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Eine Gefängniszelle (Symbolbild).

© Patrick Pleul/ dpa

Update

Sexueller Missbrauch in 136 Fällen: Jugendwart des Anglervereins musste kein Führungszeugnis vorlegen

Ein jetzt 50-Jähriger soll als Jugendwart in Sportvereinen, zuletzt in Kladow, Kinder schwer missbraucht haben. Der Vereinsvorsitzende ist „fassungslos“.

Seit zwanzig Jahren war der 50-Jährige ehrenamtlich als Jugendwart tätig, zuletzt bei einem Anglerverein in Kladow. Jetzt sitzt der Mann in Untersuchungshaft. Der grausame Verdacht: 136 Fälle des – teils schweren – sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Und das sind nur die Fälle aus den vergangenen drei Jahren, die Polizei und Staatsanwaltschaft bereits bekannt sind und mit denen der Haftbefehl erwirkt wurde. Intern befürchten die Ermittler, dass der Fall noch weitaus größere Ausmaße annehmen könnte – und dass ein Mann, der seine Rolle als Jugendwart systematisch ausgenutzt und unzählige Kinder missbraucht haben könnte, jahrelang unentdeckt blieb.

Mögliche Opfer sollen sich bei Behörden melden

Polizei und Staatsanwaltschaft rufen daher weitere mögliche Opfer und deren Angehörige dazu auf, sich bei den Behörden melden. „Die Ermittlungen – insbesondere auch hinsichtlich etwaiger weiterer mutmaßlicher Opfer – dauern an“, hieß es.

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Bereits am Abend des 1. November wurde der Mann wegen des dringenden Tatverdachts des vielfachen, teils schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern festgenommen. Allein in den vergangenen drei Jahren soll er mindestens vier Jungen im Alter von acht Jahren bis elf Jahren sexuell missbraucht haben. Nun ermittelt das Kommissariat für Sexualdelikte beim Landeskriminalamt.

Zielfahnder haben den Mann in seinem Wohnwagen festgenommen. Bei der Durchsuchung fanden die Beamten umfangreiches Beweismaterial. Darunter waren auch zahlreiche Gegenstände, die „nach den Schilderungen der Kinder bei den Missbrauchshandlungen regelmäßig zum Einsatz gekommen sein sollen“, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Jetzt sollen die sichergestellten Datenträger ausgewertet werden. Es geht darum, ob der Verdächtige seine Taten gefilmt oder fotografiert hat.

„Fassungslos und schockiert“

Der Vorsitzende des betroffenen Vereins erklärte dem Tagesspiegel, „dass ich wie alle anderen im Verein völlig fassungslos und schockiert bin“. Der Verdächtige sei seit mehreren Jahren im Verein und habe als Jugendwart gute Arbeit geleistet. „Die Jugendgruppe bei uns ist gewachsen, die Kinder hatten viel Spaß und immer wieder gefragt, wann sie wieder aufs Wasser konnten.“

Der Mann sei zuvor bei anderen Vereinen Mitglied gewesen und habe auch dort viel Kontakt mit Kindern gehabt. Von anderen Vereinen sei er sehr positiv beschrieben worden. Die Opfer sind nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Mitglieder des Klubs.

Der Vereinschef sagte, er habe nie Signale oder Mitteilungen erhalten, dass es Ungereimtheiten mit dem Jugendwart gebe. „Ansonsten hätte ich sofort reagiert oder er wäre ohnehin nie Jugendwart geworden.“ Ob auch das Vereinsgelände zu den potentiellen Tatorten gehörte, konnte er nicht sagen.

Ein erweitertes Führungszeugnis habe der Verdächtige nicht vorlegen müssen, berichtet der Vorsitzende. Er sei froh gewesen, überhaupt jemanden für die Aufgabe gefunden zu haben. Zudem habe es ja die positiven Berichte aus den anderen Vereinen gegeben.

Ab 2020 soll es ein Siegel Kinderschutz für Vereine geben

Der Landessportbund Berlin hatte sich zuletzt Ende Oktober im Rahmen seiner vierten „Berlin-Brandenburgische Regionalkonferenz für den Kinderschutz gegen sexualisierte Gewalt im Sport“ mit den Gefahren beschäftigt. Dort wurde auch bestätigt, dass es ab 2020 ein Siegel „Kinderschutz“ für Vereine und Verbände als „Prädikat für eine Kultur der Aufmerksamkeit“ geben solle.

Bereits 2009 hatten Landessportbund und Evangelisches Jugendfürsorgewerk eine Kinderschutzerklärung verabschiedet, die inzwischen von über 200 Vereinen und Verbänden unterschrieben worden sein soll.

Das Thema Kinderschutz wurde auch in die Ausbildung zum Trainer und Übungsleiter implementiert, heißt es auf der Homepage des Landessportbundes. Zudem sei ein „Leitfaden Kinderschutz“ 2012 erschienen und an alle Vereine und Verbände verteilt worden. Kinderschutz-Seminare seien für alle Teilnehmenden in den Freiwilligendiensten im Sport wie Übungsleiter oder Verbandsmitarbeiter verpflichtend. Die Frage, inwieweit die Regelungen auch Jugendwarte betreffen, wollte der Landessportbund im Laufe des Tages beantworten.

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