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Serie "Verlorene Orte" (1): Bahn-Ruinen in Berlin und Umgebung

30 Jahre Stadterneuerung seit der Wende und Berlin ist fast durch mit Baulücken und Ruinen. Einige der letzten verlorenen Orte sehen Sie hier.

Berlin und die Hauptstadtregion erneuern sich im rasanten Tempo. Längst ist der Verwertungsdruck auf Randlagen übergegangen, die noch vor kurzem unbeachtet blieben. Flächen wie die Garagen an der lauten Bahnstrecke werden nun bebaut. Lieber den Lärm vor der Tür ertragen, als gar nicht zur Stadt zu gehören.

Die Zahl der "Lost Places", die verlorenen und verlassenen Gebäude, für die Berlin seit den Neunzigern so bekannt war, ist stark geschrumpft. Doch es gibt sie noch. An Orten wie der Abhörstation auf dem Teufelsberg haben sich viele Ideen zerschlagen. Ein bröckelndes, aber faszinierendes Monument des Kalten Krieges.

Inseln des Verfalls gibt es bis heute auch im Westen Berlins, manchmal mitten im Kiez. Wie an der Odenwaldstraße in Friedenau, wo seit vielen Jahren ein schöner Altbau von allen Seiten begehrlich beschaut wird. Trotzdem erobert sich langsam die Natur ihr Terrain zurück.

Diese erste Folge von Berlins letzten Ruinen widmet sich vergessenen Lokschuppen, Gleisen und Brücken der Bahn.

[Liebe Leserinnen, liebe Leser: Welche verlorenen Orte begegnen Ihnen in Berlin? Senden Sie ein Foto an leserbilder@tagesspiegel.de!]

Potsdam Pirschheide

Fast vergessen liegt der alte Potsdamer Hauptbahnhof im Wald. Güterzüge rauschen an den vergammelten Bahnsteigen vorbei. Die DDR hatte die Station 1958 nahe der Langen Brücke eröffnet, als Teil eines Außenrings um den Westteil der Stadt. Nach der Wiedervereinigung kam die Umbenennung in Potsdam Pirschheide und der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit.

Auf den oberen vier Gleisen halten seit 1999 keine Züge mehr, unten verkehrt nur noch die Regionalbahn zwischen Potsdam und Michendorf. Immerhin ist die ehemalige Wartehelle seit 2017 ein Tanzclub.

In einigen Jahren soll die fast verwaiste Station wieder stärker genutzt werden. Von dort aus könnte eine Linie Fahrgäste direkt zum Großflughafen BER bringen.

Deutschlands letzte Rundlokschuppen

Wie ein gelandetes Ufo steht der Lokschuppen zwischen mehreren Bahnstrecken in der Nähe des Betriebsbahnhofs Rummelsburg. 1875 begannen die Bauarbeiten. Auf einer Drehscheibe im Innern rangierten die Bahner die Züge, doch schon im frühen 20. Jahrhundert lief die Zeit seiner Nutzung ab. Die Lokomotiven mit ihren Schlepptendern waren zu lang geworden und mussten woanders untergestellt werden. Der Schuppen blieb stehen, diente noch als Materiallager. Schließlich geriet er in Vergessenheit und wird heute von zahlreichen Bahngleisen umkurvt.

Der Verfall ist schon von weitem augenfällig. Die nackten Stahlstreben des ringförmigen Pultdachs halten noch, doch die grandiose Kuppel wird wohl bald einstürzen. Unter dem abgedeckten Dach breiten sich Pflanzen aus. Ein faszinierendes Gebäude, von außen wie von innen. Backsteinwände, Ornamente an Eisenpfeilern und Fensterstreben.

Die Ruine in Rummelsburg ist der vorletzte Rundlokschuppen in Deutschland, die andere steht in Pankow. Stilprägend, unter Denkmalschutz - und doch verfallen. In Berlin muss das kein Widerspruch sein. Die Bahn interessiert sich nicht für die Schönheit des Gebäudes und scheiterte mit einem Abrissantrag. Da niemand den Verfall aufhält, wird es wohl bald zu spät sein.

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Konzerthalle, Campus - neue Ideen für alte Bahnschuppen

Es wird nicht überall so respektlos mit Bauerbe umgegangen wie in Berlin. Im Londoner Roundhouse, einem vergleichbaren Rundlokschuppen, trat 1966 Pink Floyd auf. Seit einem Ramones-Konzert zehn Jahre später gilt der Rundlokschuppen als Geburtsort des Punk. Auch in Derby konnten sich Denkmalschützer durchsetzen. Dort ist ein Rundlokschuppen Teil eines Campusgeländes geworden, es wird also gelernt in der Rotunde.

Berlin ist eine Kulturmetropol mit Tausenden von Veranstaltungen. Dennoch verfallen hier die letzten grandiosen Reste aus der Zeit der Dampflokomotiven.

In Pankow verfällt der letzte und größte Rundlokschuppen

Der andere deutsche Rundlokschuppen steht am S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf und hat etwas bessere Rettungschancen. Ende 2009 erwarb der Berliner Möbelhändler Kurt Krieger das Bahnhofsgelände von fast 40 Hektar. Er will hier ein Viertel mit 2000 Wohnungen und Schulen entwickeln. Lange wurde über die Ausgestaltung gestritten.

