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Alles muss man selber machen.

© Swen Pförtner/dpa

Servicewüste Deutschland: „Ich will nicht alles selber machen!“

Bordkarten ausdrucken, Einkäufe scannen: Technische Neuerungen sind oft Vorwand, zu sparen. An mir! Muss ich mich bald auch beim Zahnarzt selbst behandeln?

„Muss man denn alles immer selber machen?“ Wenn meine Mutter das sagte, war sie in der Regel ziemlich wütend. Meistens waren wir Kinder in solchen Fällen zu faul gewesen, aufzuräumen, abzutrocknen oder uns sonst wie nützlich zu machen. Lange hatte ich den Spruch vergessen. In letzter Zeit fiel er mir häufiger wieder ein. Weil man neuerdings immer alles selber machen muss.

Das empfinde ich als Zumutung. Habe ich etwa nicht lange an mir gearbeitet, um qualifizierten Tätigkeiten nachgehen zu können? Wieso muss ich dann plötzlich an der Kasse stehen und Äpfel, Birnen und sonst was einscannen? Ist zwar nur mein eigener Kram, aber ich hab' mich über die guten Wochenend-Wünsche einer Kassiererin immer gefreut. Die Express-Kassen, an denen man in Selbstbedienung bezahlt, sind zwar noch nicht flächendeckend installiert, aber das kommt bestimmt. Und Vorreiter einer bösen Entwicklung gibt es zur Genüge.

Ein Vorwand, um Geld zu sparen

Was waren das noch für Zeiten, als ich am Flughafen skeptisch äugte, ob die Mitarbeiter auch den richtigen Zielflughafen auf das Band eingegeben hatten, das um den Koffergriff gewickelt wurde, bevor er aufs Band kam. Lange her. Das Eingeben erledigt man jetzt selber und schmeißt den Koffer meist dann auch allein aufs Band. Bordkarten darf man eh von der eigenen Druckerfarbe bezahlen. Wann wird mir mein Friseur die Schere in die Hand drücken? Und wann der Zahnarzt den Bohrer? Logisch wäre das im Sinne dieser Entwicklung.

Und wehe, man sagt was. Dann gucken sie einen alle mitleidig an, als sei man der letzte Vollidiot. Oder vormodern, nicht aufgeschlossen technischen Neuerungen gegenüber. Die sind allerdings zu oft einfach nur Vorwände, Geld zu sparen. An mir. Und das hasse ich.

Servicequalität? Stelle ich mir anders vor

Bei dem Versuch, die Wunschnachbarin fürs die nächste Paketzustellung anzugeben, hatte ich zwar geduldigst mehrfach bewiesen, dass ich kein Roboter bin, aber darüber dann mein Passwort vergessen. Beim Kundendienst waren sie patzig und sagten, ich solle mich so lange durchs Internet klicken, bis ich das Antragsformular gefunden habe, mit der sich die Sache wieder entsperren lässt. Ob sie mir das vielleicht auch einfach schnell mailen könnten? „Dazu sind wir nicht befugt. Haben Sie denn niemanden, der Ihnen mit dem Internet hilft?“, kam die etwas unverschämte Reaktion. Wie bitte?

Ich bin durchaus in der Lage, mit einem Computer umzugehen, aber nicht willens, meine Zeit mit nervigen Suchen zu verbringen. Unter Servicequalität stelle ich mir etwas anderes vor, nämlich ein bisschen praktizierte Hilfsbereitschaft, die mir eine Sache leichter macht.

Hotline-Trauma

Stattdessen wird mein Mailfach zugemüllt mit Fragebögen, wie ich dieses oder jenes beurteilen würde. „Helfen Sie uns, besser zu werden“, heißt es da oft. Nur die Option, anzugeben, dass besser werden nicht darin besteht, für sich selber Kosten zu sparen, sondern auch mal darin, dem Kunden, dem Gegenüber einen Moment lang das Leben zu erleichtern, die kommt natürlich nicht vor.

Auch die Frage: „Haben Sie ein Hotline-Trauma bekommen?“, durfte ich noch nie mit „ja“ beantworten. Deshalb sei’s mal in aller Deutlichkeit gesagt. Ich will nicht immer alles selber machen! Gebt euch auch mal ein bisschen Mühe.

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