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Berlin: "Seniorpartner in School": Kinder brauchen Großeltern

Wenn Kinder heutzutage ihre Großeltern treffen, dann muss schon was Besonderes passiert sein. Feiertag, Geburtstag, Krankheit oder so.

Wenn Kinder heutzutage ihre Großeltern treffen, dann muss schon was Besonderes passiert sein. Feiertag, Geburtstag, Krankheit oder so. Sieben Mal pro Jahr kommt das im Schnitt vor. Also: kein gemeinsamer Alltag, keine Märchenstunde, kein spontanes Gespräch zwischen Enkel und Oma / Opa. Die Generationen leben nebeneinander her.

Das mit den sieben Mal hat sich Christiane Richter gut gemerkt. Weil es genau ihr Thema ist. Die Sozialarbeiterin will nämlich die Generationen zusammenbringen - und weiß auch schon wie: als Gesprächspartner, wenn es in Schulen Konflikte gibt. Das Ganze nennt sich "Seniorpartner in School" und beginnt im kommenden Schuljahr.

Christiane Richter nimmt nämlich nicht nur Anstoß am Kontaktmangel zwischen den Generationen. Ihr geht es auch darum, ältere Menschen an ehrenamtliche Aufgaben heranzuführen. Darüber hat sie sogar eine Dissertation geschrieben, denn es treibt sie um, dass bald ein Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung jenseits der Sechzig ist. Sie kann sich nicht vorstellen, dass man in der "dritten Lebensphase" nur noch Entspannung und Hobbys zum Glücklichsein braucht.

Auf die Idee, die Aktivitäten auf den Schulbereich zu lenken, kam die Mutter dreier Kinder schnell. 23 Jahre lang hat sie Elternarbeit gemacht, davon die meiste Zeit auf Bundesebene. An der Neuköllner Carl-Leggen-Oberschule war sie von 1984 bis 1992 als Einzelfallhelferin für schwierige Schüler tätig. Sie weiß, welche Konflikte sich in Schulen abspielen, und dass Lehrer manchmal mit ihrem Latein am Ende sind, weil sie nicht genug Zeit haben, Konflikten auf den Grund zu gehen. Außerdem bestehe wegen der Zensuren ein "Abhängigkeitsverhältnis" zwischen Lehrern und Schülern, das die Offenheit im Konfliktfall erschwere. Das Konzept der "Seniorpartner" sieht vor, dass Freiwillige "ab Mitte 50", die möglichst aus sozialpädagogischen Berufen kommen sollen, eine Fortbildung zu "Mediatoren" absolvieren. Hier erhalten sie das Rüstzeug, in Konfliktfällen zu vermitteln und zu einigen, damit die Streithähne ihre Blockaden überwinden können. "Hilfe zur Selbsthilfe" lautet das Motto. Die "Stiftung Brandenburger Tor" hat bereits eine Anschubfinanzierung in Aussicht gestellt. Die ersten zehn bis zwölf Teilnehmer werden dann ab Oktober Ansprechpartner in zwei Schulen sein. Fernziel sind Seniorpartner für alle Schulen.

In der Anlaufphase will Christiane Richter herausfinden, ob es sinnvoll ist, an einer Schule aktiv zu werden, an der bereits Lehrer und Schüler zu Konfliktlotsen ausgebildet wurden. Deshalb hat sie sich mit der Tempelhofer Werner-von- Stephan-Hauptschule zusammengetan. Schulleiter Siegfried Arnz habe ihr gesagt, dass er sich "über die Bereicherung seines Schulangebots freut", erzählt Christiane Richter mit leuchtenden Augen. Und auch das Kollegium habe zugestimmt. Die zweite "Versuchsschule" ist die Steglitzer Friedrich-Bayer-Realschule. Hier gibt es keine Schüler-Konfliktlotsen.

Die Neuköllnerin, die seit dem Jahr 1992 für die SPD in der Bezirksverordnetenversammlung sitzt, will aber noch mehr erreichen. Sie hat bereits Kontakt zu Sozialarbeitern in den Jugendämtern aufgenommen, damit "schwierige Fälle" gemeinsam gelöst werden können. "Die Jugendämter sehen das als präventive Maßnahme", berichtet sie aus ihren Gesprächen. Immerhin hat Christiane Richter bis zu ihrer Pensionierung 1999 den Bereich Sozialarbeit im Sozialamt des Bezirks Treptow geleitet und weiß deshalb auch, wozu Prävention gut sein kann.

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