Der für 24 Lokomotiven ausgelegte Rundlokschuppen ist der größte seiner Art und entstand 1893. Er muss erhalten bleiben.

Die Rotunde am S-Bahnhof blieb nicht allein. Später entstand eine große Drehscheibe mit einem Ringlokschuppen, die ebenfalls verfällt.

Auf dieser Aufnahme sind die sternförmig auf die Mitte zulaufenden Gleise noch deutlich zu erkennen.

Hier ließen sich die Lokomotiven von unten warten.

Vergessener Ringlokschuppen in Lichtenberg

Der verlassene Lokschuppen auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks Lichtenberg Ost (BLO) ist keine historische Besonderheit vom Maßstab der oben gezeigten Ringlokschuppen. Doch vielleicht ließe sich auch dieses Gebäude wieder nutzen, ehe es ganz verfällt.

1999 verließ der letzte von 1.000 Bahnern das Gelände, anschließend gründeten Künstler die Blo-Ateliers in den maroden Gebäuden.

Der Regierungszug der DDR soll hier in ständiger Bereitschaft gehalten worden sein, obwohl Honecker und Genossen stets andere Verkehrsmittel benutzten.

Siemensbahn - in zehn Jahren wiederbelebt?

Eine verrostete Brücke, alte Bohlen, die im Gestrüpp verschwinden und Bahnhöfe voller Graffiti. Auf der alten Trasse von der Jungfernheide über die Bahnhöfe Wernerwerk und Siemensstadt bis nach Gartenfeld ist zuletzt 1980 ein Zug gefahren. Nur Ruinen-Touristen wagen sich noch auf das Stahlviadukt, das zur Bauzeit Ende der 20er Jahre hochmodern war. Werksarbeiter von Siemens kamen mit der Verbindung schneller zur Arbeit, ein halbes Jahrhundert lang. Zuletzt hatte der Arbeitsplatzabbau in der Siemensstadt und die verlängerte U-Bahnlinie U7 die Auslastung sinken lassen.

Die Brücke der Siemensbahn führte einst über die Spree zum S-Bahnring.

Heute wird der Bedarf für eine S-Bahn-Verbindung in Berlins Nordwesten als hoch eingeschätzt, zumal weitere Wohnquartiere geplant sind. Der Senat prüft eine Reaktivierung der alten Strecke innerhalb von zehn Jahren, sogar mit Verlängerung bis nach Hakenfelde. Doch der Verfall könnte trotzdem weitergehen, falls sich die Planer für eine unterirdische Streckenführung entscheiden.

Stammbahn: stillgelegte Strecke zwischen Potsdam und Berlin

Die Bahnstrecke führte einst vom Berliner zum Potsdamer Hauptbahnhof über Zehlendorf und Steglitz. Seit 1945 ist sie außer Betrieb. Stillgelegte Teile davon lassen sich zu Fuß ablaufen, wie hier am Hegauer Weg.

Die Stammbahn soll wiederaufgebaut werden, dafür laufen Grundlagenplanungen.

Der Bahnsteig des ehemaligen S-Bahnhofs Düppel ist mittlerweile dicht mit Bäumen bewachsen. Im September 1980 wurde die Station geschlossen. Auf der alten Trasse durch den Wald begegnen sich heute nur noch Fußgänger.

Zehlendorf Süd an der Clauertstraße

Verlassen steht eine Brücke im Wald bei Dreilinden. Auch sie gehörte zur Stammbahn.

S-Bahnhof Zehlendorf. Am Gleis gegenüber sind einzig die Werbeplakate noch frisch, alles andere vergammelt.

Naturpark Südgelände in Schöneberg

Bis 1952 befand sich ein riesiger Güterbahnhof auf dem 18 Hektar großen Gelände des heutigen Naturparks. Dessen Reste sind noch zu entdecken. Neben dem Wasserturm ist die Dampflokomotive Wahrzeichen des Geländes.

Liesenbrücken

Zwei wuchtige Eisenbahnbrücken, Reste der Berliner Mauer und vier Friedhöfe prägen die Liesenstraße an der Grenze zwischen Mitte und Gesundbrunnen. Die rostigen Brücken überspannen den Kreisverkehr zwischen Liesen- Garten- und Scheringstraße. Gebaut wurden sie im späten 19. Jahrhundert für die Berlin-Stettiner Eisenbahn. Die denkmalgeschützten Brücken könnten eine Fußgängerverbindung zwischen Humboldthain zum Park am Nordbahnhof schaffen, so die Idee der Initiative "Grünzüge für Berlin".

Anhalter Bahnhof

Was übrig blieb, wurde zum Denkmal: An den imposanten Anhalter Bahnhof erinnert dieses Fragment eines Vorbaus am Haupteingang. Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstörten Berlins "Tor zum Süden".

1951. So sah die ausgebrannte Ruine vor ihrer Sprengung neun Jahre später aus. Nach Protesten blieb immerhin die kleine Säulenhalle stehen. Dort, wo damals die Züge abfuhren ist heute ein Fußballplatz.

Park am Gleisdreieck

Reste von Bahntrassen auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter und Potsdamer Güterbahnhofs.

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