zum Hauptinhalt
Maria Pinkow (22), Angestellte bei der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, sitzt in einem der neugestalteten Arbeitsräume in der Senatsverwaltung.

© Jordan Raza/dpa

Senatsverwaltung startet Pilotprojekt für modernes Arbeiten: „Also, intern faxen wir gar nicht mehr“

Verwaltung und Zukunftsfähigkeit passen nicht zusammen? Das sieht die Senatsverwaltung für Finanzen anders. Hier geht es nun richtig trendig und flexibel zu.

Hach, Verwaltung. Man hört das Wort und denkt an angegraute Lamellenrollos, Stempelkissen und Faxgeräte. Oder: Man denkt an modernes, flexibles, zukunftsfähiges Arbeiten. Das zumindest wünscht sich die Senatsverwaltung für Finanzen.

Seit März 2019 läuft dort das Projekt „Arbeit mal anders“, das in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation eine „zukunftsfähige Arbeitskultur“ in der Senatsverwaltung schaffen soll.

Angestellte der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen arbeiten in einem der neugestalteten Arbeitsräume.
Angestellte der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen arbeiten in einem der neugestalteten Arbeitsräume.

© Jordan Raza/dpa

In der Umsetzung bedeutet das: vier neu gestaltete Büroräume. Seit Anfang Januar sind sie in Benutzung. Finanzsenator Matthias Kollatz, Bereichskoordinator Ralf Meyer und Projektleiterin Anne Steinicke führten am Donnerstag durch die Büros.

Es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr

Im ersten Raum gibt es höhenverstellbare Schreibtische, ergonomische Tastaturen, eine Art Tresen mit lehnenlosen Hockern, die über den durchsichtigen Glühbirnen mit sichtbarem Draht baumeln. Außerdem: eine schallisolierte Besprechungskabine. „Sie können es ausprobieren und hier drin mal ganz laut schreien, wenn Sie mögen“, sagt Kollatz.

Oooommmmm – Eine Buddha-Figur steht in einem der neugestalteten Arbeitsräume der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.
Oooommmmm – Eine Buddha-Figur steht in einem der neugestalteten Arbeitsräume der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.

© Jordan Raza/dpa

Feste Arbeitsplätze gibt es nicht mehr, gearbeitet wird mit Laptop und Smartphone. In diesem Raum sollten vor allem der „Kommunikationsfluss und der Wissensaustausch“ gefördert werden, sagt Ralf Meyer. Er ist Koordinator für den Bereich E-Government. Sein liebster neuer Arbeitsplatz? „Der Tresen. Da treffen sich die meisten.“ Und auch Steinicke findet: „Der Tresen ist der absolute Renner.“

Eine schallisolierte Kabine, ein Filzhocker und Zimmerpflanzen

Im zweiten Raum: noch eine schallisolierte Kabine, zwei Tische hinter schulterhohen Sicht- und Lärmschutzwänden. Das hier sei „der Raum für konzentriertes, isoliertes Arbeiten“. Filzhocker, Zimmerpflanzen, eine Sitzecke mit zwei Sofas.

Am Fenster steht ein Ohrensessel in Beige mit dazugehörigem Fußteil – „der Bibliotheksbereich“, wie ihn Steinicke nennt. Es sieht aus wie im Ikea-Katalog.

Füße hochlegen in der Verwaltung, das wäre ja noch schöner

Steinicke soll sich auf den Sessel setzen, als Fotomotiv für die anwesenden Journalisten. Sie legt die Füße auf das Fußteil und lächelt. Die Pressesprecherin wird nervös, murmelt „kein gutes Motiv“, und gibt Steinicke gestisch zu verstehen, die Beine aber schnellstens wieder vom Fußteil zu nehmen. Füße hochlegen in der Verwaltung, das wäre ja noch schöner.

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) steht in einer schalldichten Telefonzelle in der Senatsverwaltung für Finanzen.
Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) steht in einer schalldichten Telefonzelle in der Senatsverwaltung für Finanzen.

© Jordan Raza/dpa

In Raum drei und vier stehen Konferenztische bereit, einer lässt sich aus weißen Waben beliebig zusammenfügen. „Das sieht jetzt vielleicht unspektakulär aus“, sagt Steinicke, „aber für die Verwaltung ist das was Besonderes. Nicht diese Senatseiche.“

Flächenbedarf durch Neugestaltung um 30 Prozent gesenkt

Auch Finanzsenator Matthias Kollatz betont, dass es normalerweise anders aussehe in einem Verwaltungsgebäude: „Klassischerweise gibt es Einer- und Zweierbüros.“ Außerdem gebe es in vielen Gebäuden bauliche Beschränkungen oder Denkmalschutzbestimmungen. Für die Umgestaltung der vier Büros seien kaum Umbauten nötig gewesen: In einem Informationspapier der Behörde ist lediglich der „Abriss einer Trockenwand (geringer Aufwand)“ vermerkt.

