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Überraschungsgast.

© ullstein bild

SERIE: Whisky und Weiber

Ernest Hemingway fand das Berlin der Zwanziger grauenhaft. Erst später entdeckte er auch schöne Seiten – etwa Käthe Dorsch. Er kam 1931 zur Premiere der Bühnenversion seines Romans „A Farewell to Arms“ im Deutschen Theater – betrunken, aber immerhin.

Eine Liebeserklärung sieht anders aus: „Berlin ist eine vulgäre, hässliche, mürrisch zügellose Stadt.“ Ist das Pariser Nachtleben „das am höchsten zivilisierte und unterhaltsame“ in Europa, so ist das in Berlin das „schäbigste, hoffnungsloseste und lasterhafteste“. Als Fundgrube für eine Berliner Imagekampagne taugt der Bericht über das europäische Nachtleben, den Ernest Hemingway am 15. Dezember 1923 in „The Toronto Star Weekly“ veröffentlichte, sicher nicht. Seit zwei Jahren lebte er damals als Europakorrespondent in Paris und war so weit herumgekommen, dass er sich zu seinem harschen Urteil über Berlin berechtigt fühlte. „Nach dem Krieg ist es in eine Orgie getaucht, die die Deutschen Totentanz nennen.“ In Paris sei Champagner der Deus ex Machina des Nachtlebens, in der deutschen Hauptstadt sei es Kokain. Überall werde es offen verkauft, in einigen Cafés sogar von den Kellnern auf dem Tablett serviert. Auch werde man ständig von abgerissen aussehenden Männern angesprochen, die einen in „einen feinen neuen Nachtclub“ bugsieren wollen. Aber es gebe in Berlin keinen Nachtclub, der nicht abstoßend, nervend, langweilig sei.

Hemingway und Berlin, eine von Anfang an verkorkste Beziehung? Nein, später hat der Schriftsteller noch schöne Seiten an der Stadt entdeckt, kam sogar freiwillig zu Besuch. Berlin hat einen erheblichen Beitrag zu seinem frühen Erfolg in Deutschland geleistet. Und nicht zuletzt war da noch die Sache mit Käthe...

Der New Yorker Literaturprofessor Gerald B. Nelson und die Journalistin Glory Jones haben die Stationen von Leben und Werk Hemingways minutiös rekonstruiert. Berlin taucht in ihrem Buch zweimal auf, überraschend aber nicht in den Jahren vor der Philippika gegen die Lasterhöhle an der Spree. Demnach reiste er im Oktober 1927 mit seiner zweiten Frau Pauline Pfeiffer für eine knappe Woche nach Berlin, um sich das Sechstagerennen im Sportpalast anzusehen. Bekannt ist seine Begeisterung für Stierkampf, Hochseeangeln und Großwildjagd, die für Sechstagerennen weniger, was vielleicht daran liegt, dass er darüber zwar einige Geschichten begonnen hatte, aber stets scheiterte: „... ich werde nie eine schreiben können, die so gut sein kann wie die Rennen selbst.“ Aber er hat das tagelange Rasen im Oval zumindest skizziert, in den 1964 posthum erschienenen Erinnerungen „Paris – ein Fest fürs Leben“, worin er vom Vélodrome d’Hiver schwärmt, dem „Zauber der Steherrennen“, den Duellen, „die aufregender sind als alles andere“ und auch seine Schriftstellerei beflügelten: „Ich werde diese Zeit nie vergessen, als ich mich in einer Loge an der Ziellinie des Sechstagerennens einrichtete, um für ,In einem anderen Land’ Korrektur zu lesen. Es gab guten billigen Champagner, und wenn ich Hunger bekam, schickten sie nach ,Krabben mexikanisch’ von Prunier.“

Die waren im Berliner Sportpalast kaum zu haben, stattdessen Bier und Buletten, garniert mit „Krückes“ Pfiffen vom Heuboden, wie die billigen Plätze dort hießen. Im Herbst 1929 reiste Hemingway noch einmal zum Berliner Sechstagerennen. Kurz zuvor war bei Charles Scribner’s Sons in New York sein Roman „A Farewell to Arms“ herausgekommen, den er im Vélodrome d’Hiver Korrektur gelesen hatte. Bereits 1930 kam die deutsche Übersetzung bei Rowohlt in Berlin heraus und wurde im Jahr darauf zum Anlass für den dritten datierbaren Besuch Hemingways in Berlin.

