgebaut hat. Beim Elbe-Hochwasser 2002 habe er beim Einsatz im überfluteten Dresden gemerkt, dass es keine Lebensmittel gab, weil alle Geschäfte unter Wasser standen. Deswegen habe er zwei Köche aus Berlin geholt  und zwei Wochen lang jeden Tag einen Lastwagen voller Lebensmittel aus Berlin geschickt, damit in Dresden warme Mahlzeiten gekocht werden konnten. Egal, wo er geholfen hat, eines ähnelte sich. „Zu erfahren, wie dankbar die Menschen für die Hilfe sind, das war immer eine emotionale Wohltat für mich.“ Das habe ihm immer Kraft gegeben und angespornt, weiter zu machen.

Wenn heute ukrainische Frauen im U-Bahnschacht ihr Kind zur Welt bringen müssen, ruft das bei dem früheren Einsatzsanitäter Erinnerungen wach: Vor 66 Jahren, bei der großen Fluchtbewegung an der österreichisch-ungarischen Grenze wurde der damals junge Mann Zeuge eines berührenden Moments. Er und seine Kollegen versorgten eine hochschwangere Frau auf der Flucht und der junge Rosenberg leistete zum ersten Mal in seinem Leben Geburtshilfe. „Als ich den kleinen Wurm in der Hand hielt, sind bei mir die Freudentränen geflossen“, erzählt er. 

Seit seine Frau vor einigen Jahren gestorben ist, lebt er allein. War er früher der Held seiner zwei Kinder, wenn er wieder irgendwo die Welt rettet? „Die waren nicht immer begeistert, wenn ich mal wieder spontan unterwegs war“, sagt Heribert Rosenberg: „Aber sie haben es mir nicht übel genommen.“ Und stolz auf ihren Vater seien sie wohl auch gewesen, sagt über seine Tochter und seinen Sohn, die beide in Berlin leben.  

Für seinen Einsatz in Ungarn hat Rosenberg die erste Ehrung bekommen, die damals „Gefrierorden“ genannte Würdigung, weil es in Ungarn so „saukalt“ gewesen sei. Insgesamt 16 Ordensabzeichen sind es im Laufe der Jahre geworden. Unter den Orden und Medaillen finden sich das Bundesverdienstkreuz am Bande oder die Berliner Ehrennadel für besonderes soziales Engagement. Auch den höchsten Ritterorden der Republik Malta hat er erhalten. Für die Annahme des Ordens habe er damals noch eine offizielle Genehmigung benötigt, weil Malta erst 2004 Mitglied der EU wurde, berichtet Rosenberg schmunzelnd.

Wenn Rosenberg aktuell die Geflüchteten sieht, wird er an eigene Erlebnisse erinnert. Auch er war ein Flüchtlingskind. Als elfjähriger Junge floh seine Familie aus Ostpreußen vor der sowjetischen Armee, er hat Krieg, Bomben und Zerstörung in Berlin erlebt. Am liebsten würde er bei der Ukraine-Hilfe wieder mitanpacken, müsse sich jedoch bei Vor-Ort-Einsätzen zurückhalten. „Die Kraft ist nicht mehr da“, sagt der 86-Jährige fast entschuldigend.

Wenn Sie mehr über die Malteser erfahren möchten: https://www.malteser-berlin.de/

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