Und es gibt einen Clou: Durch die Neugestaltung der Arbeitsplätze werde der Flächenbedarf um 30 Prozent gesenkt - bei einer steigenden Zahl von Beschäftigten ist das relevant.

Die Möbel sind größtenteils gemietet

Aber wie teuer ist das alles? „Die Kosten amortisieren sich allein durch die Flächenersparnis relativ fix“, sagte Kollatz. Relativ fix heißt hier: innerhalb von vier Jahren, bezogen auf die Investitionen in multifunktionale Möbel. Die Kosten der Neugestaltung sind in der Unterlage aufgeschlüsselt: Die Möbel seien größtenteils gemietet - für knapp 26.000 Euro, auf ein ganzes Jahr gerechnet.

Die einmaligen Anschaffungskosten für Laptops und Smartphones werden mit rund 25.000 Euro beziffert. Außerdem seien für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes seit Herbst 2018 Mittel in Höhe von etwa 101.300 Euro ausgegeben worden. Nicht beziffern lasse sich hingegen der Mehrwert der optimierten Zusammenarbeit.

Sensoren sollen Wärme und Bewegung registrieren

Seit drei Wochen arbeiten 15 Kolleginnen und Kollegen einer Arbeitsgruppe in den neuen Räumen, weitere fünf kommen dazu. Noch bis März läuft die Testphase des Projektes, dann wird ausgewertet. Gemessen wird der Erfolg und Anklang ganz konkret: An allen Arbeitsplätzen sind Sensoren installiert, die Wärme und Bewegung registrieren. So soll erfasst werden, wie frequentiert welcher Arbeitsplatz ist, und ob es weitere Bedarfe für bestimmte Arbeitsplätze gibt.

Ab April soll ein "Reallabor" entstehen, in einem weiteren Gebäude der Senatsverwaltung. Dort sollen ab Herbst 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "Erfahrungen mit digitalen Innovationen und flexiblen Arbeitsumgebungen zu sammeln".

„Es gibt auch kritische Ansichten“

Sind die Mitarbeiter denn aus dem Häuschen? „Es gibt auch kritische Ansichten“, sagt Koordinator Meyer. „Was ich kenne, ist mir vertraut. Gegenüber Neuem gibt es auch mal Gefühle der Skepsis und der Vorsicht.“ Grundsätzlich, heißt es von der Senatsverwaltung, sei jeder Veränderungsprozess mit Ängsten und Widerständen verbunden.

Eine Lounge im neugestalteten Arbeitsraum der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.
Eine Lounge im neugestalteten Arbeitsraum der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.

© Jordan Raza/dpa

Doch Senator Kollatz treibt den Ausbau mobiler, flexibler Arbeitsplätze voran. Erstens könne man nur so als Arbeitgeber attraktiv für Nachwuchskräfte sein.

Zweitens ist die Senatsverwaltung für Finanzen in der Berliner Verwaltung auch für den Bereich Personal verantwortlich. Das Ziel sei es, hausübergreifend zukunftsfähige Arbeitsplätze einzurichten. "Da ist es wichtig, dass wir es auch bei uns machen", sagte Kollatz.

Vorbild für die gesamten Behörden

Hausintern sollen die neuen Büros des Bereichs Bereich E-Government als Vorbild für die gesamte Behörde gelten. Mitarbeiter, die bereits mobil und flexibel arbeiten, sollen Empfehlungen aussprechen. Andere Abteilungen sollen sich – freiwillig! – für ein ähnliches Modell entscheiden.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Und drittens geht es in der Senatsverwaltung überhaupt nicht mehr so analog zu. Jeder dritte Mitarbeiter und jede dritte Mitarbeiterin befinde sich in „alternierender Telearbeit“, wie man auch für „ab und zu im Homeoffice“ sagen kann, im Schnitt ein bis zwei Tage pro Woche.

Zudem erfolgen 90 Prozent der Abläufe in der Verwaltungsbehörde mittlerweile digital, erklärte Steinicke. Die E-Akte wird seit 2016 genutzt, verbindlich für alle. Ein Drucker stehe mittlerweile nur noch auf dem Gang. Und Faxgeräte? Steinecke antwortet: „Also, intern faxen wir gar nicht mehr.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false