zum Hauptinhalt
Der Eingang zum U-Bahnhof Schlesisches Tor in Kreuzberg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Sexualdelikte und Drogenhandel am Schlesi: So will Berlin auf die Kriminalitäts-Hotspots reagieren

Raub, Drogenhandel, sexuelle Übergriffe – am Schlesischen Tor und in anderen Kreuzberger Kiezen nehmen sie zu. Die Polizei fordert politische Konzepte.

Nach einem Tagesspiegel-Bericht über die Zunahme der Kriminalität im Wrangelkiez und am Schlesischen Tor werden Forderungen nach neuen Konzepten laut. „Wir haben es in dem Bereich mit Hunderten Drogendealern zu tun, die in der Konkurrenzsituation auch vor schweren Gewalttaten nicht zurückschrecken“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Grundsätzlich werden wir das Problem Drogenhandel und die dazugehörige Begleitkriminalität aber weder im Görli noch in Friedrichshain-Kreuzberg lösen können, es braucht einen gesamtstädtischen Ansatz.“

Wie berichtet, entwickelt sich das Gebiet rund um das Schlesische Tor immer mehr zum Hotspot für Drogenhandel, Gewalt, Raub, aber auch Sexualdelikte vor allem durch Dealer aus Westafrika. Die Polizei hat deshalb die Einstufung des Görlitzer Parks als sogenannten „kriminalitätsbelasteten Ort“ im Mai 2020 „um Teile des Wrangelkiezes und des Schlesischen Tors vergrößert“. Laut Jendro fungiert der Görlitzer Park nur noch als Kontaktbörse, die Straftaten haben sich in Richtung Schlesisches Tor verlagert.

„Das Signal, das von der Situation ausgeht, ist verheerend“, sagte Jörn Badendick vom Polizei-Berufsverband „Unabhängige“. „Gerade Sexualdelikte beunruhigen die Bevölkerung besonders. Hier sind Politik und Polizeiführung eindringlich gefordert.“ Innenpolitiker der rot-rot-grünen Koalition sehen die Lage differenziert.

Tom Schreiber (SPD) spricht von Verdrängungseffekten „auf der 'Achse des Bösen' Warschauer Straße, Schlesisches Tor, Görlitzer Park, Kottbuser Tor“, etwa durch die seit Jahresbeginn aktive Brennpunkteinheit, aber auch die coronabedingte Schließung der Clubs. „Auch aus anderen Kiezen kommen Rückmeldungen, dass die Kieze wegen der Kriminalität zu kippen drohen“, sagte Schreiber.

Das Schlesische Tor sei daher auch ein Symbol für andere Kieze, „wo das Recht des Stärkeren und nicht des Rechtsstaats gilt“. Er könne jedoch keine ausreichenden Antworten von Polizei, Politik und Bezirk erkennen. Der Drogenhandel sei nur ein Zeichen für tiefer liegende Probleme, es gehe dabei auch um organisierte Kriminalität und wie das Asylrecht durchgesetzt werde. Nötig seien jetzt eine Strategie für alle Hotspots in der Innenstadt und höherer Verfolgungsdruck.

Lux empfiehlt Ausweitung von Brennpunktstreifen

Benedikt Lux (Grüne) erklärte: „Drogenhandel und Belästigungen müssen von der Polizei unterbunden werden. Mögliche Verdrängungseffekte sind im Blick zu behalten.“ Er empfehle „die von der Polizei eingeführten Brennpunkt- und Präsenzstreifen auszuweiten, da sie die Lage und mögliche Tatverdächtige auch von anderen Berliner Hotspots sehr gut kennen“.

Niklas Schrader (Linke) findet, es sei nicht überraschend, dass die Kriminalität aus dem Görlitzer Park in umliegende Gebiete verdrängt werde. „Notwendig wäre eine deutliche Ausweitung der Aktivitäten, die im Park einige Verbesserungen gebracht haben, also den Einsatz von Parkläufern, Krisenhelfern und multidisziplinären Teams unter Einbeziehung der Polizei“, sagte Schrader.

[290.000 Leute, 1 Newsletter: Den Tagesspiegel-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg gibt's hier – voller Debatten, Ideen, Tipps und Terminen: leute.tagesspiegel.de]

Er sprach sich jedoch gegen anlasslose Kontrollen durch die Polizei aus, die nun durch die Einstufung als kriminalitätsbelasteter Ort möglich sind. Das sei „kein zielführender Weg“. Bei den Problemen „zeigen sich auch die Folgen der verfehlten Integrationspolitik, die viele Menschen ohne Perspektive und Teilhabechancen zurücklässt“, sagte Schrader. „Auch die gescheiterte Drogenpolitik auf Bundesebene muss sich ändern. Prohibition funktioniert nicht.“ Die kontrollierte Abgabe von Drogen sei ein fälliger Schritt und würde Berlin helfen, den Schwarzmarkt einzudämmen und Suchtkrankheiten zu verringern.

Marcel Luthe, fraktionsloser Innenpolitiker mit FDP-Parteibuch, sieht das Problem woanders: „Wir müssen die Sicherheit vom Kopf wieder auf die Füße stellen: Statt irgendwelcher läppischen Ordnungswidrigkeiten muss die Polizei zunächst konsequent Straftaten verfolgen und Sicherheit gewährleisten – und genau dafür fehlen Ressourcen.“

Unter Rot-Rot-Grün würden die Gesetze immer weniger durchgesetzt, das sei das Begräbnis des Rechtsstaats. Dealer, die Anwohnerinnen sexuell belästigen, seien „widerliche Täter“, sagte Luthe. „Wir haben die rechtliche Möglichkeit, diese Täter in Gewahrsam zu nehmen und die Tatmittel – Handy, Bargeld, Drogen – einzuziehen. „Notfalls immer wieder neu“, erklärte Luthe weiter. „Wir haben noch den längeren Atem. Aber nur, wenn wir endlich auch entschlossen handeln.“

Zur Startseite