„A Farewell to Arms“, heute ein klassisches Werk der „Lost Generation“, hat einen autobiografischen Hintergrund. Hemingway verarbeitet darin seine Erlebnisse an der österreichisch-italienischen Front 1918. Wie sein Romanheld Frederic Henry hatte er sich nach einer schweren Verwundung im Lazarett in eine Krankenschwester verliebt, sich, anders als dieser, nach der Genesung aber nicht in die Schweiz abgesetzt. Für zehntausende amerikanische und deutsche Leser wurde der desillusionierte Deserteur zur Identifikationsfigur. Ein Theater, das die Geschichte auf die Bühne brachte, durfte sich hoher Aufmerksamkeit gewiss sein.

Im Archiv des Deutschen Theaters findet sich noch heute ein Album aus der Spielzeit 1931/32 mit Fotos und Rezensionen der Inszenierungen. Auch „Kat“, die Dramatisierung von „A Farewell to Arms“, ist mit vier Aufnahmen und einer Rezension von Kurt Pinthus vertreten. Auch ein Exemplar der „Blätter des Deutschen Theaters“ von damals ist erhalten, mit einem an die „Vossische Zeitung“ gerichteten Brief Carl Zuckmayers zu „Kat“ sowie einer – autobiografisch grundierten – Kurzgeschichte Hemingways.

Zuckmayer hatte sich nach anfänglichem Zögern durch Max Reinhardts Oberspielleiter Heinz Hilpert überreden lassen, mit ihm die Bühnenadaption zu wagen. Zudem hatte Käthe Dorsch ihm zugesetzt, die sich von der Figur der liebenden Krankenschwester Catherine („Kat“) eine hübsche Hauptrolle versprach und bekam. Auch die anderen Hauptrollen waren hochkarätig besetzt: Gustav Fröhlich als Frederic Henry, Paul Hörbiger als Stabsarzt, Brigitte Horney ebenfalls als Krankenschwester. Die Premiere des Stücks – drei Akte, 22 Szenen, zu bewältigen nur mittels Drehbühne – fand am 1. September 1931 im Deutschen Theater statt und hat, liest man die Kritiken, eher dem Publikum als den Rezensenten gefallen. Proteste, Ausschreitungen der Nazis gar, gab es keine, anders als bei den Aufführungen des Films „Im Westen nichts Neues“ ein knappes Jahr zuvor. Und so ist der Abend Zuckmayer vor allem durch den bemerkenswerten Auftritt Hemingways in Erinnerung geblieben, der eigens aus Paris angereist kam, wie der Dramatiker in seiner Autobiografie „Als wär’s ein Stück von mir“ schreibt. Schon bei der Ankunft sei der Schriftsteller völlig betrunken gewesen, ausgerüstet mit einer flachen „Flasche Whisky in der Rocktasche, die er von Zeit zu Zeit an den Mund setzte“.

An der Bar des Hotel Eden habe er Champagner geordert. Erst zur Pause in Käthe Dorschs Garderobe, so Zuckmayers Schilderung, lebte Hemingway auf: „Er quetschte ihre Hand und fragte laut und deutlich, wie viel „that girl“ für eine Nacht koste.“ Zum Glück verstand Käthe Dorsch kaum Englisch, lächelte nur huldvoll, lehnte den angebotenen Whisky dankend ab, verstand wohl auch nicht, dass Hemingway für sie „hundert Dollar und keinen Cent mehr“ auszugeben bereit war. Es habe diesem in seinem Rausch wohl Spaß gemacht, „den primitiven amerikanischen ,Hillbilly’ zu spielen“.

Auch Gustav Fröhlich berichtet in seiner Autobiografie „Waren das Zeiten. Mein Film-Heldenleben“ von dem Besuch, hat ihn aber positiv in Erinnerung. Hemingway habe ihm sogar ein Exemplar des Romans geschenkt, samt Widmung: „To Mister Gustav Fröhlich with thanks and gratulations! Hope, you didn’t ruin your digestion while drinking so much tea during Kat!“ Auch im Stück wurde gebechert, wenn auch Tee statt Whisky.

„Kat“ blieb eine Episode in Berlins Theatergeschichte, der Roman aber ist im englischen Sprachraum berühmt. 1989 taugte er sogar für ein Wortspiel im James-Bond-Film „Lizenz zum Töten“. Ausgerechnet in Hemingways Haus in Key West war der Agent zum Rapport befohlen. Gerade hatte man ihm Waffe und Lizenz entzogen – für 007 Anlass zu einem Bonmot: „Oh, a farewell to arms.“

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